# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Österreich: Schulterschluss gegen die FPÖ | |
> Van der Bellen verdankt seine Aufholjagd vor allem Frauen – und der | |
> Unterstützung ehemaliger KonkurrentInnen um das Amt. | |
Bild: Nicht nur Plakatwände, auch kleinere Werbeflächen wurden intensiv genut… | |
WIEN taz | Vor dem Palais Auersperg in Wien wartete Sonntagabend eine lange | |
Menschenschlange auf Einlass zur grünen Wahlparty. Nur wenn jemand das Fest | |
verließ, durfte wieder eine Person hinein. Durchgewinkt wurden nur | |
Journalisten und Prominente. Da kam gegen 19 Uhr Andreas Schieder, | |
Fraktionschef der SPÖ, mit seiner Frau Sonja Wehsely, Stadträtin in Wien. | |
Auch der SPÖ-Europaabgeordnete Eugen Freund und sein ÖVP-Kollege Othmar | |
Karas ließen es sich nicht nehmen, mit Alexander Van der Bellen anzustoßen. | |
Zwar wird das Wahlergebnis erst nach Auszählung der Briefstimmen am Montag | |
gegen Abend feststehen, doch sieht das Umfrageinstitut SORA, das für den | |
ORF seit Jahren die Hochrechnungen macht, Van der Bellen um knappe 3.000 | |
Stimmen – das ist weniger als ein Hundertstelprozent – vorne. Gäbe es diese | |
Wahlkarten nicht, hätte Norbert Hofer, der Kandidat der rechtsnationalen | |
FPÖ, mit 51,9 Prozent klar gewonnen. Doch Christoph Hofinger von SORA sieht | |
einen Vorteil für den ehemaligen Grünen-Chef. | |
Von den 885.000 beantragten Wahlkarten sind um die 700.000 rechtzeitig bei | |
den Wahlbehörden eingetroffen. Traditionell sind Briefwähler eher urban, | |
mobil und haben überdurchschnittliche formale Bildung. Deswegen wird ein | |
Ergebnis von 60:40 zugunsten von Van der Bellen angenommen. Hofinger räumt | |
aber ein, dass es auch anders ausgehen kann. Ein anderes Institut rechnet | |
in der Endabrechnung mit 20.000 Stimmen Überhang für Hofer. | |
Die unglaubliche Aufholjagd Van der Bellens, der nach Hofers deutlichem | |
Sieg in der ersten Runde als Außenseiter in die Stichwahl ging, ist einem | |
Schulterschluss gegen rechts zu verdanken. Die Strategie, die Wähler der | |
ausgeschiedenen Kandidaten ins Boot zu holen, ist voll aufgegangen. | |
Wählerstromanalysen zeigen, dass der Wirtschaftsprofessor zwei Drittel der | |
Anhängerschaft der unabhängigen Richterin Irmgard Griss und drei Viertel | |
der SPÖ-Wähler aus dem ersten Durchgang für sich gewinnen konnte. Zwar gab | |
es keine offizielle Wahlempfehlung, doch die prominentesten | |
Sozialdemokraten legten ihre Stimme offen. | |
## Plakatflächen von der SPÖ | |
In Wien mobilisierte die SPÖ sogar ihr Fußvolk und stellte ihre | |
Plakatflächen zur Verfügung. So konnte Van der Bellen in der | |
Bundeshauptstadt den entscheidenden Vorsprung holen und sogar | |
FPÖ-Hochburgen wie den Arbeiterbezirk Favoriten gewinnen. Griss hatte sich | |
lange geziert, zuletzt aber doch noch Van der Bellen unterstützt. | |
Von den ÖVP-Wählern entschied sich eine knappe Mehrheit für den Grünen, | |
obwohl offene Unterstützung vor allem von nicht mehr aktiven Politikern | |
kam. „Viele folgten der Empfehlung von Ex-Wirtschaftsminister Martin | |
Bartenstein, weiß, also ungültig abzustimmen.“ Auch bei den Nichtwählern | |
hatte Hofer das Nachsehen. | |
## Skinhead verschaffte Van der Bellen Stimmen | |
Sollte Van der Bellen das Rennen machen, so hat er das vielleicht auch | |
einem Skinhead zu verdanken, der in der Nacht auf Sonntag beim Fest eines | |
Motorradclubs in Vorarlberg in die Menge schoss und zwei Männer tötete, | |
bevor er sich selber eine Kugel in den Kopf jagte. | |
„Man stelle sich vor, das wäre ein traumatisierter Flüchtling gewesen“, | |
seufzte ein grüner Aktivist im Palais Auersperg. Ein paar tausend Stimmen | |
wären leicht auf die andere Seite gewandert. Vorarlberg ist heute neben | |
Wien das einzige mehrheitlich grüne Bundesland. | |
Letzten Endes verdankt der 72-jährige Professor sein Ergebnis den jungen | |
Frauen. Frauen unter 30 haben zu 67 Prozent Van der Bellen gewählt. Und | |
ihre Wahlbeteiligung lag mit 80 Prozent deutlich über dem Durchschnitt von | |
72 Prozent. Nur die Wählergruppe mit Hochschulabschluss war mit 81 Prozent | |
noch aktiver. Auch Angestellte, öffentlich Bedienstete und Selbständige | |
votierten deutlich für ihn. | |
Dass Hofer bei Arbeitern unglaubliche 86 Prozent erzielte, zeigt, dass die | |
Klassenfrage wieder im politischen Diskurs angekommen ist. Pensionisten, | |
die letzte solide Bastion von SPÖ und ÖVP, konnte er immerhin zu 53 Prozent | |
überzeugen. Frauen über 60 finden sich aber zu 56 Prozent bei Van der | |
Bellen. | |
23 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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