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# taz.de -- Bundesentwicklungsministerin in Benin: Mit Jobs gegen den Terror
> Nach Burkina Faso besuchte Svenja Schulze (SPD) bei ihrer
> Westafrika-Reise Benin. Angst vor Terror und die Klimakrise bewegen die
> Menschen im Land.
Bild: Baumwolle ist Benins wichtigster Exportrohstoff, Bundesentwicklungsminist…
Bohicon, Abomey-Calavi, Cotonou taz | Diesen Tag wird Mouhamadou Adam nicht
vergessen. Er lebt im Dorf Tobre im Departement Atacora im Norden Benins.
Für Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ist er extra in die
400 Kilometer südlich gelegene Stadt Bohicon gereist.
Treffpunkt ist der Hof der Grundschule Zakpo Adagamey. Die
Schüler:innen stehen in ihren khakifarbenen Uniformen Spalier. Plakate
informieren über Projekte der Weltbank und deutscher
Entwicklungszusammenarbeit. Die mögen sehr unterschiedlich sein, aber haben
eines gemeinsam: Sie sollen vor Ort den sozialen Zusammenhalt fördern,
Lebensbedingungen verbessern und die Ausbreitung des Terrorismus eindämmen.
Adam trägt einen karierten Anzug und sitzt unter einer Zeltplane in einem
Halbkreis. Mitgliedern der Delegation erzählt er von seinem Alltag im
Norden. „Natürlich spüren wir den Terrorismus. In den Dörfern an der Grenze
sterben Menschen“, sagt er nüchtern. Es sei wichtig, diese Realität zu
kennen. Tobre sei zum Glück bisher verschont geblieben. Doch die Angst,
dass eines Tages auch Bewaffnete auf Motorrädern kommen, ist da.
„Vielleicht sind wir schon morgen an der Reihe.“
Zentrum des Terrorismus im Sahel war zunächst [1][Mali, dann Teile von
Niger sowie Burkina Faso.] Der Wendepunkt für Benin war Ende November 2021,
als ein Anschlag auf einen Militärposten in Porga unweit der Grenze zu
Burkina Faso verübt wurde. Endgültig war klar: [2][Milizen] wie die „Gruppe
für die Unterstützung des Islams und der Muslime“ (JNIM) breiten sich von
Burkina Faso nach Süden aus.
## Militärjunta in Bukina Faso
Acled, eine nichtstaatliche Organisation, die Daten zu Konflikten weltweit
sammelt, bezeichnet die Situation in Benin mittlerweile als „unruhig“. Auf
dem Konfliktindex liegt der 13-Millionen-Einwohner:innen-Staat bereits auf
Platz 43. Anfang Mai vorigen Jahres wurden in den Dörfern Kaobagou und
Guimbagou 20 Personen ermordet, es war der bisher schwerste Anschlag im
Land.
Beide Länder hat Svenja Schulze, die auch Präsidentin der Sahel-Allianz
ist, vergangene Woche bereist. Burkina Faso ist heute nicht nur ein Staat,
in dem mehr als 6.100 Schulen geschlossen und rund 2 Millionen Menschen auf
der Flucht sind. Das Land wird seit 2022 auch von einer Militärjunta mit
Ibrahim Traoré an der Spitze regiert. Seitdem [3][nähert es sich an
Russland an] und distanziert sich vor allem von der einstigen Kolonialmacht
Frankreich.
Schulzes Besuch ist der [4][erste einer europäischen Ministerin seit der
Machtübernahme] und wurde deshalb mit Spannung erwartet. „Was mich sehr
gewundert hat und ich sehr positiv finde ist, dass ich sehr freundlich –
auch als Präsidentin der Sahel-Allianz – empfangen wurde.“ Sie habe mit
deutlich mehr Reserviertheit auf burkinischer Seite gerechnet, aber sei
darin bestätigt worden, was sie schon vor der Reise betonte: zuhören und
gesprächsbereit bleiben.
Aus europäischer Sicht zentral sind Präsidentschafts- und Parlamentswahlen.
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich mit einem Transitionsfahrplan
nach Hause fahre“, sagt Schulze. In den Gesprächen habe die Regierung aber
deutlich gemacht, dass Wahlen stattfinden sollen. Aufgrund der
Sicherheitslage sei jedoch nicht klar, wie diese für das ganze Land
organisiert werden können, so die Aussage der Junta. Ob diese sich wirklich
für Wahlen einsetzen wird, lässt sich nicht prüfen. Schulze wertet das als
„kleinen Schritt der Bewegung“, an dem für Burkina Faso auch finanziell
viel hängen könnte. Denn mehr Kooperation sei auch an Bedingungen geknüpft.
