# taz.de -- Bundeshaushalt für 2021: Abschied von der schwarzen Null | |
> Mit fast 100 Milliarden Euro neuen Schulden plant Bundesfinanzminister | |
> Olaf Scholz 2021. Ab 2023 sollen die Coronakredite zurückgezahlt werden. | |
Bild: Bye Bye schwarze Null: Olaf Scholz haut Geld raus | |
BERLIN taz | Einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden wird | |
die Bundesregierung wegen der Coronakrise wohl auf absehbare Zeit nicht | |
mehr hinbekommen. Im Entwurf des Bundeshaushalts für 2021, den das Kabinett | |
an diesem Mittwoch beschließen will, rechnet [1][Finanzminister Olaf | |
Scholz] (SPD) mit 96 Milliarden Euro zusätzlicher Kredite. Fast jeder | |
vierte Euro der 413 Milliarden Euro geplanter Ausgaben soll mit Schulden | |
finanziert werden. | |
Im Vergleich zu diesem Jahr sinkt die Kreditaufnahme 2021 allerdings auf | |
etwa die Hälfte. Union und SPD sind sich weitgehend einig darüber, dass | |
hohe Zusatzausgaben und Investitionen nötig sind, um die Wirtschaftskrise | |
zu dämpfen. | |
Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll für 2021 nochmals ausgesetzt werden, | |
ab 2022 aber wieder gelten. Das bedeutet, dass die Kreditaufnahme des | |
Bundes dann maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen darf. Für | |
die Jahre 2022 bis 2024 plant Scholz mit neuen Schulden im niedrigen | |
zweistelligen oder einstelligen Bereich. | |
Wenn die Regierung diesen Haushalt beschließt, räumt sie ein, dass die | |
schwarze Null vorläufig nicht mehr erreichbar ist. Etats, in denen die | |
Einnahmen die Ausgaben decken, gehören einstweilen der Vergangenheit an. | |
## Woher kommen die 10 Milliarden Euro pro Jahr? | |
In der Union sind damit nicht alle glücklich. Friedrich Merz, einer der | |
drei Bewerber um den CDU-Vorsitz, bezeichnete Scholz als „teuersten | |
Kanzlerkandidaten in der Geschichte Deutschlands“ und forderte eine rasche | |
Rückkehr zu einer „soliden Finanzpolitik“. Konkurrent Armin Laschet | |
plädierte für die schwarze Null ab 2024. Eckardt Rehberg, | |
haushaltspolitischer Sprecher der Union im Bundestag, konstatierte | |
demgegenüber im Bundestag: „Eine Rückkehr zur schwarzen Null sehe ich für | |
die nächsten Jahre nicht.“ | |
Die Finanzplanung beinhaltet, dass der größte Teil der [2][Coronaschulden] | |
später wieder abgetragen wird. Von den etwa 300 Milliarden Euro | |
zusätzlichen Krediten sollen rund 200 zurückbezahlt werden. Das schmälert | |
den finanziellen Handlungsspielraum jeder Bundesregierung zwischen 2023 und | |
2042. „Infolge der Tilgung werden in künftigen Bundeshaushalten etwa 10 | |
Milliarden Euro jährlich weniger zur Verfügung stehen“, sagte Jens | |
Boysen-Hogrefe, Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft (ifw). | |
Konkret: Die Regierung verschuldet sich, indem sie Staatsanleihen verkauft. | |
„Tilgung bedeutet, dass Staatsanleihen zurückgezahlt werden und der | |
Schuldenstand absolut sinkt“, erklärte Niklas Potrafke vom ifo-Institut für | |
Wirtschaftsforschung in München. „Das ist ein ambitioniertes Vorhaben, denn | |
man weiß ja nicht, wie sich die Wirtschaftslage entwickelt.“ | |
Der Mechanismus beruht auf der während der Finanzkrise vor zehn Jahren ins | |
Grundgesetz eingebauten Schuldenbremse. „Fiskalregeln sind sinnvoll, damit | |
die Verschuldung nicht ins Unendliche läuft“, sagte Marius Clemens vom | |
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. | |
In den vergangenen Jahren spielte eine Rückzahlung keine Rolle, denn der | |
Staat erwirtschaftete regelmäßig Überschüsse. Künftig wird sich jedoch die | |
Frage stellen, was es bedeutet, den Schuldenstand aktiv zu drücken, denn | |
dieses Geld steht beispielsweise für Investitionen nicht mehr zur | |
Verfügung. „Eine zu strikte Umsetzung kann Wachstum und Modernisierung der | |
Volkswirtschaft beeinträchtigen“, so Clemens. Und eine weitere Frage knüpft | |
sich an die Tilgung: Woher kommen die 10 Milliarden Euro pro Jahr? | |
SPD-Chefin Saskia Esken und auch Olaf Scholz haben Steuererhöhungen für | |
Leute mit hohen Einkommen und Vermögen ins Gespräch gebracht. Die Union | |
lehnt das ab. | |
Andererseits geht es nicht um sehr viel Geld. Die 10 Milliarden machen | |
vielleicht 3 Prozent eines gesamten Bundeshaushaltes aus. „Im Vergleich zum | |
Haushaltsvolumen ist diese Summe überschaubar“, sagte Boysen-Hogrefe. Ob | |
sie irgendwann wirklich zum Problem wird, hängt davon ab, wie die | |
Wirtschaft aus der Coronakrise herauskommt. Geht die Erholung schnell, | |
erwirtschaftet der Staat vielleicht schon bald wieder ausreichende | |
Einnahmen und kann die Tilgung nebenbei leisten. Folgt nach Corona | |
allerdings eine Stagnation, kann die Rückzahlungsverpflichtung bitter | |
werden. | |
21 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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