# taz.de -- Balkanroute in Bosnien und Herzegowina: 12.000 Menschen in der Sack… | |
> Das überfüllte Lager Bira an der Grenze zu Kroatien ist dicht, doch auch | |
> das Alternativlager ist schon wieder voll. Viele harren in den Wäldern | |
> aus. | |
Bild: In der Hoffnung, in die EU zu gelangen, kommen täglich neue Menschen nac… | |
SPLIT taz | Während [1][alle Welt auf Lesbos schaut], ist es um die Lage | |
der Migranten auf der Balkanroute still geworden. Dabei stauen sich in dem | |
bosnischen nordwestlichen Kanton Una-Sana 12.000 Menschen, die nach Europa | |
wollen. Wie auf den griechischen Inseln vegetieren auch sie unter | |
unsäglichen Umständen: Es gibt wenig Essen und trotz Coronapandemie kaum | |
medizinische Betreuung. | |
Das völlig überfüllte Lager Bira in Bihać wurde am 7. September | |
geschlossen. Die vornehmlich aus Pakistan, Afghanistan und Syrien | |
stammenden Insassen sollten in andere Lager überführt werden. Doch viele | |
landeten in Wäldern und auf Wiesen im Umland. Die einheimische Bevölkerung | |
ist wie auf den griechischen Inseln auch nach anfänglicher | |
Hilfsbereitschaft überfordert und hat eine feindselige Haltung eingenommen. | |
Konnten die Migranten noch vor Jahresfrist die Hoffnung haben, von Bihać | |
aus über die in einem Gebirge liegende Grenze nach Kroatien zu gelangen, so | |
ist dieser Weg ihnen jetzt verwehrt. Die kroatische Polizei hat ihre | |
Methoden verfeinert, die Migranten aufzugreifen und zurück nach Bosnien und | |
Herzegowina zu drängen. Die brutal durchgeführten illegalen Push-backs | |
wurden durch NGOs wie Amnesty International oder Journalisten hundertfach | |
dokumentiert und bewiesen. | |
Geändert hat dies aber nichts. Brüssel und auch Berlin schweigen zu den | |
rechtswidrigen Push-backs. Die IOM (International Organisation for | |
Migration) versucht zwar, [2][alternative Flüchtlingslager in Bosnien und | |
Herzegowina aufzubauen], etwa das 30 Kilometer von Bira entfernte Lager | |
Lipa, das 3.000 Menschen aufnehmen kann. Doch auch dieses ist schon jetzt | |
hoffnungslos überfüllt. | |
## Der Winter kommt | |
Und es kommen täglich weitere Menschen an, die es von Griechenland aus über | |
Nordmazedonien, Serbien oder Montenegro geschafft haben, bis nach Bosnien | |
und Herzegowina zu gelangen und immer noch hoffen, von dort aus in die EU | |
zu kommen. Die Grenze zwischen Serbien und Bosnien und Herzegowina hat sich | |
bisher als durchlässig erwiesen. Denn der größte Teil der Grenze verläuft | |
zwischen Serbien und dem serbisch dominierten Teilstaat in Bosnien und | |
Herzegowina, der sogenannten Republika Srpska. | |
Der Serbenführer in Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, lässt keine | |
Zweifel daran, dass muslimische Migranten in seinem Herrschaftsbereich | |
nicht geduldet werden. Sie werden mit Bussen an die Grenze zur muslimisch | |
dominierten bosniakisch-kroatischen Föderation gebracht. So entstand im | |
August die absurde Situation, dass die Polizei von Bihać der | |
bosnisch-serbischen Polizei gegenüberstand und versuchte, die Abschiebung | |
der Menschen auf ihr Gebiet zu verhindern. | |
[3][Die armen Kleinstädte Bihać] und Velika Kladusa, die sich selbst erst | |
vom Krieg der 1990er Jahre erholt hatten, müssen nun die | |
EU-Migrationspolitik ausbaden. Bald kommt der [4][in der Region kalte | |
Winter]. Die Lage wird noch dramatischer werden, warnt Peter Van der | |
Auweraert, Chef des IOM in Bosnien. | |
23 Sep 2020 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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