# taz.de -- Bewässerung für trockene Moore: Landwirtschaft im Moor? | |
> Moore können einfach befeuchtet werden: Es braucht Wasser, kreative Ideen | |
> – und helfende Hände. Sogar eine landwirtschaftliche Nutzung ist denkbar. | |
Bild: Baumwollgras blüht im Venner Moor im Mai | |
Kahle, abgebrochene Stämme von Birken ragen in den grau verhangenen Himmel, | |
und kleine grüne Kiefern wuchern zwischen hohem Pfeifengras, Farnen und | |
Moosen. An einem nasskalten Wintertag wirkt diese Landschaft wenig | |
einladend. Trotzdem kommen regelmäßig einmal im Monat an einem Samstag | |
freiwillige Helfer:innen ins Moor im nördlichen Osnabrücker Land. Sie | |
packen an, entfernen Kiefern, Birken und Gebüsch aus dem feuchten, | |
buckligen Gelände und bereiten das Land darauf vor, dass es unter Wasser | |
gesetzt werden kann. | |
„In der Natur arbeiten und dabei effektiv sein, das machen wir gerne“, sagt | |
Wiebke Mai, die mit ihrer Familie aus dem vierzig Kilometer entfernten | |
Osnabrück kommt. Auch ihre Töchter wirken zufrieden. „Ich hab mich schon | |
gestern Abend gefreut, dass es heute gleich nach dem Aufstehen losgeht“, | |
sagt die zehnjährige Lea. Weil Kiefern, Birken und Büsche mit ihren Wurzeln | |
dem Boden zu viel Wasser entziehen, müssen sie raus, wenn hier beim Dorf | |
Venne wieder ein Feuchtgebiet entstehen soll. | |
Im Venner Moor engagiert sich der Naturschutzverband Nabu sowohl politisch | |
als auch praktisch seit vier Jahrzehnten. „Renaturierung heißt nicht, dass | |
hier wieder ein ursprüngliches Moor mit Torf entsteht“, erklärt der | |
örtliche Nabu-Vorsitzende Andreas Peters, der auch die Einsätze der | |
Freiwilligen hier koordiniert. „Wir bringen die geschädigte Moorlandschaft | |
in einen möglichst naturnahen Zustand.“ Wird das ehemalige Moor wieder | |
nass, entsteht ein Feuchtgebiet. „Wir haben im Venner Moor noch einen | |
kleinen Fleck heile Haut, wo heimische Amphibien, Schlangen wie Kreuzotter | |
und Schlingnatter und verschiedene Torfmoose überlebt haben“, sagt Peters. | |
„Wir hoffen, dass sie von dort kommen und sich hier wieder ausbreiten.“ | |
## Klimaschutz muss nicht teuer sein | |
Will man ein Moor renaturieren, muss man die permanente, vom Menschen | |
gemachte Entwässerung stoppen. Es gilt dann, das Wasser im Gebiet zu | |
halten, unabhängig von Lage oder Typ des Moores. Um den Wasserstand wieder | |
zu heben, blockiert man die Entwässerungsgräben mit starken Holzpfosten, | |
die man in die Erde rammt. Davor setzt man quer dicke Bretter, häuft Erde | |
aus dem Gelände davor und stampft diese fest. Damit ist der bisherige | |
Wasserabfluss dichtgemacht und das Moorgelände kann sich wieder mit Wasser | |
füllen. Moore wieder zu vernässen ist eine kostengünstige Methode, das | |
Klima zu schützen. | |
Hierzulande gibt es zwei Arten von Mooren, die Hoch- und die Niedermoore. | |
Niedermoore haben Anschluss an das Grundwasser und werden auch von dort mit | |
Wasser gespeist. Hochmoore wie das Venner Moor haben im Laufe der | |
Jahrtausende jedoch so mächtige Torfschichten gebildet, dass sie keinen | |
Anschluss ans Grundwasser mehr haben. Sie werden allein aus Niederschlägen | |
mit Wasser versorgt. In Zeiten der Klimaveränderung, mit weniger | |
Niederschlägen und Hitzesommern, in denen auf offenen Flächen viel Wasser | |
verdunstet, lässt sich nicht mehr genau prognostizieren, wie lange es | |
dauert, bis eine Hochmoorlandschaft wieder mit Wasser gesättigt ist. | |
Auch wenn ein Moor wieder feucht ist, bleibt die Pflege der Landschaft | |
weiter wichtig. Daran arbeiten auch Schäfereien mit ihren Tieren. Die | |
