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# taz.de -- Ein Räumungsstreit vor Gericht: Schlüsselfrage Mieterschutz
> Neue Masche gegen den Mieterschutz: Mit einem so dubiosen wie aufwendigen
> Konstrukt hebelt Berliner Eigentümer Mieterschutz aus.
Bild: Ob auch Fake-Mieter einen Schlüssel zum Schloss haben?
Berlin taz | Kennen Sie Vermieterwitze? Treffen sich zwei Vermieter. Sagt
der eine: „Wieso meckern die Leute eigentlich immer über uns? Wir machen
doch gar nichts.“ Oder: Was ist der Unterschied zwischen Holz und einem
Vermieter? Holz arbeitet. Oder: Was ist die seltenste Flüssigkeit der Welt?
Vermieterschweiß.
Flachwitze wie diese tun Vermietern natürlich gnadenlos Unrecht. Zwar
leisten Vermieter natürlich keine Arbeit im strengeren Sinne, weil sie von
ihrem Kapital leben und denkbar wenig zur tatsächlichen Wertschöpfung
beitragen. Aber vielleicht sollte man die „Arbeit“ der Vermieter einfach in
anderen Kategorien messen. In menschlichem Leid zum Beispiel.
Ein besonderes Prachtexemplar der Sorte ruchloser Vermieter mit dem Namen
Dornröschen Immobilien GmbH [1][wurde vergangenen Dienstag am Amtsgericht
Kreuzberg wachgeküsst]. Dornröschen versuchte eine Räumungsklage gegen ein
Pärchen durchzudrücken und gab dabei versehentlich ihre Masche preis, um
sämtliche Mechanismen des Mieter- und Milieuschutzes in dem ohnehin schon
stark von Verdrängung betroffenen Berliner Stadtteil zu umgehen.
Mit Fake-Hauptmieter und befristeten Untermiet-Knebelverträgen wollte der
Vermieter offenbar maximale Rendite erzielen. Der Eigentümer, der sich
hinter einem dubiosen Firmenkonstrukt und einer Hausverwaltung versteckt,
hat offenbar kurzerhand Strohmänner bestellt, die bei ihm als Hauptmieter
fungieren. Neue Verträge vergibt er nur über Untermiete. Und sollte
irgendjemand auf die freche und kapitalfeindliche Idee kommen, die
Mietpreisbremse zu ziehen, fliegt er halt raus. Viel Glück bei der
Wohnungssuche.
Besonders praktisch: Sobald das Haus in Einzelwohnungen aufgeteilt und
Eigentum für die maximale Rendite umwandelbar ist, laufen die befristeten
Untermietverträge in dem Haus aus. Der bezirkliche Milieuschutz bei
Umwandlung in Eigentum greift hier ab 2024 nicht mehr. Der Untermietvertrag
lief zufällig genau so lang.
Entmietung leicht gemacht: Gleich zehn Parteien haben in dem sanierten
Altbau mit ähnlich konstruierten Untermietverträgen zu tun, wie es vor
Gericht hieß und auch ein Nachbar bestätigte.
Ein Urteil erging allerdings noch nicht. Im Rechtsstreit um die
Räumungsklage will die Richterin erst mal auch die aus ihrer Sicht
bestehenden Dubiositäten im Fall durchschauen. Dornröschens Anwalt streitet
hingegen alles ab, legte aber bislang nicht einmal einen gültigen
Hauptmietvertrag vor. Der angebliche Hauptmieter lebt laut Vermieterlegende
im Ausland und habe 2024 zurückkommen wollen. Als die Mieter dann die
Mietpreisbremse zogen, kündigte der angeblich Weltreisende plötzlich. Per
Melderegisterauskunft fanden die Mieter und ihr Anwalt immerhin heraus,
dass der Hauptmieter existiert. Allerdings lebt der nicht im Ausland,
sondern seit 1998 in einem Einfamilienhaus mit Garten im brandenburgischen
Blankenfelde. In Kreuzberg wohnte er nie. Und wohl nur zufällig arbeitet er
in der Firma des Eigentümers.
Der Eigentümer verfügt noch über weitere Unternehmen, die unter Namen wie
Schneeweißchen, Rotkäppchen und High Five firmieren. Möglicherweise zieht
er also seine mutmaßliche Masche auch anderswo ab.
Eines muss man ihm aber doch lassen: sich komplizierte Konstruktionen
auszudenken, durchzuziehen und sich noch guten Gewissens im Spiegel
anschauen zu können, ist ja auch eine Art Arbeit.
20 Feb 2022
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## AUTOREN
Gareth Joswig
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