# taz.de -- Lokalwahlen in Bosnien und Herzegowina: Schlappe für die Nationali… | |
> In Sarajevo verliert die Regierungspartei SDA Stadtteile an ein | |
> linksliberales Bündnis. Es gibt Hoffnung auf einen grundsätzlichen | |
> Politikwechsel. | |
Bild: Stimmabgabe in einem Wahllokal in Sarajevo am Sonntag | |
SARAJEVO taz | Gemeindewahlen haben in normalen Staaten kaum eine Bedeutung | |
für die Gesamtpolitik. [1][In Bosnien und Herzegowina ist dies aber | |
anders]. Die sich abzeichnenden Gewinne für die nichtnationalistischen | |
Parteien und der Opposition in den großen Städten, vor allem in Sarajevo | |
und in Banja Luka, geben sogar Hoffnung auf einen grundsätzlichen | |
Politikwechsel. | |
[2][Sarajevo] ist jetzt auch politisch wieder eine multinationale Stadt, | |
frohlocken die Wahlsieger. Hervorzuheben ist der Sieg des Serben Srđan | |
Mandić von der nichtnationalistischen Partei Naša stranka (Unsere Partei) | |
in dem wichtigen Wahlbezirk Zentrum. Der 1972 geborene Mandić verteidigte | |
während des Kriegs die Stadt gegen die serbischen Nationalisten und gehört | |
zu jenen, die immer an das multinationale Bosnien glaubten. | |
Fast zu Tränen gerührt erklärte er noch in der Wahlnacht: „Heute erfüllt | |
sich ein Traum.“ Denn der Serbe wurde vor allem von Bosniaken (Muslimen) | |
gewählt und das gegen einen ehemaligen General, der für die | |
nationalistische muslimische Nationalpartei SDA (Partei der demokratischen | |
Aktion) angetreten war. | |
„Debakel für die SDA in Sarajevo“, titelte am Montag die größte Zeitung … | |
Landes, Dnevni avaz. Sogar in ihrer Hochburg Ilidža verlor die Partei gegen | |
einen Newcomer aus der Parteienkoalition Četvorka“, der vier Parteien | |
angehören: die neue Partei „Volk und Wahrheit“, die Naša stranka, die | |
Sozialdemokraten (SDP) und die „Unabhängige bosnisch-herzegowinische Liste“ | |
(NBL). | |
## Durch Bosnien weht ein frischer Wind | |
Die Niederlage der muslimischen Nationalpartei SDA könnte für sie sogar | |
vernichtend sein, denn ohne Sarajevo verliert die Partei überall an | |
Gewicht. Ihr Parteichef Bakir Izetbegovic erklärte vor der Presse zwar in | |
der Wahlnacht trotzig, SDA habe Sarajevo verloren, sei aber stärkste Kraft | |
in Bosnien geblieben. Was aber niemanden so recht überzeugen konnte. | |
Parallelen zeigen sich zu dem serbischen „starken Mann“ Milorad Dodik, | |
dessen Partei mit dem irreführenden Namen SNSD (Unabhängige | |
Sozialdemokraten) in Banja Luka, der Hauptstadt der serbischen | |
Teilrepublik, eine empfindliche Schlappe einstecken musste. Denn der 1993 | |
geborene junge Gegenkandidat Draško Stanivuković, der für die Liberalen PDP | |
angetreten ist, setzte sich recht komfortabel durch. | |
Die Opposition stellt auch den neuen Bürgermeister in der zweitgrößten | |
Stadt der serbischen Teilrepublik Bijeljina. Die Opposition wirft zudem der | |
regierenden SNSD vor, Wahlbetrug in Städten wie Doboj und anderen Gemeinden | |
begangen zu haben. In Srebrenica ist die Lage noch unklar, beide Seiten, | |
Bosniaken und Serben, behaupten, die Wahlen gewonnen zu haben. | |
Dodik erweist sich wie sein Vorbild Trump als schlechter Verlierer. Am | |
Montagabend erklärte er, alles Geld für die Gemeinden zu stoppen, die gegen | |
seine Partei gestimmt haben. Drasko Stanivukovic konterte sogleich und | |
bezeichnete das Verhalten Dodiks als „Angstreaktion“. Er werde Fachleute in | |
die Stadtverwaltung berufen, die „den Bürgern dienen werde.“ Dodik hat | |
Angst, dass die Korruption seines Regimes aufgezeigt werden kann. | |
Unangefochten bleibt in den ländlich geprägten Kroatengebieten der | |
Westherzegowina die Nationalistenpartei HDZ unter Dragan Čović, dem es mit | |
nationalistischer Rhetorik gelungen ist, seine Schäfchen wie in „einem | |
Einparteienstaat“ (so das kroatische Newsportal Index) zusammenzuhalten. | |
## „Kriminelle herrschende Parteien“ haben in Städten verloren | |
Spannung versprechen die Wahlen in der zwischen Bosniaken und Kroaten | |
geteilten Stadt Mostar am 20. Dezember, wo erstmals seit zwölf Jahren | |
gewählt werden darf. Zumindest im bosniakisch-muslimischen Ostteil | |
rechnet sich die jetzt in Sarajevo siegende Koalition Chancen aus, zu | |
gewinnen. | |
Seit Sonntag weht ein frischer Wind durch Bosnien. Die „kriminellen | |
herrschenden Parteien“ (Index) haben in allen größeren Städten verloren. | |
Den serbischen Nationalisten wird zudem ein Vorschlag aus der Koalition in | |
Sarajevo gar nicht schmecken: Der altehrwürdige bosnisch-serbische | |
Politiker Bogić Bogićević, einstmals vor dem Krieg Vertreter | |
Bosnien-Herzegowinas im Jugoslawischen Staatspräsidium, soll Bürgermeister | |
Sarajevos werden. Wie können sie dann weiter Hass auf Sarajevo schüren? | |
17 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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