# taz.de -- Beitrag der IT-Wirtschaft: Klimaretter Digitalisierung | |
> In der Digitalwirtschaft bezweifelt kaum jemand mehr, dass beim | |
> Klimaschutz schnell gehandelt werden muss. Deshalb hat sie sich | |
> zusammengetan. | |
Bild: Können Computer das Klima verbessern? | |
Nein, die Digitalwirtschaft ist nicht besonders grün. Versteht die | |
Digitalwirtschaft etwas von Skalierung, Kipppunkten und Disruption? Ja! Wir | |
haben verstanden, dass wir nach aktuellem Pfad 2050 eine 3 Grad wärmere | |
Erde haben, die für viele nicht mehr bewohnbar ist, in der Vegetationszonen | |
verschoben oder vernichtet worden sind, in der sich ein immer größerer Teil | |
der Menschheit auf der Flucht befindet, [1][Gesellschafts- und | |
Staatssysteme kippen], die Welt in ein großes Chaos stürzt. All das ist | |
heute absehbar, in einer Welt die bereits heute schon um 1,2 Grad erwärmt | |
ist. | |
Das kann nicht gut gehen. Das sagt nicht nur die Wissenschaft oder der | |
gesunde Menschenverstand, sondern auch unser rationales, unternehmerisches | |
Kalkül. In den Chefetagen der Digitalwirtschaft zweifelt daher heute kaum | |
jemand mehr, dass beim Klimaschutz schnell und entschieden gehandelt werden | |
muss. | |
Die Transformation unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft hin zu an | |
den planetarischen Grenzen ausgerichteten Ressourcennutzung, | |
Konsumverhalten und Technologieeinsatz ist nicht nur langfristig | |
zukunftsfähig, sondern rechnet sich. Jeder Euro Investition, der zum | |
Beispiel in erneuerbare Energien fließt statt in ein noch so effizientes | |
Kohle- oder Gaskraftwerk, gibt uns nicht nur saubere, sondern auch | |
inzwischen viel günstigere Energie für unsere Server, unsere Industrien und | |
unsere Wirtschaft insgesamt. Das haben auch US-Präsident Joe Biden oder die | |
chinesische Regierung bereits verstanden, die ihre Volkswirtschaften zu | |
Weltmarktführern für grüne Zukunftstechnologien machen wollen. | |
Wir in der Digitalwirtschaft haben da ein Déjà-vu. Schon bei der | |
Digitalisierung sind wir im globalen Wettbewerb gegen die USA oder auch | |
China stark ins Hintertreffen gekommen. Das darf uns bei | |
Klimaschutztechnologien nicht noch einmal passieren. Und da können wir aus | |
der Digitalwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten, | |
Klimaschutztechnologien zu skalieren, technologische Kipppunkte | |
herbeizuführen und das auf Treibhausgasemissionen basierte Energie- und | |
Wirtschaftssystem schnellstens zu disruptieren. | |
## Die Lösung heißt Dezentralisierung | |
Die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft heißt nämlich vor allem | |
Dezentralisierung. Und eine effiziente, ressourcenschonende | |
Dezentralisierung unserer komplexen Gesellschaft gelingt nur mit der | |
Digitalisierung. Die Energieerzeugung rückt näher an den Verbraucher – die | |
schwäbischen Reihenhausbesitzer produzieren von ihren eigenen Hausdächern | |
einen Großteil der Energie, die sie benötigen. | |
Der Schraubenhersteller im Sauerland nutzt die Flächen seines Gewerbedachs | |
für die Solarproduktion, und der niedersächsische Stahlproduzent bezieht | |
Strom aus dem nahegelegenen Windpark, um damit bald grünen Wasserstoff | |
herzustellen. Energie wird von Millionen kleineren und mittleren Solar-, | |
Wind-, Biomasse-, Geothermie- und Wasserkraftwerken erzeugt. Angebot und | |
Nachfrage kann durch digitale Prozesse effizient und reibungslos quer durch | |
Deutschland organisiert werden. | |
[2][Die Mobilität der Zukunft] heißt, dass man Carsharing, | |
