| # taz.de -- Atommüll in marodem Bergwerk: Dicke Luft über der Asse | |
| > Die radioaktiven Abfälle aus der Asse sollen umgelagert werden. Der | |
| > Betreiber des Lagers und Bürgerinitiativen streiten noch über den | |
| > Standort. | |
| Bild: Warnung vor möglicher Radioaktivität: Das Atommülllager Asse droht abz… | |
| Göttingen taz | Dicht und zäh hängt der Dezembernebel über dem Höhenzug | |
| Asse im niedersächsischen Kreis Wolfenbüttel. Auch politisch herrscht in | |
| der Region rund um [1][das Atommülllager Asse] dicke Luft. Der Betreiber, | |
| die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), treibt den Bau eines | |
| Zwischenlagers für die radioaktiven Abfälle voran, die in der maroden Grube | |
| in verschlossenen Kammern vor sich hingammeln. | |
| Rund 126.000 Behälter mit Atom- und Chemiemüll, darunter auch rund 100 | |
| Tonnen radioaktives Uran, 28 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm Arsen, | |
| wurden zwischen 1967 und 1978 in dem damals sogenannten „Versuchsendlager“ | |
| versenkt, dem aufgegebenen Salzbergwerk Asse II. Weil das Bergwerk instabil | |
| ist und wie seine Nachbarschächte Asse I und III voll Wasser zu laufen | |
| droht, sollen die Abfälle nach Möglichkeit an die Oberfläche geholt werden. | |
| Die BGE hat jetzt das europaweite Ausschreibungsverfahren für die Planung | |
| des künftigen Zwischenlagers gestartet. Bis zum 21. Dezember müssen | |
| interessierte Firmen Angebote einreichen. Das Lager sowie eine | |
| Konditionierungsanlage zur Verpackung der Abfälle sollen nur wenige Hundert | |
| Meter nördlich des Schachtes entstehen und 2033 betriebsbereit sein. Nach | |
| Ansicht der BGE kann nur ein Standort nah an der Asse unnötig lange | |
| Transportwege und damit eine stärkere Strahlenbelastung für Arbeiter und | |
| Bürger vermeiden. Weiter entfernte Standorte wurden deshalb nicht geprüft. | |
| Das Bundesumweltministerium hat dieses Vorgehen ausdrücklich gebilligt. | |
| Weil die BGE die seit Jahren in der Region erhobene Forderung nach einem | |
| Vergleich auch mit Asse-fernen Standorten ignoriert hat, ist die | |
| Asse-2-Begleitgruppe (A2B) in eine Art Streik getreten. Das Gremium, das | |
| die Schließung der Asse kritisch begleiten soll und die Prüfung von | |
| mindestens zwei weiter entfernten Zwischenlagerstandorten verlangt, | |
| empfinde die Ausschreibung als „weitere Brüskierung“, so Landrätin | |
| Christiana Steinbrügge als Sprecherin der Begleitgruppe. Der Schaden eines | |
| solchen Vorgehens sei immens: „Die Glaubwürdigkeit von | |
| Beteiligungsprozessen, wie gerade auch bei der Endlagersuche für den | |
| hochradioaktiven Abfall gefordert, wird erschüttert.“ | |
| ## Radioaktive Ableitungen könnten Bürger belasten | |
| Die Begleitgruppe will sich erst wieder am Begleitprozess beteiligen, wenn | |
| doch noch weiter entfernt liegende Standorte für das Zwischenlager | |
| ernsthaft unter die Lupe genommen werden. Der Asse-Begleitprozess galt | |
| lange Zeit als vorbildlich für andere Atommüll-Projekte, weil neben dem | |
| Betreiber und den Behörden auch Umweltgruppen und Kommunalpolitiker [2][in | |
| die Diskussionen eingebunden] waren. | |
| „Bei Asse-ferneren Standorten können größere Abstände zur Wohnbebauung von | |
| mehreren Kilometern und damit eine geringere Belastung der Bevölkerung | |
