# taz.de -- Bruch in der Zivilgesellschaft: Die Krah-Sekte | |
> Der letzte Auftritt des AfD-Politikers Maximilian Krah war der eines | |
> politischen Horrorclowns. Seine Tricks sind durchschaubar. | |
Bild: Der Krah kräht leider weiter | |
Da stehen wir also im Regen und warten auf ihn. Maximilian Krah von der | |
AfD, der in unserem Städtchen [1][seinen letzten Wahlkampf-Auftritt] haben | |
wird, was aber zu der Zeit noch nicht klar ist. Maximilian Krah, zu dem mir | |
sehr viele unerfreuliche Dinge einfallen und an dem ich leicht | |
exemplifizieren könnte, dass man nicht nur Aussagen, Meinungen und | |
Ideologien, sondern auch Personen einfach zum Kotzen finden kann. Aber wir, | |
die wir hier im Regen stehen, ermahnen uns gegenseitig: Nicht so sein wie | |
die, weder verbal noch körperlich auf die Provokationen eingehen. Wir, wir | |
sind die Zivilisierten. Wir sind die Guten. | |
Wir, das sind die Omas gegen rechts, die Leutchen vom Stadtjugendring, von | |
den Parteien ein paar, sogar der Bürgermeister ist da, einige Nonnen aus | |
dem Kloster nebenan, ein paar Punks und Post-Hippies, die Kulturszene, | |
hauptsächlich aber Leute wie du und ich. Wir wollen klar machen, dass wir | |
keine Faschisten in unserer Stadt haben wollen. Dass es kein Recht auf | |
Nazi-Propaganda gibt. Dass nie wieder heute ist. Das ist schon eine bunte | |
Gesellschaft, und genau darum geht es auch in den Reden und auf den | |
Schildern in unseren Reihen. Um das Recht auf eine Gemeinschaft der | |
Verschiedenen. Eine von vielen Definitionen von „Demokratie“ | |
möglicherweise. | |
Ich möchte schon ein bisschen stolz auf meine Mitbürgerinnen und Mitbürger | |
sein. Doch wie man sich Krahs Auftrittsplatz nähert, wird deutlich: Genau | |
so viele, wie sich gegen einen Auftritt von ihm wehren, wollen genau das. | |
Einen Anti-Demokraten anti-demokratisch und anti-menschlich reden hören. | |
Und sich selber beim völkischen Jubeln. | |
## Man kann keinen gemeinsamen Alltag mehr bewohnen | |
Eine Stadt wie die unsere ist überschaubar; man kennt sich. Und dies sind | |
die Geschichten, die man bei solchen Gelegenheiten immer wieder erlebt: Da | |
ist der Handwerker, der einem gerade eine gepfefferte Rechnung geschickt | |
hat. Da ist der Kellner, dem man vor ein paar Tagen ein anständiges | |
Trinkgeld gegeben hat. | |
Den Omas gegen rechts stehen hier rechte Omas entgegen, die ihre Enkel zum | |
Fähnchenschwenken mitbringen. Ist das nicht die Frau, der wir und der | |
Nachbar mit dem schwer aussprechbaren türkischen Namen wochenlang die | |
Einkäufe erledigt haben, krankheitshalber, und die jetzt begeistert | |
klatscht, wenn von den kriminellen Ausländern die Rede ist, die man | |
heimschicken werde? | |
Und jeder schaut den anderen an, durch die Regenschirme, durch die | |
Versuche, sich gegenseitig zu übertönen, durch Absperrgitter, durch Blicke, | |
die sagen, dass man nicht mehr gemeinsam wird Alltag, Arbeit und Freizeit | |
bewohnen können, und man ist ratlos: Was ist mit euch geschehen? Wie könnt | |
ihr da stehen und einem Faschisten zujubeln, der gar nicht verbergen will, | |
dass er einer ist? | |
## Man muss vieles in sich abgetötet haben, um Krah zu folgen | |
„Spaltung“, denke ich, ist ein zu harmloses Wort für das, was da geschieht. | |
