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# taz.de -- Bundesamtschef über Atommülllagersuche: „Vertrauen kann man nic…
> Wolfram König, Chef des zuständigen Bundesamts, verspricht breite
> Beteiligung bei der Endlagersuche. Entscheiden müsse am Ende aber die
> Politik.
Bild: Kennt die Probleme des Salzstocks genau: Wolfram König (l.) 2010 mit Nor…
taz: Herr König, wie viele Flaschen Champagner haben Sie aufgemacht, als
vor gut zwei Wochen [1][Gorleben als Endlager ausgeschlossen] wurde?
Wolfram König: Ich glaube, Champagner können wir erst trinken, wenn das
Problem der Endlagerung gelöst ist. Mit dem Wegfall von Gorleben ist ein
wichtiges Zeichen gesetzt worden, dass das Verfahren sehr ernst genommen
wird. Und die, die jahrzehntelang gegen Gorleben gekämpft haben, haben
allen Grund, sich zu freuen. Aber unsere Aufgabe ist nun, die Erfahrungen,
die wir mit Gorleben gemacht haben, zu nutzen, um ein Endlager für
hochradioaktive Abfälle zu finden, das die besten Sicherheitsbedingungen in
Deutschland bietet.
Sie haben schon 2011 in einem [2][taz-Interview] die Festlegung auf
Gorleben kritisiert, was Ihnen Ärger eingebracht hat. Sie müssen sich doch
freuen, recht gehabt zu haben.
Zumindest hat mir die Forderung nach einem Standortvergleich nicht nur
Beifall eingebracht. Für mich war wichtig, dass Gorleben nicht zum
Referenzfall werden darf, dass sich also nicht weiterhin beide Seiten nur
an diesem Standort abarbeiten.
Waren Sie von der Entscheidung denn überrascht?
Ich war als Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz 18 Jahre lang
Betreiber von Gorleben. Ich kenne die Schwächen des Salzstocks sehr gut.
Darum war mir immer klar, dass Gorleben in einem vergleichenden Verfahren
herausfallen wird. Nicht ganz so klar war, ob es schon im ersten Schritt
herausfallen muss. Wieso das der Fall ist, wird die Bundesgesellschaft für
Endlagerung, BGE, auch im Beteiligungsverfahren sicherlich intensiv und gut
beantworten.
Ist die frühe Entscheidung aus Ihrer Sicht für das weitere Verfahren eher
hilfreich oder eher schädlich?
Auf der einen Seite unterstreicht es die Ernsthaftigkeit des vergleichenden
Verfahrens und zeigt, dass es eben – anders als von vielen Kritikern
behauptet – keine Vorfestlegung auf Gorleben gegeben hat. Auf der anderen
Seite interpretieren interessierte Kreise es so, dass angeblich doch eine
politische Einflussnahme erfolgt sei. Ich bin sicher, das wird die BGE aber
deutlich widerlegen können. Möglicherweise gibt es aber noch ein weiteres
Problem: Das Interesse am Verbleib des Atommülls hat ohnehin schon
nachgelassen, seit klar ist, dass Deutschland aus der Atomenergie
aussteigt. Durch das Ausscheiden von Gorleben, das ja für eine ganze
Generation ein wichtiges politisches Symbol war, könnte das Interesse der
Zivilgesellschaft nachlassen, wie wir ein Endlager finden. Die Abfälle
verschwinden ja nicht dadurch, dass Gorleben jetzt aus dem Verfahren
genommen wurde.
Rechnen Sie trotzdem damit, dass es bei den Konferenzen, die an diesem
Wochenende beginnen, ordentlich Krawall gibt?
Viele Reaktionen aus den Regionen machen nicht unbedingt den Eindruck, dass
sie dazu beitragen wollen, das Verfahren konstruktiv zu begleiten. Sondern
die erste Reaktion ist: Bei uns nicht! Meine Aufgabe als Atomaufsicht für
die Endlagerung ist es dagegen, zu schauen, wie wir mit breiter Beteiligung
das Ziel erreichen, am Ende ein Endlager zu errichten. Das Verfahren wird
verhindern, dass es ein zweites, drittes und viertes Gorleben geben wird.
Im ersten Schritt sind 54 Prozent der Fläche Deutschlands zum potenziellen
Endlager-Standort erklärt worden. Wie soll da die Beteiligung der
Öffentlichkeit funktionieren?
Es hat auch mich überrascht, dass eine derart große Fläche ausgewiesen
worden ist. Das ist einerseits positiv, weil es zeigt, dass es mehr
geologisch geeignete Flächen in Deutschland gibt als bisher angenommen.
Aber der große Anteil führt auch dazu, dass bei vielen der Eindruck
existiert: Es wird uns schon nicht treffen. Aber damit müssen wir jetzt
umgehen. Und zur ersten Sitzung der Fachkonferenz, die an diesem Wochenende
als Online-Format stattfindet, gibt es dennoch schon über 700 Anmeldungen
von Bürgerinnen und Bürgern, aus der Kommunalpolitik, aus der Wissenschaft
und von Verbänden.
Innerhalb von einem Dreivierteljahr soll dann von den 54 Prozent der
Landesfläche weniger als 5 Prozent übrig bleiben – ohne dass neue
geologische Daten erhoben werden. Wie will man verhindern, dass das
irgendwie willkürlich wirkt?
Willkürlich ist es schon deswegen nicht, weil es genaue gesetzliche
Vorgaben für den Vorhabenträger und die Aufsicht gibt und die
Zivilgesellschaft genau hinschauen wird. In der nächsten Phase hat die BGE
die Aufgabe, anhand der bestehenden Kriterien eine vertiefte Bewertung
durchzuführen – durch Zusammenführung der geologischen Informationen, die
bisher vorliegen. Das soll zügig geschehen, damit die Kommunen Klarheit
bekommen und die Diskussionen sich auf diejenigen Regionen konzentrieren
können, die näher zu untersuchen sind.