| umgesetzt werden“, argumentiert Asse-Widerständlerin Heike Wiegel vom | |
| Verein „AufpASSEn“. „Bei einem Asse-nahen Standort ist nur etwa ein | |
| Kilometer Abstand zur Wohnbebauung möglich.“ Knapp anderthalb Kilometer vom | |
| Schacht Asse entfernt liegen die ersten Häuser des Ortes Remlingen. | |
| Andreas Riekeberg vom Koordinationskreis unabhängiger Bürgerinitiativen | |
| sagt der taz: „Nur die radioaktive Belastung bei Atommüll-Transporten zu | |
| betrachten, wie der Betreiber es macht, ist völlig unzureichend.“ Die | |
| Bevölkerung werde viel mehr über die radioaktiven Ableitungen belastet, an | |
| der Asse jetzt schon durch Radionuklide wie Tritium, radioaktiven | |
| Kohlenstoff oder Radon. | |
| ## Noch immer kein Masterplan | |
| Den Koordinationskreis macht zudem das Tempo stutzig, das die BGE bei der | |
| Errichtung des neuen Atommüll-Komplexes plötzlich an den Tag legt. Die Eile | |
| stehe „in frappierendem Gegensatz zur Langsamkeit bei der Rückholung des | |
| Atommülls aus dem maroden Salzbergwerk“, sagt Riekeberg. Mehr als zehn | |
| Jahre nach dem Beschluss zur Rückholung der Fässer gebe es noch immer | |
| keinen Masterplan dafür, noch immer keine Bergetechnik und noch immer | |
| keinen neuen Schacht, der für Bergung des Atommülls notwendig sei. | |
| Nur das Zwischenlager mit Atommüllfabrik werde vorangetrieben. Das bestärke | |
| die Bürgerinitiativen in dem Verdacht, dass dieses Zwischenlager gar nicht | |
| für den Atommüll aus der Asse II gedacht sei – „sondern für den Atommüll | |
| aus der gesamten Republik, der nach dem Willen der Bundesregierung in | |
| Schacht Konrad eingelagert werden soll“. | |
| Der nur 25 Kilometer Luftlinie von der Asse entfernte Schacht Konrad wird | |
| derzeit von der BGE zum Bundesendlager für schwach und mittelradioaktiven | |
| Atommüll umgerüstet. Vor ihrer Einlagerung sollen die Abfälle in einem | |
| Zwischenlager gesammelt werden. Als Standort dafür ist zwar bislang das | |
| Gelände des stillgelegten AKW Würgassen vorgesehen. Weil es dort heftigen | |
| Widerstand gibt, könnte dieser Plan aber noch kippen. | |
| ## Hohe Kosten | |
| Tatsächlich hat die Bergung der Abfälle aus der Asse noch nicht begonnen. | |
| Immerhin hatte die BGE im Frühjahr erstmals den möglichen Ablauf der | |
| Rückholung skizziert – wenn auch nur vage. Der erste Schritt wird demnach | |
| der Bau und die Inbetriebnahme eines neuen Schachtes bis zum Jahr 2028. | |
| Bislang führen nur der Schacht II und ein kleiner Notschacht, der Schacht | |
| IV, nach unten ins Bergwerk. Um die teils wohl geborstenen und verrosteten | |
| Fässer nach oben zu schaffen, soll ein neuer Schacht – Schacht V – ins | |
| Gestein getrieben und mit dem bestehenden Bergwerk verbunden werden. Der | |
| Bau soll im Jahr 2023 beginnen. | |
| Die Rückholung der Fässer mit radioaktiven Abfällen könnte der BGE zufolge | |
| im Jahr 2033 starten. Allein bis dahin schätzt der Betreiber [3][die | |
| Kosten] für das bislang noch nicht erprobte Vorhaben – mit einer | |
| Ungenauigkeit von 30 Prozent – auf weitere 3,35 Milliarden Euro. Die | |
| Stabilisierung des Bergwerks hat bislang etwa 1,5 Milliarden Euro gekostet. | |
| 13 Dec 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reimar Paul | |
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