## Klimawandel, keine Jobs, Mangel an Infrastruktur
Was in Burkina Faso passiert ist, soll sich auf keinen Fall in Benin
wiederholen. In Bohicon sprechen neben Mouhamadou Adam mehrere Frauen über
ihren Alltag im Norden. In der Regel dringt davon wenig in Richtung Süden.
Eine erzählt, dass mehrere Männer auf „großen Motorrädern“ kamen und ei…
Jugendliche verschleppten. „Bis heute wissen wir nicht, wo sie sind und ob
sie überhaupt noch leben.“ Etwas später sagt Adam, „Angst tut der
Bevölkerung nicht gut“, und schiebt schnell hinterher, „die Regierung
versucht, etwas gegen die Situation zu tun, um die Risiken zu minimieren.“
Es ist eine komplexe Situation, in der es nicht nur um bewaffnete
Extremisten geht, oder um Banditen, die sich etwa durch Schmuggel
bereichern wollen. Es geht auch um fehlende Einkommensmöglichkeiten,
mangelnde Infrastruktur sowie den Klimawandel.
„Die Bedürfnisse der Menschen werden nicht gesehen“, findet Antoinette
Aoudi. In der Stadt Kandi im Departement Alibori ist sie Geschäftsführerin
des Rathauses. „Es gibt Schulklassen, in die bis zu 100 Kinder gehen.“ Auch
reichten die Angebote in der Gesundheitsversorgung nicht aus. Aoudi wünscht
sich zudem, dass Menschen Möglichkeiten der Familienplanung nutzen. Das war
bisher ein Tabuthema, doch sie will öffentlich darüber sprechen.
Denn mit der wachsenden Bevölkerung steigt der Druck auf Ressourcen wie
Ackerland und Weideflächen für Tiere. „Unsere Erde ist doch nicht
elastisch“, sagt Aoudi. Gleichzeitig werden Regenzeiten und Regenmengen
unvorhersehbarer. Alle berichten über Konflikte zwischen Farmern und
Viehhirten, und über mangelnde Wasserstellen. Auch durch Milizen, die
entlegene Gegenden als Rückzugsorte nutzen, verknappen sich Nutzflächen.
Alles ist miteinander verwoben.
## Terrorismus den Nährboden entziehen
Antoinette Aoudi will gehört werden und mitbestimmen. „Wenn Bedürfnisse
nicht ernst genommen werden, kippt die Stimmung schnell.“ Vor allem
einstige französische Kolonien waren lange Zeit zentral organisiert, die
Machtzentren weit weg und unerreichbar. An Entscheidungsprozessen wurde die
lokale Bevölkerung nicht beteiligt.
Projekte wie das „Guichet Sahel“, für das 13 Gemeinden im Norden ausgewäh…
wurden, sollen das ändern. Geschaffen und verbessert werden sollen
Infrastrukturen wie Schulen und Krankenstationen, aber auch
Einkommensmöglichkeiten für die Menschen. Was Priorität hat, entscheiden
die Gemeinden gemeinsam, um so den sozialen Zusammenhalt zu stärken.
Ein Satz fällt immer wieder. „Das Beste ist, dem Terrorismus den Nährboden
zu entziehen“, so Svenja Schulze, „der Staat muss vor Ort wahrnehmbar
sein.“ Sie sagt auch: „Menschen, die sich leicht vom Terrorismus anziehen
lassen, müssen eine andere Perspektive bekommen, Arbeit finden.“ Deshalb
wird zum Abschluss der Reise auch das Prestigeprojekt der Regierung von
Patrice Talon besucht. Es ist der 1.640 Hektar große Industriepark
Glo-Djigbé (GDIZ), der 45 Kilometer von der Wirtschaftsmetropole Cotonou
entfernt liegt. Vor der Übernahme des Präsidentenamts 2016 galt Talon als
Benins wohlhabendster Unternehmer.
Im Stechschritt geht es durch die ersten Hallen, wo die Verarbeitung von
Baumwolle, Benins Exportrohstoff Nummer eins, zu T-Shirts und Handtüchern
begonnen hat. Es ist stickig. Ein paar Hallen weiter werden Cashewnüsse
gewogen und gewaschen. Nach GDIZ-Angaben sollen 300.000 Jobs entstehen. Die
sind dringend nötig: In Benin liegt das Durchschnittsalter bei knapp 18
Jahren, immer mehr junge Menschen drängen auf den Arbeitsmarkt. Zugleich
fehlt es an gut qualifizierten Kräften. Für die Zukunft der Region gilt
auch das als entscheidend.
8 Mar 2024
## LINKS
[1] /Westafrikanische-Wirtschaftsgemeinschaft/!5988365
[2] /Terror-in-Burkina-Faso/!5991998
[3] /ECOWAS-lockert-Sanktionen-in-Niger/!5994341
[4] /Deutscher-Ministerbesuch-in-Burkina-Faso/!5996793
## AUTOREN
Katrin Gänsler
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