Aus der Anti-Atom-Bewegung wird kritisiert, dass die Menschen aus den
betroffenen Regionen zwar Einwände vorbringen dürfen. Aber wirklichen
Einfluss haben sie nicht. Am Ende entscheidet die BGE allein, welche Kritik
an ihren eigenen Vorschlägen sie berücksichtigt und welche nicht.
Die BGE hat zugesagt, sich mit allen Einwänden und Anregungen
auseinanderzusetzen. Um es aber ganz klar zu sagen: Es gibt eine
Mitwirkung, aber keine Mitentscheidung über den Standort. Am Ende
entscheidet die Politik, die dafür durch Wahlen legitimiert ist. Und diese
Verantwortung darf sie auch nicht an irgendjemanden delegieren.
Entscheidend ist, dass im Prozess bis dahin deutlich wird, dass transparent
und nach wissenschaftlichen Kriterien vorgegangen wird. Ich glaube, bei
aller Kritik wären mehr Gelassenheit und Vertrauen ins Verfahren nötig.
Auch die Befürchtung mancher, dass das Verfahren nur dazu dient, Gorleben
zum Endlager zu machen, hat sich ja schon jetzt als unbegründet
herausgestellt.
In der Atomdebatte gibt es seit Jahrzehnten viel Misstrauen. Wie soll denn
dieses Vertrauen jetzt entstehen?
Vertrauen kann man nicht verordnen. Aber wir tun, was möglich ist: Die im
Gesetz vorgesehene Beteiligung in drei Konferenzterminen innerhalb eines
halben Jahres haben wir um drei Monate verlängert und um einen zusätzlichen
Termin zum Auftakt erweitert, damit sich jeder schon früh informieren und
einbringen kann. Daneben gibt es das nationale Begleitgremium, das den
Prozess begleitet, und uns als Behörde, die ihn überprüft.
Wie sehr hilft es dem Verfahren, dass zusätzlich zum Endlager für
hochradioaktiven Müll ein weiteres für schwach- und mittelradioktiven
Abfall gesucht wird – und zwar möglichst am selben Standort?
Da wird im Moment nichts gesucht. Es stimmt, wir brauchen ein weiteres
Endlager für den Abfall aus der Asse und weitere Stoffe, die nicht nach
Schacht Konrad dürfen, das Endlager für schwach- und mittelradioaktiven
Abfälle. Aber im Gesetz steht im ersten Paragrafen: Die Suche wird
konzentriert auf einen Standort für ein Endlager für hochradioaktive
Abfälle. Erst wenn ein Standort ausgesucht ist, soll geschaut werden, ob er
sich für ein zweites Bergwerk eignen würde. Das ist aber erst in einem weit
vor uns liegenden Schritt Thema.
Aber in der öffentlichen Kommunikation ist davon keine Rede. Birgt das
nicht die Gefahr, dass sich Leute betrogen fühlen, wenn es später heißt:
Übrigens, hier kommt noch ein zweites Endlager hin?
Es wird keiner betrogen. Dieses Verfahren war auch schon in der
Endlager-Kommission ein intensives Thema.
Gerade deshalb sind wir erstaunt, dass es jetzt kein Thema ist.
Noch mal: Es ist zurzeit kein Thema. Gesucht wird ein Endlager für
hochradioaktive Abfälle. Aber Ihre Kritik an der Kommunikation nehme ich
gerne auf.
Sie kommen von Ihrer Biografie her selbst aus der Anti-Atom-Bewegung. Die
übt aber deutliche Kritik am neuen Suchverfahren, etwa an der
Öffentlichkeitsbeteiligung und den Kriterien. Wie sehr trifft Sie das?
Wenn mir Kritik wehtäte, würde ich nicht seit 21 Jahren diesen Beruf
ausüben. Und weil ich selbst aus der Bewegung komme, weiß ich, wie wichtig
es ist, dass immer wieder alle Beteiligten gezwungen sind, sich mit den
Sorgen und Ängsten, aber auch dem Wissen aus der Zivilgesellschaft
ernsthaft zu beschäftigen. Meine Rolle als Behördenleiter ist es nicht,
irgendwelchen Gruppen zu gefallen. Ich versuche, die verschiedenen
Interessen zu verbinden – und deutlich zu machen: Wenn parlamentarische
Entscheidungen gefallen sind, ist das die Grundlage, auf der wir arbeiten.
Wie gefährlich ist die Kritik aus der Anti-AKW-Szene, [3][aber auch aus
Bayern], für das ganze Verfahren?
Ich werde nicht zulassen, dass ein gutes Verfahren mit Argumenten
diskreditiert wird, die nicht auf Umsetzung gemünzt sind, sondern auf
Einzelinteressen. Die Expertise aus den Ländern ist willkommen, wenn sie
dem Verfahren dient. Und ich finde es bedauerlich, dass die Bewegung
offenbar so wenig stolz darauf ist, was sie erreicht hat: Dass eine
führende Industrienation nicht nur aus der Atomkraft aussteigt und früh auf
regenerative Energien gesetzt hat – sondern auch einen Neubeginn bei der
Endlagersuche hinbekommen hat. Nun geht es aber nicht mehr darum, etwas zu
verhindern, sondern einen Weg zu beschreiben, wie das Problem zu lösen ist.
16 Oct 2020
## LINKS
[1] /Endlagersuche-fuer-Atommuell/!5716949
[2] /Strahlenschutzamt-Chef-ueber-Endlagersuche/!5106741&s=taz+Wolfram+K%C3…
[3] /Suche-nach-Endlager/!5713058/
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
Bernhard Pötter
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