# taz.de -- Bürgermeisteramt in Sarajevo: Bogićević kandidiert doch nicht | |
> Nach Uneinigkeiten im Parteibündnis Četvorka zog der Serbe Bogić | |
> Bogićević seine Bürgermeisterkandidatur für Sarajevo zurück. Ein Porträ… | |
Bild: Bogić Bogićević wäre nicht nur Bürgermeister, sondern auch Symbolfig… | |
BELGRAD taz | Eigentlich sollte der 1953 in dem bosnischen Städtchen | |
Ugljevik geborene Bogić Bogićević jetzt auf dem Sessel des Bürgermeisters | |
von Sarajevo sitzen. Nach den Kommunalwahlen vom November 2020 hatte sich | |
die Nichtnationalistische Parteienkoalition Četvorka gegen die muslimische | |
Nationalpartei SDA durchgesetzt. Und der Vorschlag, den Serben Bogić | |
Bogićević in einer von mehr als 80 Prozent Bosniaken, also Muslimen, | |
bewohnten Stadt zum Bürgermeister zu wählen, war elektrisierend. | |
Ein Serbe als Repräsentant der Stadt hätte an die multinationale Tradition | |
des Landes Bosnien und Herzegowina angeknüpft, hätte all jenen Kräften | |
Auftrieb gegeben, die für ein modernes, demokratisches und europäisches | |
Bosnien eintreten. | |
Der Mann wäre nicht nur Bürgermeister, sondern auch Symbolfigur gewesen: Er | |
war nämlich von 1989 bis 1992 der Vertreter Bosnien-Herzegowinas im | |
jugoslawischen Staatspräsidium. In dieser Funktion stimmte er zum Entsetzen | |
der serbischen Nationalisten mit Slowenien, Kroatien und Mazedonien gegen | |
den vom serbischen Parteichef und Präsidenten Slobodan Milošević | |
geschaffenen proserbischen Block aus Serbien und Montenegro. Damit war im | |
höchsten Gremium Jugoslawiens ein Patt entstanden. Sein Ausspruch, „Ich bin | |
Serbe, aber nicht von Beruf“, machte ihn auch international bekannt. | |
## Dreieinhalb Jahre im eingeschlossenen Sarajevo | |
Er blieb während des Krieges, als Sarajevo dreieinhalb Jahre von serbischen | |
Truppen umzingelt und beschossen wurde, in der Stadt und gehörte zu jenen | |
Persönlichkeiten und Intellektuellen, die ihre Stimme gegen jede Art von | |
nationalistischer Diskriminierung erhoben. | |
Als nach dem Krieg die muslimische Nationalpartei SDA regierte, als | |
Vetternwirtschaft und Korruption wie in den von serbischen und kroatischen | |
Nationalisten beherrschten Gebieten auch in Sarajevo um sich griffen, | |
schloss er sich den Sozialdemokraten an, wurde ihr Vizevorsitzender, | |
Mitglied des Parlaments von Bosnien und Herzegowina (2000–2002). Doch hatte | |
in den bosniakischen Gebieten die muslimische SDA das Sagen, bis auf die | |
Städte Tuzla, Bihać, Zenica und Teilen Sarajevos. | |
Seit einigen Jahren aber bröckelte das [1][Ansehen der SDA-Partei], mehrere | |
Kleinparteien bildeten sich, die Narod i Pravda (Volk und Wahrheit) | |
entwickelte sich in manchen Region zur ernsthaften Konkurrenz. Diese | |
Parteien bildeten zusammen mit Sozialdemokraten und der linksliberalen Naša | |
stranka (Unsere Partei) das Četvorka-Viererbündnis. Gleich nach dem | |
Wahlsieg am 20. November 2020 gab Bogićević bekannt, dass er bereit sei, | |
als Bürgermeisterkandidat in Sarajevo anzutreten. | |
Doch im Hintergrund zog die SDA die Fäden, die vierte Partei um Hadžibajrić | |
sprang ab. Die Mehrheit wackelte, offenbar wurden Abgeordnete gekauft. Am | |
24. März 2021 zog Bogićević seine Kandidatur zurück. Er wollte nicht in ein | |
so schmutziges Spiel hineingezogen werden. Die Öffentlichkeit in Sarajevo | |
ist tief enttäuscht, am Montag fuhren Tausende Autofahrer protestierend | |
durch die Stadt. | |
31 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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