# taz.de -- Wahlverhalten in Wien: Riesenerfolg mit Vorgeschichte | |
> In Wien konnte sich Alexander Van der Bellen behaupten. In einem | |
> „Problemviertel“ lag er besonders weit vorne. | |
Bild: Van der Bellen (r.) gegen Hofer (l.): Im Wahlbezirk 6 fiel die Entscheidu… | |
WIEN taz | Auf dem Yppenplatz in Ottakring, dem 16. Bezirk Wiens, hat sich | |
in den vergangenen zehn Jahren ein beliebter und belebter multikultureller | |
Stadtteil entwickelt. Früher lebten hier hauptsächlich Migranten in den | |
damals noch sanierungsbedürftigen Wohnhäusern. Heute verkaufen auf dem | |
Brunnenmarkt nebenan Bio-Bauern und Marktschreier an über 160 Ständen | |
Gemüse, Obst, Fisch und was man sonst noch brauchen kann. | |
Es riecht nach exotischen Gewürzen und Gentrifizierung. Craft Beer-Lokale, | |
Cafés, hippe Restaurants und die junge Kreativszene sind natürlich auch | |
schon längst da. Ein „Bobo-Viertel“ – wienerisch für ein bürgerliches | |
Viertel mit grün-rotem Etikett – wie man es sich vorstellt. | |
Diese Vorstellung spiegelte sich auch im ersten Wahlgang der | |
Bundespräsidentenwahl wider: Am 24. April erreichte der grün-unabhängige | |
Kandidat Alexander van der Bellen im Wahlbezirk 6 sein höchstes Ergebnis | |
österreichweit: 63 Prozent. | |
Anfang Mai wurde das Stadtviertel dann von einem Mordfall erschüttert, der | |
bald die Frage aufwarf, ob das Wahlergebnis bei der Stichwahl auch | |
wiederholt werden könne. Am Brunnenmarkt erschlug ein verwirrter, | |
obdachloser 21-jähriger Asylwerber offenbar grundlos eine Frau, die früh | |
morgens auf dem Weg zu ihrer Arbeit war mit einer Eisenstange. | |
Die Tat erschütterte die ganze Stadt, da der Mann in der Vergangenheit | |
bereits mehrmals angezeigt worden und psychisch auffällig war. Er war | |
Anwohnern und Polizei bekannt. Es dauerte nicht lange, bis die Frage nach | |
Behördenversagen gestellt wurde. Eine Sonderkommission soll nun mögliche | |
Versäumnisse aufklären. | |
## Obdachlose in gentrifiziertem Viertel | |
Bald ging es aber nicht mehr ausschließlich um den Mord, es ging auch um | |
den Drogenhandel, der an einigen Stationen der U-Bahn-Linie U6 immer | |
stärker zunahm, und um den Umgang mit Obdachlosen in einem gentrifizierten | |
Viertel. | |
Mitte Mai veröffentlichte die Fraueninitiative Brunnenmarkt einen | |
[1][offenen Brief], der die Behörden unter dem Titel „Wien gehört uns | |
allen“ aufforderte zu handeln. Der Mord an der 54-jährigen Maria E., | |
begangen von „einem illegal in Österreich lebenden, obdachlosen Kenianer | |
hat uns aufgerüttelt“ steht da. Und: „Es empört uns, dass der Spielplatz … | |
Yppenplatz (…) zu Aufenthaltsorten für Corner Boys und Obdachlose | |
verkommen, die diese teuer sanierten Plätze, die als Freiräume für Familien | |
und Kinder dienen sollen, zumüllen.“ Das Lebensgefühl der Frauen sei | |
zunehmend beeinträchtigt, schreiben die Vertreterinnen der Initiative. | |
Sonja Kothe, SPÖ-Bezirksrätin und Vorsitzende der Kommission für | |
Integration, Jugend und Bildung, warnte daraufhin öffentlich auf Facebook, | |
dass die Zunahme des Drogenhandels im Viertel um den Brunnenmarkt offenbar | |
dazu benutzt werde, Ressentiments zu schüren. Sie warnte davor, | |
verschiedene Themen wie Obdachlosigkeit und Übergriffe auf Frauen zu | |
vermischen, zu einem „Brei an Verdächtigungen und Vorverurteilungen, der | |
sich weder politisch noch gestalterisch bearbeiten lässt“, schrieb sie. | |
## Public Viewing zur Wahl | |
Auch die FPÖ schaltete sich schnell zu dem Vorfall ein. Kandidat Norbert | |
Hofer sprach auf Facebook sein Beileid aus. [2][Laut Kurier] war die | |
ermordete Frau aktives FPÖ-Mitglied. Und nur wenige Tage vor der Stichwahl | |
brachte die rechte Partei den Mord im Nationalrat auf den Tisch. Denn nach | |
Ansicht der FPÖ zeige der Fall exemplarisch, dass der Staat nicht mehr in | |
der Lage sei, seine Bürger zu schützen. | |
Am Sonntagnachmittag fieberten die Anwohner des Yppenplatzes beim Public | |
Viewing in den Cafés dem Wahlausgang entgegen. Und das Ergebnis war | |
bemerkenswert. Der Wahlbezirk 6 am Yppenplatz ist immer noch grün. So grün, | |
dass Alexander Van der Bellen hier sagenhafte 83 Prozent erreichen konnte. | |
Insgesamt konnte der ehemalige Chef der Grünen in Wien die Wahl in | |
vorläufig 22 von 23 Bezirken für sich entscheiden. Auch in Favoriten, einem | |
Bezirk, der wegen der hohen Anzahl an Einwohnern mit Migrationshintergrund | |
gerne als „Problembezirk“ bezeichnet wird, siegte ebenfalls – knapp aber | |
doch – Van der Bellen. | |
23 May 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dasbiber.at/blog/offener-brief-der-fraueninitiative-brunnenmarkt | |
[2] http://kurier.at/chronik/wien/fpoe-politiker-trauert-um-mordopfer/197.262.7… | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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