# taz.de -- Britisches Urteil zu Abschiebungen: Ruanda-Deal gekippt | |
> Das Oberste Gericht kippt die Vereinbarung, Flüchtlinge nach Ruanda | |
> auszufliegen. Die Regierung will aber weitermachen. | |
Bild: „Keine Grenzen, keine Nationen, stoppt die Deportationen“: Protest ge… | |
LONDON taz | Die geplanten Abschiebungen von Asylsuchenden aus | |
Großbritannien nach Ruanda sind rechtswidrig. Dies [1][urteilte das höchste | |
britische Gericht, der Supreme Court], am Mittwoch in letzter Instanz. | |
Die britische Regierung plant, Asylsuchende, die etwa auf kleinen Booten | |
aus Frankreich unerlaubt ins Vereinigte Königreich gelangen und bereits in | |
anderen sicheren Staaten Asylanträge hätten stellen können, nach Ruanda | |
abzuschieben, damit sie dort Asyl beantragen. Ein erster Deportationsflug | |
nach, Ruanda wurde Juni 2022 im letzten Moment per Eilantrag vor dem | |
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestoppt, was Klagen in | |
Großbritannien nach sich zog. Die liefen nun bis hoch zum Supreme Court. | |
Die Beendung der politisch heftig diskutierten Ärmelkanalüberquerungen war | |
bei Premierminister Rishi Sunaks Amtsantritt im Oktober 2022 eines seiner | |
fünf Versprechen für seine Regierungszeit. Mit Ruanda hatte das Vereinigte | |
Königreich noch zur Amtszeit Boris Johnsons vereinbart, dass Personen, die | |
in Großbritannien landen, Asyl stattdessen in Ruanda beantragen können. | |
Eine Mustereinrichtung für eingeflogene Flüchtlinge wurde in Ruandas | |
Hauptstadt Kigali geschaffen und London zahlte viel Geld an Ruandas | |
Regierung. Aber umgesetzt wurde wegen der Gerichtsverfahren noch nichts. | |
## Einschätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR | |
Der Supreme Court musste nun die Frage beantworten, ob die Vorinstanz | |
richtig lag mit ihrem Urteil, dass Ruanda für Asylsuchende kein sicherer | |
Drittstaat sei – weil es nicht garantieren könne, dass die Asylsuchenden am | |
Ende nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden, und weil | |
generell ihre Menschenrechte nicht gewahrt seien. Dies hatte Englands | |
höchstes Berufungsgericht Court of Appeal im Juni festgestellt. Die | |
britische Regierung zog dagegen vor das Oberste Gericht, das nun das | |
vorherige Urteil bestätigt hat. | |
Der Supreme Court begründete das mit der Einschätzung des | |
UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Dies will in Ruanda Todes- und Folterfälle | |
gesehen haben. Ruanda habe sich auch nicht an Verpflichtungen in einem | |
ehemaligen Abkommen mit Israel bezüglich eines dem britischen Modell | |
ähnlichen Programmes gehalten und über 100 aus Israel nach Ruanda | |
verbrachte Asylsuchende an Länder weitergeschoben, aus denen ihre | |
Rückführung in ihr Herkunftsland möglich wurde. Auch gebe es Mängel in | |
Ruandas Asylrechtssystem. Im derzeitigen Zustand und auf Basis der | |
bisherigen Erfahrungen, sei Ruanda kein sicheres Land für Flüchtlinge, man | |
schließe jedoch nicht aus, dass es dies in der Zukunft sein könne. | |
## Ruanda, kein sicheres Drittland | |
Ruandas wies die Feststellung zurück, kein sicheres Drittland zu sein. Das | |
UNHCR – das regelmäßig afrikanische Flüchtlinge aus Libyen nach Ruanda | |
umsiedelt – habe Ruandas Umgang mit Flüchtlingen als vorbildlich | |
bezeichnet, [2][erklärte Regierungssprecherin Yolande Makolo]. | |
Die britische Regierung will am Ruanda-Deal festhalten. Das Urteil sei ein | |
„vorübergehender Rückschlag“, erklärte am Mittwoch im Unterhaus James | |
Cleverly, der neue Innenminister, der erst seit zwei Tagen im Amt ist. | |
Sunak betonte, dass der Supreme Court nicht gegen das Prinzip von | |
Abschiebungen in Drittstaaten an sich geurteilt habe. Man habe bereits | |
einen weiteren Vertrag mit Ruanda vorbereitet, um die vom Gericht genannten | |
Defizite anzugehen. Er sei auch bereit, geltende Gesetze zu ändern oder | |
internationale Konventionen zu überprüfen, sollte sich herausstellen, dass | |
diese die Ruanda-Pläne behindern, sagte Sunak. | |
Sunak steht unter Druck des rechten konservativen Parteiflügels, der eine | |
viel härtere Flüchtlingspolitik fordert. Die am Montag aus dem Kabinett | |
geworfene ehemalige Innenministerin Suella Braverman hatte in einem | |
[3][giftigen Brief an Rishi Sunak] seine Kompetenz in Frage gestellt und | |
gefordert, dass Großbritannien im Asylbereich Teile der Europäischen | |
Menschenrechtskonvention aussetzen und dem Europäischen Gerichtshof für | |
Menschenrechte die Zuständigkeit entziehen sollte. Außerdem habe er es | |
versäumt, einen Plan B für den Fall zu entwickeln, dass der Supreme Court | |
gegen den Ruanda-Deal urteilt. | |
2022 landeten 45.755 Personen mit Booten in England als Asylsuchende. Für | |
dieses Jahr wird aufgrund von schärferen Kontrollen an der französischen | |
Küste und einem Abkommen mit Albanien mit einem Rückgang um ein Drittel | |
gerechnet. Cleverly sagte, in Ländern wie Deutschland würden die | |
Flüchtlingszahlen steigen, und sie würden nun ähnliche Modelle in Erwägung | |
ziehen wie Großbritannien. | |
Mitarbeit: Dominic Johnson | |
15 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.supremecourt.uk/cases/uksc-2023-0093.html | |
[2] https://twitter.com/YolandeMakolo/status/1724743167726043234 | |
[3] https://twitter.com/SuellaBraverman/status/1724465401982070914 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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