| # taz.de -- Berliner Stadtmagazine: Wer will schon die „Rolling Beatles“ | |
| > „Zitty“ und „Tip“ waren einst Gegensätze – jetzt werden sie unter … | |
| > Dach produziert. Die goldene Ära der Veranstaltungsblätter ist vorbei. | |
| Bild: Wo man nach Sonnenuntergang in Berlin was erleben kann, erfährt man heut… | |
| Es gab mal eine Zeit, da war es für viele Berliner eine wichtige Frage, ob | |
| sie sich lieber das eine oder das andere große Stadtmagazin auf den | |
| Lesetisch legen sollten, den Tip oder die Zitty. Eines der beiden musste es | |
| schon sein in einem halbwegs kulturinteressierten Haushalt. Der Tip war | |
| bekannt für seinen Kinoteil, galt ansonsten aber als mainstreamig, die | |
| Zitty dagegen lag in jeder linksorientierten Studenten-WG. „Zitty oder | |
| Tip“, sagt Chefredakteur Stefan Tillmann, „das ist auch heute noch für | |
| viele wie Rolling Stones oder die Beatles.“ | |
| Inzwischen ist es bei Zitty und Tip aber so, als würden die Beatles und die | |
| Stones bei derselben Plattenfirma unter Vertrag stehen, als hätten sie | |
| denselben Manager und als würden die Songs von demselben Songwriterteam | |
| Jagger/Richards/Lennon/McCartney geschrieben. Seit Ende 2013 erst der Tip | |
| von Holtzbrinck an den Raufeld-Verlag und kurz darauf auch die Zitty vom | |
| Berliner Verlag an dasselbe Unternehmen verkauft wurden, ist es mit der | |
| Konkurrenz der beiden Magazine vorbei. Zuletzt kursierte die Meldung, dass | |
| die Funke Mediengruppe Raufeld aufgekauft habe, Zitty und Tip jedoch nicht | |
| Teil des Deals seien. Die Meldung war jedoch falsch: Bereits vor einem | |
| halben Jahr hat sich Raufeld aus dem Geschäft mit den Stadtzeitungen | |
| zurückgezogen, diese werden seitdem im eigenen Verlag, Go City Media, | |
| herausgegeben. | |
| Auch Medienbeobachter scheinen in den letzten Jahren ein wenig den | |
| Überblick darüber verloren zu haben, wie die einst stolzen Berliner | |
| Stadtmagazine wie kalte Kartoffeln immer weitergereicht wurden. Stefan | |
| Tillmann ist nun einer der drei Chefredakteure beider Stadtmagazine und | |
| zugleich deren zweiter Geschäftsführer. Eine 15-köpfige Redaktion bespielt | |
| inzwischen jede Woche die Zitty und alle 14 Tage den Tip. Das laufe sehr | |
| gut, sagt Stefan Tillmann, man habe damit „ein Modell gefunden, mit dem wir | |
| wieder profitabel arbeiten können.“ | |
| ## Vielfache Konkurrenz | |
| Dass die großen Verlage sich von den Stadtzeitungen verabschieden, zeigt, | |
| dass die goldenen Zeiten dieses Formats vorbei sind. Wer heute frisch nach | |
| Berlin kommt, kauft sich nicht zuallererst eine Zitty oder den Tip, sondern | |
| fährt den Rechner hoch und folgt Empfehlungen in seinen sozialen | |
| Netzwerken. Das All-in-one-Konzept der Stadtmagazine hat sich überlebt. Man | |
| verfolgt lieber zig spezialisierte Online-Plattformen zu diesem und jenem – | |
| wer sich etwa für schwul-lesbisches Stadtleben interessiert, findet online | |
| einen darauf zugeschnittenen Veranstaltungskalender. | |
| Konkurrenz kommt zudem von den ortsansässigen Zeitungen, die von der taz | |
| bis zum Tagesspiegel in den letzten Jahren alle ihre Veranstaltungsbeilagen | |
| ausgebaut haben. Bedarf an dem, was Stadtmagazine bieten, gibt es immer | |
| noch, nur wird dieser im digitalen Zeitaler eben anders bedient als in der | |
| Printära und ein wirklich probates Mittel gegen diesen Umbruch haben die | |
| klassischen Stadtmagazine eben nie gefunden. | |
| Zitty und Tip wurden beide in den Siebzigern gegründet und von unabhängigen | |
| Verlagen herausgebracht, der Tip erschien erstmals 1972, fünf Jahre vor der | |
| Zitty. Ende der Neunziger lag die Auflage des Tip bei 75000, die Zitty | |
| verkaufte im gleichen Halbmonatsrhythmus circa 5000 Exemplare weniger. | |
| Heute liegt der Tip nach einer langen Talfahrt bei etwa 35000 verkauften | |
| Exemplaren alle zwei Wochen, die Zitty bei 25000 wöchentlich. Tendenz, das | |
| gibt Stefan Tillmann zu: weiter leicht abwärts. Bleibt da am Ende nicht | |
| bloß, eines der beiden Stadtmagazine aufzulösen? Stefan Tillmann sagt Nein. | |
| ## Herumdoktern hilft nicht | |
| Beide Magazine seien nach wie vor „zwei Marken, die eine enorme | |
| Glaubwürdigkeit haben“. So soll die Zitty dezidierter politisch sein, mit | |
| längeren Geschichten und Reportagen aus dem Stadtgeschehen, wie eine Art | |
| Wochenzeitung mit angeschlossenem Programmteil, während der Tip stark auf | |
| den Feldern Kino, Kultur und Gastro bleiben soll. | |
| Nur an den Zeitschriften herumzudoktern wird jedoch nicht reichen, das weiß | |
| auch Tillmann. In den letzten Jahren wurde viel ausprobiert. Zuletzt gab es | |
| den Versuch, die dem Tip beigelegte Fernsehzeitschrift am Kiosk | |
| einzusparen. Das gab einen Aufschrei bei den Lesern. Jetzt liegt das | |
| TV-Magazin wieder der ganzen Auflage bei. | |
| Tillmann will seine beiden Marken auch losgelöst vom Format Zeitschrift | |
| weiterentwickeln. Die Online-Auftritte beider Magazine wurde zuletzt | |
| aufgehübscht. CDs, Comics, Partys und Bücher könnten demnächst in | |
| Kooperation mit Zitty oder Tip produziert werden. Und 2017 soll es sogar | |
| eine Ausstellung geben: Die Jubiläen 40 Jahre Zitty und 45 Jahre Tip sollen | |
| unbedingt gefeiert werden. | |
| 20 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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