# taz.de -- Berliner Ruinen aus dem 2. Weltkrieg: „Das ist ein Großstadtaben… | |
> Die Ruinen unter den Bunkerbergen im Volkspark Friedrichshain sind | |
> verschlossen. Dietmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten hat sie | |
> erforscht. | |
Bild: Nur an wenigen Stellen im Park sieht man noch Bunkerreste. Und rein kommt… | |
taz: Herr Arnold, ich hatte mich gefragt, ob man in den Bunkerberg | |
hineinkommt, also die verbliebenen Trümmer besichtigen kann. Das Bezirksamt | |
von Friedrichshain-Kreuzberg sagte nein, hatte aber den Tipp, mit Ihnen zu | |
sprechen. Sie sind bereits 2004 das erste Mal in den ehemaligen Flakturm | |
[1][im Volkspark Friedrichshain] hineingestiegen. | |
Dietmar Arnold: Man muss sich das wie bei einer Höhlenführung vorstellen. | |
Der ehemalige Flakturm ist mit der Sprengung auseinandergebrochen und hat | |
eine komplette Schräglage bekommen. Wenn man da drinnen die Treppen | |
hochgeht oder in den Gängen herumläuft, könnte man meinen, auf einem | |
Ozeandampfer in Schräglage zu sein. Aber an den Tropfsteinen, die von der | |
Decke hängen, kann man sich orientieren, wo die Waagerechte verläuft. Schon | |
irgendwie schräg. | |
Was für ein Gefühl ist das, in einen gesprengten Turm zu steigen: Überwiegt | |
die Angst oder doch die Freude am Entdecken? | |
Letzteres sowieso. Es ist ein Großstadtabenteuer! Schon als 13-Jähriger bin | |
ich mit meinen Kumpels mit der S-Bahn von Hermsdorf zum Humboldthain im | |
Wedding gefahren, Klappspaten dabei. Wir haben uns damals in die | |
Flakturmruine im Volkspark Humboldthain hineingegraben. Das war für uns | |
ein riesiger Abenteuerspielplatz. Bis der Zustieg irgendwann so mit Beton | |
zugegossen wurde, dass wir uns nicht mehr reingraben konnten. Und | |
abenteuerlich ist es noch heute, solche Orte zu erschließen. Manchmal wird | |
es superspannend, manchmal kriegt man auch das Gruseln. | |
Weil Sie ein Skelett finden? | |
Nein, so etwas haben wir bisher nicht gefunden. | |
Aber man kann sich leicht etwas brechen? | |
Ja, wenn man im alten Flakturm im Friedrichshain an der falschen Stelle | |
entlangläuft, kann man ziemlich abstürzen. Im Humboldthain-Bunker geht es | |
teilweise sogar 25 Meter runter. Dort hat es 1982 den letzten Toten | |
gegeben: ein Student, der mit einem Feuerzeug als Beleuchtung rein ist und | |
dann in einem Treppenhaus abstürzte. | |
Ist der Bunker im Friedrichshain voll mit Trümmerschutt oder kann man sich | |
dort unten relativ frei bewegen? | |
Man kann sich dort super bewegen. Ich sag mal so: Man könnte dort | |
theoretisch Führungen anbieten. | |
Darum frage ich ja. | |
Man müsste nur einigen Aufwand betreiben. Aber was soll der Verein | |
Unterwelten mit zwei Flaktürmen? Denn der Flakturm Humboldthain ist fast | |
baugleich. Und es reicht ja, wenn man einen für Führungen hat. | |
Ist der Friedrichshainer Bunkerberg stabil genug aus Ihrer Sicht? | |
Er besteht ja aus Trümmern, die rund um die 1946 gesprengte Flakturmruine | |
aufgeschüttet wurde. Wir haben uns den von innen genau angeschaut, und ich | |
gehe davon aus, dass da nicht viel passieren kann. Außer man gräbt unten | |
etwas weg und der Rest würde dann nachrutschen. | |
2013 waren Sie noch mal im Friedrichshainer Bunker. Der Verein hatte damals | |
das Innere mit einem 3D-Verfahren vermessen. Warum? | |
Wie es im Innern des Hügels aussieht, lässt sich mit dem 3D-Messverfahren | |
am besten darstellen. Der rbb war damals übrigens mit dabei. Einer der | |
Beleuchter hat durch unsachgemäßes Verhalten eine Schuttlawine ausgelöst, | |
dadurch wurden acht Leute von uns, die eine Etage tiefer waren, faktisch | |
verschüttet. Wir haben sie dann an anderer Stelle wieder freigegraben, da | |
wir uns in den Flaktürmen und ihrer Konstruktion gut auskennen und wissen, | |
wo Kabelschächte liegen. Keinem unserer Leute ist etwas passiert. Der | |
Beleuchter aber, der sich nicht an die Sicherheitsanweisungen gehalten | |
hatte, war wirklich gefährdet. Er steckte bis zum Bauchnabel im Bauschutt | |
und musste von uns ausgegraben werden. | |
Zum Bunker im Volkspark Friedrichshain gibt es keinen Eingang. Ist denn das | |
nun ein abgeschlossenes Kapitel? | |
Wenn sich da jemand reingraben möchte, muss er wirklich richtig Ahnung von | |
der Konstruktion haben. 2004 sind wir zuerst durch einen Aufzugschacht | |
für Munition hineingekommen. Wir mussten mit einem Bagger sieben Meter tief | |
graben, so sind wir gleich ins ehemalige vierte Obergeschoss gekommen und | |
dann auch ganz nach unten in den Turm. 2013 haben wir unseren zweiten | |
Zugang richtig gut gesichert mit einer Stahlplatte und dicken Schrauben. | |
Einige Leute, auch vom Verein, würden das alles gern noch mal sehen. | |
Vielleicht wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirksamts | |
[2][auch noch mal reingucken]? | |
Ja, dass man eine Art Bauwerkskontrolle von innen macht, wäre nicht das | |
Verkehrteste. Wir hätten alle was davon. Und wir kennen die Wege, damit man | |
sich dort ohne Gefahr bewegen kann. | |
Gibt es denn kein Geheimnis mehr rund um den alten Flakturm? | |
Doch. Es gibt unter dem Friedrichshain noch einen unterirdischen Gang. Das | |
ist der alte Rohrkanal, der zum ehemaligen Leitturm rübergeht, dessen Ruine | |
unter dem zweiten Hügel liegt. Dieser Rohrkanal ging ursprünglich mal bis | |
zur Richard-Sorge-Straße zur dortigen ehemaligen Patzenhofer-Brauerei, | |
direkt in die Brauerei hinein. Das Heizkraftwerk des Krankenhauses | |
Friedrichshain wiederum hatte Rohre zur Brauerei. Die wurden dann auf der | |
anderen Seite verlängert, um die Flaktürme zu heizen. Diese Heizungskanäle | |
sind noch nicht erforscht – einer der wenigen weißen Flecken in Berlins | |
Unterwelt. Da möchte ich gern noch mal rein. | |
21 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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