| # taz.de -- Bremer Aktivistin über Vonovia: „Die probieren alle Tricks“ | |
| > Die Stadtteilgewerkschaft Gröpelingen möchte sich gegen den | |
| > Immobilienkonzern wehren – und hat sich dem bundesweiten Bündnis | |
| > „voNo!via“ angeschlossen. | |
| Bild: Ausgangspunkt für bundesweiten Unmut: Die Vonovia-Firmenzentrale in Boch… | |
| taz: Frau Krauss, was hat sich Vonovia in Bremen schon konkret geleistet? | |
| Josefine Krauss: Es gibt in allen Stadtteilen, wo Vonovia Häuser hat, | |
| Probleme. Hier in Gröpelingen haben wir mitbekommen, dass es | |
| undurchsichtige Abrechnungen gibt, über die nicht erbrachte Leistungen | |
| abgerechnet werden. Und die Mieterin Andrea H. haben wir in ihrem | |
| jahrelangen Kampf dafür begleitet, [1][dass ihr Balkon nicht mehr unter | |
| Wasser steht]. Und auf der Baustelle in der Selsinger Straße, wo | |
| modernisiert wurde, war null Sicherung. Mieter*innen haben sich da die | |
| Knöchel verstaucht, sind gefallen. Teilweise haben die Klingelanlagen, | |
| sogar nach dem Einbau, nicht funktioniert. Man konnte nicht mal den Summer | |
| betätigen. Das sind schon krasse Einschränkungen, die die Leute über sich | |
| ergehen lassen mussten und immer noch müssen – es gibt kaum Verbesserungen. | |
| Und wenn, nur mit viel Druck wie bei Andrea H., als auch die Presse | |
| eingeschaltet wurde. | |
| Sie haben vor drei Jahren im Rahmen einer Kampagne bei Widersprüchen gegen | |
| die Betriebskostenabrechnungen geholfen. Was hat das gebracht? | |
| Einzelne Mieter*innen waren in diesen Widersprüchen sehr beharrlich und | |
| haben über Jahre einfach nicht bezahlt und die langwierigen Briefwechsel | |
| mitgemacht und sich nicht von Mahnungen oder Androhungen abschrecken | |
| lassen. Dann geht Vonovia meistens mit einem Angebot auf die | |
| Mieter*innen zu. Aber diese Auseinandersetzung per Brief ist nur für | |
| einen kleinen Teil zu leisten. Viele Mieter*innen haben dann einfach | |
| gezahlt. Mit der bundesweiten Kampagne starten wir nun einen Versuch, das | |
| ein bisschen anders anzugehen. | |
| Was erhoffen Sie sich genau davon, eine von den 20 Organisationen zu sein, | |
| die sich zusammenschließen? | |
| Der Vorteil ist, dass da auch Mietervereine und Anwält*innen dabei sind | |
| mit einem ganz anderen Wissen und anderen Ressourcen. Wenn jemand in diesen | |
| Vereinen Briefe aufsetzt, können wir die einfach nutzen. Und es ist gut zu | |
| wissen, dass in anderen Städten genau das Gleiche passiert. Die Praxis von | |
| Vonovia ist ja überall die gleiche – die nicht prüfbaren, intransparenten | |
| Abrechnungen, ein undurchsichtiges Tochterfirmensystem, das | |
| Nicht-erreichbar-Sein, die sogenannten Modernisierungen, die eigentlich | |
| Instandhaltungen sind. Das ist systematisch. An vielen Orten haben sich | |
| Menschen gegen Vonovia gewehrt, aber es war noch nie so gebündelt wie | |
| jetzt. | |
| Was hat es mit diesen Modernisierungen auf sich? | |
| Instandhaltungen sind Reparaturen, die Vermieter*innen zahlen müssen, | |
| um die Wohnqualität gleich zu halten. Modernisierungen bedeuten eine | |
| Verbesserung, die dann auf die Mieter*innen in Form von Mieterhöhungen | |