kleine, besonders leicht gebaute Moorschnucke ist gut an das karge Futter | |
in Moorlandschaften angepasst. Die Herden ziehen durch Wiesen, Sümpfe und | |
Feuchtgebiete und ernähren sich von Heidekraut, Moorgräsern, Pilzen, | |
Moosen, Beerensträuchern und jungen Birken und tragen so dazu bei, die | |
Moorflächen offen zu halten. Moorschnucken wurden jahrhundertelang in | |
Niedersachsen in großer Zahl gehalten, mittlerweile stehen sie jedoch auf | |
der Roten Liste der gefährdeten Haustierrassen. Von Züchtungen, die | |
deutlich mehr Fleisch ansetzen, wurden sie verdrängt. Inzwischen aber grast | |
die Moorschnucke in vielen Moorschutzprojekten, auch in anderen | |
Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Brandenburg und Bayern. | |
## Ideen für Landwirtschaft im Moor | |
Vielleicht können auch bald schon Landwirte Moorflächen naturverträglich | |
nutzen. Weil die Weltbevölkerung weiter wächst, muss man davon ausgehen, | |
dass diese auch in Zukunft für die Landwirtschaft gebraucht werden. Zu | |
umweltverträglichen Nutzungen von Mooren forscht seit 25 Jahren Hans | |
Joosten von der Universität Greifswald. Er prägte dafür den Begriff | |
„Paludikultur“ (von lat. palus = Morast, Sumpf). „Moor muss nass“ lautet | |
das Motto des 65-jährigen Professors, der weltweit zu Mooren forschte und | |
sich auch international für die Wiedervernässung von Mooren starkmacht. Für | |
sein Engagement bekam Joosten im vergangenen Jahr [1][den hoch dotierten | |
Deutschen Umweltpreis.] | |
Zwischen Anklam und dem Stettiner Haff im Nordosten von | |
Mecklenburg-Vorpommern liegt der Anklamer Stadtbruch. Bei einer Sturmflut | |
im Jahr 1995 brachen die Deiche, das Gelände verwandelte sich in eine wilde | |
Landschaft aus weiten Flachgewässern. Auf der politischen Ebene wurde die | |
Entscheidung getroffen, die Deiche nicht wieder aufzubauen. Man ließ die | |
zuvor für Torfabstich und Forstwirtschaft genutzten Flächen nass. Hier | |
initiierte Hans Joosten experimentelle Projekte mit Landwirtschaft auf | |
Böden, die im Wasser sind. Zum Beispiel kann man dort Rohrkolben und andere | |
große Sumpfgräser anbauen. Nach der Ernte, die eine Herausforderung | |
darstellt im nassen Gelände, lassen sich aus den Sumpfgräsern Dämmplatten | |
für den Bau herstellen, die kompostierbar und schwer entflammbar sind. | |
## Nachwachsende Torfmoose als Alternative für fossilen Torf | |
Wegweisende Projekte machten Hans Joosten und das Team vom [2][Greifswald | |
Moor Centrum] auch mit Herstellern von Pflanzerden. Bislang wird Torf stets | |
als unverzichtbarer Bestandteil von Pflanzerde bezeichnet. Denn Torf hält | |
die Feuchtigkeit, bleibt dabei luftdurchlässig und ist sehr preisgünstig. | |
Aber Experimente mit nachwachsenden Torfmoosen, die auf wiedervernässten | |
Mooren gedeihen und geerntet werden, zeigen: Nachwachsende Torfmoose sind | |
ein guter Ersatz für den fossilen Torf. Bislang wird Paludikultur nur durch | |
Projektfinanzierung gefördert, die nassen Böden sind nicht als | |
landwirtschaftliche Flächen ausgewiesen. Das heißt, es gibt dafür bislang | |
keine Förderung durch die Agrarsubventionen der EU. | |
Dabei könnten Moore unsere natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die | |
Klimakrise sein – es bräuchte nur weitsichtige politische Entscheidungen, | |
kreatives Denken und innovatives Handeln. | |
30 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dbu.de/123artikel39144_2442.html.%20 | |
[2] https://www.greifswaldmoor.de/start.html | |
## AUTOREN | |
Gunhild Seyfert | |
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