Chauffeur-Dienstleistungen, öffentliche Verkehrsmittel, Mikromobilität wie | |
Roller oder Fahrrad intelligent kombiniert. Zunehmend stehen diese | |
Möglichkeiten auch der ländlichen Bevölkerung zur Verfügung – alles muss | |
und kann digital aufeinander abgestimmt werden. Ich weiß über mein | |
Smartphone zu jeder Tag- und Nachtzeit, welche Mobilitätsmöglichkeiten es | |
gibt. Die Digitalisierung hilft uns, dass wir nicht nur Flächen optimal | |
nutzen, sondern auch den Verkehr reduzieren, da wir Wege vermeiden und die | |
nötigen Verkehrsträger besser auslasten. | |
In einer idealen Welt verbrauchen wir auch viel weniger physische | |
Materialien und Ressourcen für den gleichen Wohlstand. Wir teilen vor | |
allem, statt zu besitzen Das gilt für Gebäude, Werkzeuge, Verkehrsträger, | |
Kleidung und anderen Gegenstände des täglichen Gebrauchs – das nennt man | |
Sharing Economy. Was wir heute noch an Ressourcen verbrauchen, sollten wir | |
weitestgehend in Kreisläufen organisieren (Kreislaufwirtschaft): Am Ende | |
einer Produktlebensdauer werden [3][Produkte repariert und in ihrer | |
Funktion erweitert] oder in ihre Einzelteile und Materialien zerlegt und | |
wiederverwendet in neuen Produkten. | |
## Kein fairer Wettbewerb für saubere Technologien | |
Abfall gibt es per Definition kaum noch, sondern vor allem abbaubare | |
biologische Rohstoffe, die digital gestützt durch bodendifferenzierte | |
Landwirtschaft flächeneffizient und ökologisch angebaut werden. Die noch | |
notwendigen nicht erneuerbaren Ressourcen verwenden wir in einer | |
geschlossenen Wertschöpfungskette dank digitaler Informationstechnologien | |
intelligent und effizient immer wieder. | |
All das kommt nicht automatisch. Für all das fordern wir klares, schnelles, | |
entschiedenes politisches Handeln, da häufig keine fairen | |
Wettbewerbsbedingungen für saubere Technologie-Optionen existieren. Die | |
Digitalwirtschaft kann zwar durch digitale Prozesse einen großen Beitrag | |
zur Dekarbonisierung unseres Landes beitragen, weiß aber auch, dass sie | |
selber nicht zu den grünsten Wirtschaftszweigen unseres Landes gehört. | |
Deshalb hat sie sich zusammengetan. Nicht nur in Deutschland, sondern auch | |
zunehmend in Europa und sogar weltweit. | |
Als „Leaders for Climate Action“ wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen | |
und die Treibhausgasemissionen unserer Unternehmen nicht nur messen, | |
sondern auch reduzieren und durch saubere Prozesse ersetzen. Fast 1.500 | |
Mitglieder aus der Digitalwirtschat haben so bislang fast 1 Million Tonnen | |
CO2 reduziert und dabei mehr als 11 Millionen Euro investiert. | |
Das ist noch nicht perfekt, aber ein Anfang. Denn wir wissen: Machen ist | |
wie Wollen, nur krasser! Wir haben den Schalter Richtung Klimaneutralität | |
umgelegt mit dem Ziel, dass viele andere nachziehen. [4][Insbesondere die | |
Politik]. Alle Parteien haben inzwischen ihre Wahlprogramme vorgelegt. Alle | |
regierungsfähigen Parteien wollen Klimaschutz. Aber Klimaschutzmaßnahmen | |
dürfen nicht irgendwann in der Zukunft liegen, sondern müssen sofort | |
umgesetzt werden. | |
Und daher müssen alle Parteien ein 100 Tage-Klimaschutz-Sofortprogramm | |
vorlegen. Das muss nicht perfekt sein, aber ambitioniert. Wir aus der | |
Wirtschaft wollen nicht mehr als Entschuldigung hören, dass Klimaschutz | |
nicht zu belastend sein darf. Unterlassener Klimaschutz belastet die | |
Wirtschaft, die Gesellschaft und ultimativ jeden von uns viel, viel mehr. | |
30 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
David Wortmann | |
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