| umgelegt werden kann. Aber wenn nur ein kaputtes Fenster ausgetauscht wird, | |
| ist das keine Modernisierung. | |
| Aber die Mieten werden in so einem Fall trotzdem erhöht? | |
| Ja. Die machen zeitgleich dann auch viel anderes, und am Ende blickt man | |
| einfach nicht durch und müsste sich eigentlich eine Anwältin nehmen, um das | |
| zu überprüfen. | |
| Ist das illegal, das Austauschen von Fenstern als Modernisierung zu | |
| verkaufen? | |
| Ja. Es ist eine Täuschung und der Versuch, den Leuten das Geld aus der | |
| Tasche zu ziehen. Die probieren alle Tricks und sagen am Ende: „Oh, da | |
| haben wir einen Fehler gemacht.“ Ein paar Leute wehren sich dagegen, aber | |
| die anderen nehmen es einfach hin. | |
| Das heißt, auch wenn einzelne Personen Recht kriegen, ob vor Gericht oder | |
| außergerichtlich, ändert das nichts an Vonovias Verhalten? | |
| Ja, genau, das ist das große Problem: Selbst wenn vor Gericht bewiesen | |
| wurde, dass in einer Wohnung diese Modernisierung eine Instandhaltung war, | |
| müssen alle im gleichen Haus, die wahrscheinlich dieselbe Modernisierung | |
| hatten, trotzdem klagen. Also, diese Übertragung von einem Urteil auf alle | |
| anderen funktioniert nicht. Es profitieren immer nur Einzelpersonen. Der | |
| Anwalt Valentin Weiß, der hier in Bremen diese Klagen macht, hat schon | |
| angesprochen, dass er sich das wünschen würde. Das Problem ist aber, dass | |
| Sammelklagen nicht fürs Mietrecht gelten. | |
| In dem offenen Brief sprechen Sie auch von Vonovias verwirrenden | |
| Unternehmensstrukturen. Was meinen Sie? | |
| Vonovia hat ja für jedes Thema, das mit Wohnen zu tun hat, eigene | |
| Tochterfirmen. Wenn man sich die Belege dieser Firmen – also die | |
| Rechnungen, die Vonovia sich selber schreibt – anschaut, steht da nichts | |
| drin, was weiterhilft. Da steht dann: „Der Hausmeister hat 23 Mal eine | |
| Tätigkeit vollbracht“ – aber man weiß nicht, welche und wann. Das ist sehr | |
| undurchsichtig. | |
| Was genau wollen Sie jetzt von Vonovia? | |
| Wir nutzen die bundesweite Kampagne gerade dazu, Mieter*innen zu | |
| aktivieren, sich mit zu engagieren. Welche Forderungen daraus entstehen, | |
| ist noch offen. Aber als Stadtteilgewerkschaft unterstützen wir die | |
| Forderungen vom bundesweiten Bündnis voll: zum Beispiel, dass es viel mehr | |
| Mitbestimmungsrecht für Mieter*innen geben sollte – auch dazu, welche | |
| Tätigkeiten der Hausmeister nun wirklich machen soll. Oder dass alle | |
| strittigen Kosten, also solche, die von den Tochterfirmen kamen, erstattet | |
| werden sollen, sofern sie nicht nachgewiesen werden können. | |
| Daneben fordern Sie auch eine grundlegend andere Wohnpolitik. [2][Müssen | |
| dafür Konzerne wie Vonovia weg] oder sich nur an die Regeln halten? | |
| Die Frage ist doch: Wenn Vonovia sich an Regeln halten würde, würde es dann | |
| noch existieren? Das ist ja genau die Geschäftspraxis von Vonovia. Meine | |
| persönliche Meinung ist, dass mit Wohnraum grundsätzlich kein Geld gemacht | |
| werden sollte, was dann irgendwelchen Aktionär*innen zufließt. | |
| 14 Mar 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Götz | |
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