| # taz.de -- Bremen und Hannover gründen Tanzensemble: Recherche am eigenen Kö… | |
| > Bremen und Hannover gründen mit „Tanzraum Nord“ ein gemeinsames | |
| > Tanzensemble. Aufführungen soll es auch in anderen Städten geben. | |
| Bild: So arbeitete Helge Letonja in der Vergangenheit: Szene aus dem Stück „… | |
| Bremen taz | Mehr Bewegung braucht das Land, sagen Ärzte, auf mehr | |
| professionelle Tanzdarbietungen setzt Kulturstaatsministerin Monika | |
| Grütters (CDU) und fördert seit 2017 mit dem „Tanzpakt Stadt-Land-Bund“ d… | |
| Arbeit freier professioneller Compagnien. Bedingung: Kommunen, Länder, | |
| Stiftungen müssen die Fördersumme des Bundes mindestens verdoppeln. Dazu | |
| entschlossen sich Bremen und Hannover, sodass jetzt das „Tanzraum | |
| Nord“-Ensemble „of curios nature“ gegründet werden konnte und für drei | |
| Jahre finanziert ist. | |
| Zu den 493.000 Euro aus Berlin addieren das Theater Bremen und das | |
| hansestädtische Kulturressort jeweils 150.000 Euro, in Hannover beteiligen | |
| sich Kulturbüro und Kultusministerium in ähnlichem Umfang, hinzu kommen in | |
| beiden Städten Stiftungsgelder. Zehn Tänzer*innen aus neun Ländern sind | |
| inzwischen fest angestellt worden. „1.100 Bewerbungen hat es für die | |
| Stellen gegeben“, sagt Helge Letonja, der in Bremen seit 1996 unter dem | |
| Namen „Steptext“ Tanzprojekte realisiert und nun Tanzraum Nord leitet – | |
| gleichberechtigt mit Choreograf Felix Landerer, dessen Compagnie seit 2010 | |
| eigene Stücke unter anderem in der Hannoveraner Eisfabrik zur Aufführung | |
| bringt. | |
| Beide wollen ihre eigenen Projekte parallel weiterführen. Mit Tanzraum Nord | |
| sind zwei Uraufführungen mit dem gesamten, sechs mit dem halben Ensemble | |
| geplant. Alle Produktionen sollen sowohl in Bremen als auch Hannover | |
| gezeigt werden. Einige gastieren auch in den tanzspartenlosen Stadttheatern | |
| von Celle und Göttingen. Zudem haben das LOT in Braunschweig, das | |
| Korzo-Theater in Den Haag und das Tanzraum Scenario Publico in Cantinia | |
| (Italien) Gastspiele gebucht. | |
| Da Oldenburgs Ballettdirektor Antoine Jully selbst ein Stück verantwortet, | |
| ist Tanzraum Nord auch am dortigen Staatstheater präsent. Weiter als | |
| Choreografen engagiert sind Tomas Bünger (Bremen), Alexandra Waierstall | |
| (Düsseldorf) und der Brasilianer Samir Calixto, der letztes Jahr Franz | |
| Schuberts „Die schöne Müllerin“ in Osnabrück zu brennender Liebeslust | |
| trieb. | |
| Die Anzahl der Spielorte ist ausbaufähig. Gerade das Ballett des | |
| Stadttheaters Bremerhaven könnte eine Inspiration aus der freien Szene gut | |
| gebrauchen. „Aber dort stehe ich mit dem Wunsch nach Kooperation immer vor | |
| verschlossenen Türen“, so Letonja. Gespräche aber gebe es in Winsen, | |
| Nienburg und Groningen. Zu den Gastspielen wird ein umfangreiches | |
| Tanzvermittlungsangebot entwickelt: Probenbesuche, Workshops, | |
| Meisterklassen, offene Trainings, Stückeinführungen und Publikumsgespräche | |
| sind angekündigt. | |
| Besonders freut sich Letonja, dank der langfristigen Förderung endlich | |
| einmal kontinuierlich mit einem festen Ensemble arbeiten, ein Repertoire | |
| aufbauen und am Leben erhalten zu können. Sonstige Projektförderungen | |
| laufen immer nur über einen kurzen Zeitraum, darüber hinaus eintrudelnde | |
| Gastspielanfragen müssen stets abgesagt werden, da die Bewegungskünstler | |
| sich nach der letzten fix vereinbarten Aufführung meist sofort in alle | |
| Winde zerstreuen, um in anderen Städten neue Projekt-Engagements | |
| anzunehmen. | |
| Die Tanzhäusler proben in den nächsten Jahren vor allem in Bremens | |
| Schwankhalle und dem Kulturzentrum Faust in Hannover. Sie wollen erst mal | |
| nicht mit der Setzung einer eigenen Tanzsprache um Aufmerksamkeit buhlen, | |
| sondern Basisarbeit für ihre Kunst betreiben. Das heiße: Schluss mit den | |
| gerade aktuellen performativen, sich ständig reflektierenden, | |
| dekonstruierenden Darbietungen, so Letonja. „Wir scheuen den Tanz nicht.“ | |
| Aber „Tanzraum“ heiße auch, ein bisschen wegzugehen von Letonjas in kühler | |
| Strenge elegant inszeniertem Motionskanon, der eine große Anziehungskraft | |
| auf nostalgische Fans der Bremer Tanz-Ära Urs Dietrichs und Susanne Linkes | |
| hat, da das Ensemble am Theater Bremen gerade ganz andere Wege geht und | |
| formal eher offen ist für die Ästhetisierung junger ekstatischer | |
| Selbstentäußerungen. | |
| Tanzraum Nord soll aber auch Abstand nehmen von den suggestiven | |
| Tanztheatererzählungen, mit denen Landerer in Hannover die erlesen | |
| eigensinnige Arbeit des Staatsballetts konterkariert. Für das neue Ensemble | |
| sei somatische Forschung angesagt, wie Letonja betont, anfangs säßen alle | |
| vor einem Skelett und überlegten, wie die Knochen und Muskeln | |
| zusammenspielen könnten. | |
| Es folge Bewegungsrecherche am eigenen Körper. „Die Tänzer suchen neue Wege | |
| zu tief in ihnen verankerten Ausdrucksmöglichkeiten“, so Letonja. Daraus | |
| könne sich eine eigene Form, ein neuer Stil entwickeln. Erste | |
| Tanzraum-Premiere ist am 27. Februar Letonjas Choreografie „On the | |
| shoulders of giants“ am Theater Bremen. | |
| 20 Jan 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Fischer | |
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