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# taz.de -- Bürgerliche Protestpartei in Spanien: Eine Alternative zu Podemos
> Albert Rivera will das Zweiparteiensystem aus den Angeln heben. Doch
> seine Partei Ciudadanos ist nicht so unbelastet, wie sie sich gibt.
Bild: Parteichef Rivera steht vor dem, äh, Verzeihung: für den Wechsel.
MADRID taz | Gepflegtes, kurzes Haar, ein sympathisches Lächeln, teure
Markenkleidung, die Rede ist von Albert Rivera, dem Vorsitzende der
spanischen Partei Ciudadanos (Bürger). Der 35-jährige Anwalt redet ruhig,
verurteilt die Korruption, verspricht eine Erneuerung und das Ende des
Zweiparteiensystems, ein „Projekt für die Mehrheit“ und „den besonnen
Wandel“.
Der junge Mann kommt bei all denen an, die von Spaniens Politik enttäuscht
sind, sich aber von der neuen Protestpartei Podemos („Wir können“) nicht
angezogen fühlen, da sie ihnen zu links, zu radikal ist. Rivera weiß das:
„Podemos ist Rache, Ciudadanos Gerechtigkeit!“ lautet sein Lieblingssatz.
Es war der Direktor der einflussreichen katalanischen Bank Sabadell, Josep
Oliu, der als Erster auf einem Forum Juni 2014 aussprach, was viele
spanische Großunternehmer bewegte, als die Partei von Pablo Iglesias bei
den EU-Wahlen 8 Prozent geholt hatte: „Podemos erschreckt uns etwas, aber
eine rechte Podemos, die das Private und die Entwicklung des Landes im
Blick hat, wäre nicht schlecht.“ Die großen Parteien – die regierende
Volkspartei PP und die sozialistische PSOE – seien nicht mehr „Ausdruck
dessen, was die Unternehmer brauchen.“
Die Medien griffen die Idee auf. Die Stunde für Rivera und seine vor neun
Jahren als Antiunabhängigkeitspartei in Katalonien gegründete Ciudadanos
war gekommen. Allen voran öffnete die größte Tageszeitung des Landes, El
País, dem Anwalt aus Barcelona ihre Seiten. Rivera wurde als der neue,
dynamische und unbelastete Politiker dargestellt. In eigenen Umfragen lag
Ciudadanos Woche für Woche bei El País weit über den Werten des offiziellen
Meinungsforschungsinstituts CIS. Mit diesen Zahlen wurde Ciudadanos zum
etwaigen Mehrheitsbeschaffer für künftige Regierungen stilisiert.
## Steuerhinterzieher als Abgeordnete
Anders als Podemos bleibt Ciudadanos völlig von Kritik verschont. Dabei
gäbe es durchaus dunkle Punkte auf den Markenanzügen Riveras. So lehnt er
die Gesundheitsversorgung für Einwanderer ohne Papiere strickt ab. Aus dem
engsten Vertrautenkreis werden Stimmen gegen das Recht auf Abtreibung laut.
Auch unbelastet ist die Partei nicht: Gegen einen Abgeordneten wird wegen
Steuerhinterziehung ermittelt. Er trat zurück und wurde kurz darauf Berater
im EU-Parlament. Ein anderer Abgeordneter hat Konten in der Schweiz, um
ebenfalls Gelder vor dem Fiskus zu verstecken.
Die Medienkampagne zeigt Erfolg. Die Partei liegt bei Umfragen mit 17
Prozent auf Platz vier hinter PP, Podemos und PSOE, die mit um die 20
Prozent gehandelt werden. Zuletzt durfte Rivera in der El País ein Manifest
mit dem Titel „Ciudadanos, ein Projekt für Spanien“ veröffentlichen. Rive…
gibt sich als „die fortschrittliche Mitte“, verweist auf vermeintlichen
Sachverstand dank eines hohen Anteils an akademischen Parteimitgliedern und
Sympathisanten.
## Wirtschaftsliberaler Populist
So stammt das Wirtschaftsprogramm aus der Feder eines Professors der London
School for Economics. Rivera verspricht Aufschwung dank Forschung und
Investitionen in neue Technologie. Steueranreize für Unternehmen stehen
einer Anhebung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel, Wasser und
öffentliche Verkehrsmittel gegenüber. Wird Rivera nach dem Gesundheits- und
Bildungswesen gefragt, spricht er sich nicht gegen die Privatisierung aus,
sondern redet von Verwaltung durch die öffentliche Hand. Genau damit hat
die PP breite Teile der Gesundheitsversorgung als öffentliche Aufträge an
private Unternehmen vergeben.
In nur wenigen Monaten baute Rivera seine Partei in ganz Spanien auf. Nicht
nur Überläufer der beiden großen Parteien sind unter den Kandidaten für die
Kommunal- und Regionalwahlen am 24. Mai. In mehreren Fällen wurden vom
Parteivorstand Listen aufgelöst, da sich Rechtsradikale eingeschlichen
haben.
Dabei war Rivera nicht immer zimperlich, wenn es um Mitstreiter ging. 2009
trat Ciudadanos bei den EU-Wahlen im Bündnis mit einer rechten,
ultrakatholischen Formation an. Seit jenem ersten Wahlplakat, auf dem er
2006 nackt zu sehen war, hat Rivera alles probiert, um über Katalonien
hinaus Erfolg zu haben. Jetzt scheint er die Formel gefunden zu haben.
14 May 2015
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Populismus
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Spanien
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Syriza
Mariano Rajoy
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Podemos
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