Die Menschen, die einem Maximilian Krah zujubeln, trotz des Regens, trotz | |
der Gegendemonstration, trotz der Nachrichten über diesen Mann, müssen | |
[2][einen fundamentalen Bruch] vollzogen haben. Nicht bloß einen äußeren | |
Bruch mit den „Eliten“ der „Altparteien“, den „grünlinksversifften | |
Intellektuellen“ oder den „genderwahnsinnigen Frühsexualisierern“, sonde… | |
auch einen inneren Bruch mit den Tugenden und Codes einer bürgerlichen | |
Biografie in einer bürgerlichen Gesellschaft. Vernunft, Respekt, Anstand, | |
ordentliche Sprache, Ehrlichkeit, Würde … | |
Man muss das alles in sich abgetötet haben, wenn man diesem Mann und seiner | |
Entourage zu folgen bereit ist, und wenn eine Deutschland-Fahne die | |
niederträchtige AfD-Plakatparole unterstreicht: „Unser Geld für unsere | |
Leute“. Zwischen den Gegnern und den Anhängern von Krah gibt es | |
Absperrungen, die Polizei wird später verlautbaren, dass Veranstaltung und | |
Gegenveranstaltung „friedlich“ verlaufen seien. Mir bleibt ein Bild im | |
Gedächtnis; eine Polizistin, die einen Hund an der Leine führt, der sich | |
etwas undiszipliniert um die Duftmarken der Hunde in unserer Stadt kümmert. | |
100 Polizisten und Polizistinnen sind dazu im Einsatz. Am Ende seines | |
Auftritts lässt man bei Krah weiße Tauben in den Himmel fliegen. Frieden? | |
Für wen? Mit wem? Oder einfach nur noch ein billiger Tingeltangel-Trick? | |
Eins wird auch hier klar: Diesem Mann geht es noch nicht mal um furchtbare | |
Ideologie und Politik, es geht ihm nur um sich selbst. Wir haben hier die | |
vorläufige Abschiedsvorstellung eines politischen Horrorclowns gesehen, | |
eines Erweckungs-Scharlatans, dessen schmutzige Tricks man leicht | |
durchschauen könnte. Wenn nicht vorher etwas in einem gestorben wäre. | |
## Ähnlichkeit mit einer Sekten-Versammlung | |
Das Ziel solcher Veranstaltungen, so scheint es, besteht nicht in einer | |
politischen Überzeugungsarbeit, nicht einmal allein in der rauschhaften | |
Vereinigung der Anhängerinnen und Anhänger (die Ähnlichkeit des rechten | |
Spektakels mit einer Sekten-Versammlung ist freilich unübersehbar); das | |
eigentliche Ziel ist eine Feier des Bruchs mit „den anderen“, des Bruchs | |
mit bürgerlicher Nachbarschaft, mit bürgerlichen Vorstellungen von Moral | |
und Würde. Hier geht es nicht um eine Argumentation, hier geht es um | |
rituelle Bekenntnisse, um eine finstere Abart von „Glauben“ und „Erlösun… | |
Peter Berghoff hat die Sprache und Riten der Rechtsextremen auch als | |
„profane Transzendenz“ bezeichnet. Manchmal wird man, während man noch | |
glaubt, es ginge um „Ideologie“, Zeuge, wie die profane Transzendenz des | |
Faschismus Menschen wie dich und mich erfasst. Und wie nur noch Hass und | |
Häme sind, wo gestern noch Nachbarschaft und Lebenlassen waren. Wäre der | |
Rechtsextremismus eine „Meinung“, so könnte man Hoffnung auf eine Änderung | |
im Namen von Vernunft und Moral haben. Doch als fundamentaler „Glaube“ | |
sieht die Sache anders aus. Von Sekten wissen wir, wie schnell man in ihren | |
Bann gelangen kann, und wie schwer es ist, sich wieder von ihnen zu | |
befreien. Krah ist weg, aber die Risse in unserer kleinen Stadt bleiben. | |
29 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Georg Seeßlen | |
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