# taz.de -- Bundespräsidentenwahl in Österreich: Zurück zu den Urnen | |
> Der Verfassungsgerichtshof in Österreich hat die Bundespräsidentenwahl im | |
> Mai annulliert. Sie soll nun im Herbst wiederholt werden. | |
Bild: Doch nicht der künftige Präsident? Alexander van der Bellen (Grüne, l.… | |
WIEN taz | Die Bundespräsidentenstichwahl vom 22. Mai muss „in ganz | |
Österreich zur Gänze wiederholt werden“. Diese Entscheidung verkündete | |
Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) | |
Freitagmittag in Wien. Das Höchstgericht hat keine gezielten Manipulationen | |
des Wahlergebnisses festgestellt. Doch reiche, wie Holzinger betonte, „die | |
theoretisch mögliche Verschiebung von Stimmen“ für die Ungültigkeit des | |
Wahlgangs aus. In nicht weniger als 14 der untersuchten Wahlbezirke habe | |
man grobe Rechtswidrigkeiten festgestellt. Davon seien 77.926 Stimmen | |
betroffen. Da der Unterschied zwischen den beiden Kandidaten nur 30.863 | |
Stimmen betragen habe, hätte das Ergebnis also auch anders ausfallen | |
können. | |
Die Briefstimmen haben Alexander Van der Bellen im Mai den knappen Sieg | |
über Norbert Hofer beschert. Jetzt haben sie ihn diesen Sieg auch wieder | |
gekostet. Vorläufig zumindest. Die FPÖ konnte bei ihrer neunzigseitigen | |
Wahlanfechtung aus dem Vollen schöpfen. Denn dass flächendeckend geschlampt | |
wurde, war offenbar allen Beteiligten längst bekannt. Nur hatte bisher | |
niemand darauf bestanden, die Formalfehler zu beanstanden. Vier Tage lang | |
hatten die 14 Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) | |
in öffentlicher Anhörung 67 Zeuginnen und Zeugen befragt, die zu den | |
Vorwürfen der FPÖ Stellung nehmen mussten. | |
Das Gesetz sieht vor, dass die Wahlkarten erst am Montag nach der Wahl um | |
9.00 Uhr geöffnet und dann unter Anwesenheit der von den Parteien | |
entsandten Beisitzer ausgezählt werden. Diese Regelung ist praxisfern, weil | |
von der Wahlbehörde großer Druck ausgeübt wird, die Ergebnisse möglichst | |
rasch bekanntzugeben. Deshalb ist fast überall ein effizienterer, aber | |
gesetzwidriger Plan B zum Einsatz gekommen. Es wurden Wahlkarten schon | |
Sonntagabend aufgeschlitzt und vorsortiert, in manchen Bezirken von Beamten | |
– ohne die Beisitzer als Zeugen – auch schon ausgezählt. Dessen ungeachtet | |
haben aber überall die Mitglieder der Wahkommissionen und die Beisitzer im | |
Nachhinein die gesetzeskonforme Vorgehensweise mit ihrer Unterschrift | |
beurkundet. | |
Selbst Sitzungen, die nie stattgefunden hatten, wurden protokolliert. Als | |
Begründung wurde oft Zeitdruck angegeben. Die meisten Beisitzer sind | |
Freiwillige, die einem Beruf nachgehen und nicht ohne Weiteres den ganzen | |
Montag den Regeln der Demokratie opfern können oder wollen. Und offenbar | |
herrschte grenzenloses Vertrauen in die Lauterkeit der beamteten | |
Wahlleiter. Tatsächlich, so Holzinger, habe keiner der vernommenen Zeugen | |
erkannt, dass es zu Manipulationen gekommen sei. | |
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), der unmittelbar nach der Verkündung vor | |
die Presse trat, hält den Imageschaden, den Österreich davontragen wird, | |
für „überbewertet“. Vielmehr sei gerade der Beweis erbracht worden, „da… | |
der Rechtsstaat funktioniert“. Er wünscht sich einen kurzen Wahlkampf. | |
Einen Termin für die Wiederholung der Stichwahl gibt es noch nicht. Von | |
Anfang September bis Mitte Oktober ist die Rede. Innenminister Wolfgang | |
Sobotka (ÖVP) will dafür sorgen, dass die festgestellten Ungesetzlichkeiten | |
und Unzulänglichkeiten sich „nie wieder wiederholen“ können. Die Mitglied… | |
der Wahlbehörden werden zu verpflichtenden Schulungen verdonnert. Ein | |
überarbeiteter Leitfaden wird ihnen zur Verfügung gestellt. Für die | |
besonders kritisierten Wahlbezirke will er Beobachter der OSZE einladen. | |
Der ehemalige Grünen-Chef Alexander van der Bellen, der sich schon in der | |
Hofburg gesehen hat, schickte zunächst seinen Wahlkampfleiter Lothar Lockl | |
vor, der sich überzeugt gab, man werde auch eine Wahlwiederholung gewinnen. | |
Mit der Aufhebung des Wahlergebnisses hat Östereich ab 8. Juli kein | |
Staatsoberhaupt. Bundespräsident Heinz Fischer scheidet dann aus dem Amt. | |
Seine Aufgaben werden bis zur Neuwahl kollektiv und gleichberechtigt von | |
den drei Präsidenten des Nationalrats wahrgenommen. | |
1 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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