| # taz.de -- Brandanschlag in Oldenburg: „Das ist leider jüdische Realität“ | |
| > Auf Angriffe wie der jüngste seien sie vorbereitet gewesen, sagt die | |
| > Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg. Die Solidarität mache | |
| > ihr Mut. | |
| Bild: Blick auf die Oldenburger Synagoge nach dem Brandanschlag | |
| taz: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie [1][vom Anschlag auf die Synagoge | |
| in Ihrer Gemeinde] gehört haben, Frau Schaub-Moore? | |
| Claire Schaub-Moore: Ich habe nur gedacht: Wie müssen wir jetzt vorgehen? | |
| Mir ging es darum, die Sicherheit für die Mitarbeiter:innen im Haus | |
| sicherzustellen. | |
| Hat Sie der Angriff unvorbereitet getroffen? | |
| Nein, wir bereiten uns ja schon lange auf einen potenziellen Anschlag vor, | |
| und als ich von den Hausmeistern hörte, dass wir gerade einen erlebt haben, | |
| dachte ich: Jetzt ist der Punkt gekommen, wo das, was wir bislang immer | |
| trainiert haben, zum Einsatz kommen muss. Das ist leider jüdische Realität. | |
| Seit wann haben Sie ein Sicherheitstraining? | |
| Unsere Sicherheitsvorkehrungen verschärft und ein Sicherheitsteam | |
| ausgebildet haben wir nach dem 7. Oktober. Davor hatten wir zwar auch | |
| Sicherheitsmaßnahmen, aber bei weitem nicht so professionell begleitet. | |
| Wer unterstützt Sie dabei? | |
| Das tun speziell ausgebildete Menschen beim Zentralrat der Juden. Wir | |
| versuchen intern, ein Bewusstsein zu schaffen für Bedrohungslagen und wie | |
| wir am besten damit umgehen: Das ist so, wie große Firmen | |
| Mitarbeiter:innen darauf vorbereiten, wie sie damit umgehen, wenn | |
| Feuer ausbricht. Vor allen Dingen ist uns die Zusammenarbeit mit der | |
| Polizei sehr wichtig. Die informiert uns, wenn es Andeutungen gibt, dass | |
| wir bedroht sind. Das gab es in diesem Fall nicht. Wobei die Bedrohungslage | |
| seit dem 7. Oktober für Jüdinnen und Juden weltweit erhöht ist. | |
| Was bedeutet das für Ihr Sicherheitsgefühl? | |
| Wir können uns nicht rund um die Uhr absichern und versuchen, jede Lücke zu | |
| schließen. Es ist am hellichten Tag passiert. Ich denke, wir hatten Glück | |
| im Unglück: Wir hatten zwei sehr aufmerksame, beherzte Mitarbeiter von der | |
| Stadt, die die Flamme an unserer Tür gesehen haben. Der Molotowcocktail | |
| muss kurz davor geworfen worden sein. Sie haben sofort eingegriffen – so | |
| ist es nicht zu einem weitaus größeren Schaden gekommen oder gar Menschen | |
| zu Schaden gekommen. Aber natürlich ist unser Gebetshaus angegriffen worden | |
| und die Implikation ist, dass jüdisches Leben gefährdet ist. | |
| Der Angriff passierte am Freitagmittag. Am Abend begann der Sabbat. Wie | |
| haben Sie den noch gefeiert? | |
| Mir war es als erste Vorsitzende sehr, sehr wichtig, Ruhe und Normalität, | |
| soweit es ging, wieder herzustellen. Mir war es wichtig, dass die Gemeinde | |
| nicht das Gefühl bekommt, dass der Ort, wo wir gemeinsam den Sabbat | |
| begehen, ein unsicherer geworden ist – also nicht unsicherer, als er sowie | |
| in der Fantasie schon immer war. Die Polizei meinte, sie könnte das Gebäude | |
| freigeben und das haben wir auch genutzt. | |
| Wie würden Sie die Gemeinde beschreiben? | |
| Bunt gemischt. Familien mit Kindern, ältere Menschen. Wir sind eine | |
| liberale Gemeinde mit einer Rabbinerin und einem Rabbiner. Es gibt 340 | |
| aktive Mitglieder:innen; wir sind die drittgrößte Gemeinde in | |
| Niedersachsen. | |
| Das Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus Oldenburg schreibt, es | |
| habe in den letzten Monaten viele antisemitische Vorfälle in Oldenburg | |
| gegeben. Wie ist Ihre Wahrnehmung? | |
| Es gab und gibt immer wieder antisemitische Vorfälle, aber ich weiß nicht, | |
| ob man von einer Häufung sprechen kann. Deswegen, glaube ich, waren auch | |
| viele in der Stadt überrascht: Wie kann so etwas in unserem beschaulichen | |
