# taz.de -- Bündnis fordert Ende für Endlager: Alle gegen Konrad | |
> Bei der Forderung nach dem Aus für Schacht Konrad in Salzgitter ziehen | |
> auch der CDU-Oberbürgermeister, die IG Metall und das Landvolk mit. | |
Bild: In der Region wenig beliebt: Das Atomendlager Schacht Konrad | |
GÖTTINGEN taz | Jahrzehntelang wurde der Salzstock Gorleben auf seine | |
Tauglichkeit als Endlager für die hochradioaktiven Abfälle erkundet. Im | |
September flog er von der Liste der infrage kommenden Standorte. Nun will | |
die Anti-Atom-Bewegung mit Schacht Konrad eine weiteres nukleares | |
Langzeitprojekt kippen. | |
Das ehemalige Eisenerzbergwerk Konrad in Salzgitter wird von der | |
Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zum Endlager für schwach und | |
mittelradioaktive Abfälle ausgebaut. Es soll bis zu 303.000 Kubikmeter | |
Atommüll aufnehmen, die Inbetriebnahme ist nach immer neuen Verzögerungen | |
nun für 2027 geplant. Aktuell werden die Baukosten mit 4,2 Milliarden Euro | |
beziffert – ursprünglich waren einmal 900 Millionen Euro kalkuliert worden. | |
77 Anti-Atom-Initiativen sowie mehrere Umweltverbände fordern das Aus für | |
Schacht Konrad. Die Pläne für dieses Endlager stammten aus den | |
1970er-Jahren, heißt es in der gestern verbreiteten Erklärung. Es habe für | |
Konrad niemals ein vergleichendes Auswahlverfahren gegeben. Nach heutigem | |
Stand von Wissenschaft und Technik wäre das Endlager nicht mehr | |
genehmigungsfähig. | |
Bereits Anfang April hatte das aus Kommunalpolitik, Gewerkschaften, | |
Landvolk und Umweltschützern bestehende Bündnis „Salzgitter gegen Konrad“ | |
einen sofortigen Baustopp verlangt. „Solange nicht bewiesen ist, dass | |
Schacht Konrad den heutigen Anforderungen an ein tiefengeologisches Lager | |
für radioaktive Abfälle entspricht, dürfen keine weiteren Fakten geschaffen | |
und keine weiteren Gelder in der Tiefe versenkt werden“, sagt Salzgitters | |
Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU). | |
Matthias Wilhelm, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine, | |
beklagt, dass die Auswirkungen einer atomaren Lagerstätte auf die in der | |
Umgebung ansässigen Großbetriebe wie die Salzgitter AG und die | |
Batteriezellenfertigung bei VW überhaupt noch nicht untersucht wurden. „Es | |
ist absurd und verantwortungslos, ein Atommülllager mitten in einem | |
Industriegebiet neben Störfallbetrieben errichten zu wollen.“ | |
Dass sich Gewerkschafter so deutlich gegen eine Atomanlage positionieren, | |
ist keineswegs selbstverständlich. Oft standen sich Gewerkschaften und | |
Anti-Atom-Bewegte unversöhnlich gegenüber, demonstrierten die einen für und | |
die anderen gegen die Atomenergie. Bei Parteitagen der Grünen setzten sich | |
aufgebrachte Kraftwerksbeschäftigte, die den Verlust ihrer Arbeitsplätze | |
fürchteten, für einen längeren Betrieb der Reaktoren ein. | |
In der Industrieregion Salzgitter aber halten insbesondere viele Metaller | |
eine Inbetriebnahme von Schacht Konrad für unverantwortlich. Ein Endlager | |
habe verheerende Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung. Zudem warnt | |
die IG Metall vor Gesundheitsgefährdung durch radioaktive Strahlung und vor | |
der Gefahr schwerer Unfälle bei Atommülltransporten. Schon vor vielen | |
Jahren startete die IG Metall deshalb eine Spendenkampagne, um Klagen gegen | |
das Endlager finanziell abzusichern. | |
Auch die Bauernlobby hat sich bislang nicht als Atomkraftkritiker | |
hervorgetan. Bei Schacht Konrad ist auch das anders. „Demnächst müssen acht | |
Milliarden Menschen auf dem Erdball ernährt werden“, sagt Uli Löhr vom | |
Landvolk. „Deswegen können wir es uns nicht leisten, in der Kornkammer | |
Mitteleuropas die Erzeugung von Lebensmitteln durch ein Endlager zu | |
gefährden, das genehmigt wurde, als der Commodore 64 eine technische | |
Revolution darstellte.“ | |
Der Physiker Wolfgang Neumann weist darauf hin, dass das Atomgesetz die | |
Anwendung des Standes von Wissenschaft und Technik vorschreibt. Und das | |
Bundesverfassungsgericht habe definiert, was dieser Stand sei: „Dazu | |
gehören die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und | |
Veröffentlichungen, auch wenn sie noch nicht in Gesetze oder Verordnungen | |
gegossen sind, sowie ein breites Spektrum vertretbarer wissenschaftlicher | |
Meinungen.“ | |
Die Gutachter der BGE stützten ihre Bewertungen jedoch wesentlich auf die | |
zum Zeitpunkt der Begutachtung gültigen Gesetze und Verordnungen sowie die | |
überholten Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle | |
von 1983. | |
Die BGE und das Atommüllbundesamt Base teilen die Bedenken nicht. Sie | |
verweisen darauf, dass die rechtskräftige Genehmigung für die Errichtung | |
und den Betrieb des Endlagers seit dem Jahr 2002 vorliegt. Dabei zeichnet | |
sich längst ab, dass Deutschland viel mehr schwach- und mittelradioaktiven | |
Atommüll vergraben muss, als für Konrad kalkuliert wurde. Statt der | |
ursprünglich veranschlagten rund 300.000 Kubikmeter könnte sich die Menge | |
sogar verdoppeln. | |
13 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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