| Oldenburg passieren? | |
| Wie gehen Sie jetzt durch die Stadt? | |
| Wie immer. Wie gesagt, ich glaube, dass Juden und Jüdinnen immer etwas | |
| aufmerksamer durch die Stadt gehen. Wir haben sehr viel Zuspruch erfahren, | |
| sehr viele Solidaritätsbekundungen, nicht nur die üblichen Floskeln. Das | |
| gibt auch ein Gefühl der Stärke. Ich glaube, wir können tatsächlich mutig | |
| durch die Stadt gehen und müssen uns nicht verstecken, auch nicht unsere | |
| Symbole. | |
| Man könnte sagen: [2][500 Teilnehmer:innen bei der | |
| Solidaritätskundgebung] sind nicht überwältigend viele. | |
| Es kommt auf die Perspektive an. Ich finde es wichtig, nicht immer zu | |
| erwarten, sondern dankbar zu sein für das, was ist. Wir hatten seit dem 7. | |
| Oktober immer wieder Demonstrationen, entweder pro Israel oder | |
| propalästinensische Demonstrationen, und es war immer wieder erstaunlich, | |
| wie wenig Menschen an den proisraelischen Demonstrationen teilgenommen | |
| haben. Und dafür war jetzt diese Solidaritätsbekundung – und gezählt wurden | |
| fast 1.000 Teilnehmer:innen – überwältigend. Und das waren nicht nur | |
| Oldenburger und Oldenburgerinnen, aus ganz Niedersachsen sind Menschen | |
| angereist, um ihre Solidarität zu zeigen, weil der Anschlag jetzt doch | |
| näher an den eigenen Lebenswelten passiert ist. | |
| Welche Konsequenzen zieht die Gemeinde jetzt? | |
| Wir werden weitermachen wie bisher. Wir haben sowieso schon eine sehr enge | |
| Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsschutz. Wir haben aber auch ein großes | |
| Interesse daran, dass die Menschen in unserer Gemeinde sichtbar bleiben, | |
| und wir werden weiterhin das tun, was wir immer getan haben: unsere | |
| religiösen und kulturellen Kooperationen pflegen. | |
| Es klingt so, als wären Sie auf eine sehr mutmachende Art nicht bereit, | |
| etwas Grundlegendes zu ändern. | |
| Wir gucken nach vorne. Wir wollen das, was uns im Grunde alle wünschen: | |
| dass jüdisches Leben in Deutschland normal ist und dass wir nicht immer nur | |
| erwähnt werden, wenn es Anschläge gibt. | |
| 10 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Synagoge-in-Oldenburg/!6002689 | |
| [2] /Brandanschlag-in-Oldenburg/!6002812 | |
| ## AUTOREN | |
| Friederike Gräff | |
| ## TAGS | |
| Jüdisches Leben | |
| Synagoge | |
| Oldenburg | |
| Antisemitismus | |
| GNS | |
| Oldenburg | |
| Antisemitismus | |
| Kriminalität | |
| Antisemitismus | |
| Antisemitismus | |
| Antisemitismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge: „Aktenzeichen XY“ führt Polizei zu… | |
| Am Freitag hat die Polizei einen 27-Jährigen festgenommen. Er soll im April | |
| 2024 einen Brandsatz gegen die Synagoge in Oldenburg geworfen haben. | |
| Synagoge in Oldenburg: SA-Parole gesprüht | |
| Erneut wurde ein Anschlag auf die Synagoge in Oldenburg verübt. Dieses Mal | |
| schmierten Unbekannte eine SA-Parole auf eine Rampe nahe dem Gebäude. | |
| Antisemitischer Anschlag geplant: Anschlag in Synagoge vereitelt | |
| Er wollte mutmaßlich Menschen in einer Synagoge töten und selbst zum | |
| „Märtyrer“ werden: Nun sitzt ein 18-Jähriger aus Baden-Württemberg in Ha… | |
| Brandanschlag in Oldenburg: Hunderte demonstrieren Solidarität | |
| Nach dem Brandanschlag auf die Synagoge in Oldenburg zeigen sich viele | |
| Menschen solidarisch mit der jüdischen Gemeinde. Der Oberbürgermeister | |
| spricht von „Terror“. | |
| Synagoge in Oldenburg: Mahnwache nach Brandanschlag | |
| Unbekannte haben am Freitag einen Brandsatz gegen die Tür des Gotteshauses | |
| geworfen. Es blieb bei geringen Sachschäden. Innenministerin Faeser | |
| verurteilte die Tat. | |
| Neue Fragen im Einbürgerungstest: Kein Mittel gegen Antisemitismus | |
| Mit den veränderten Einbürgerungstests wird der Antisemitismus in | |
| Deutschland kaum weniger werden. Deutlich zielführender sind Aufklärung und | |
| Bildung. |