# taz.de -- Engagement für Menschen auf der Flucht: Praktisch und politisch | |
> Entlang der Balkanroute unterstützt die Kölner Aktivistin Christin | |
> Stühlen Menschen auf der Flucht. Eine „Helferin“ aber will sie nicht | |
> sein. | |
Bild: Von der Gastwirtschaft in die Fluchthilfe: Christin Stühlen | |
Christin Stühlen sorgt für das tägliche Brot der Menschen, die sich auf der | |
Balkanroute auf der [1][Flucht] befinden. Eine „Helferin“ aber will sie | |
nicht sein. „Helfen“, das beinhalte eine ungute Asymmetrie zwischen passiv | |
Leidenden und Helfenden, erklärt die Kölnerin mit einer ruhigen, rauen | |
Stimme am Telefon. | |
Wenn die Initiative [2][Balkanbrücke], in der Stühlen sich engagiert, auch | |
praktische Unterstützung für auf der Flucht in Bosnien gestrandete Menschen | |
leistet – Christin Stühlens Ziele sind politisch. | |
Dass Innenminister Seehofer Ende Juli in Wien Abschiebungen und verstärkte | |
Grenzsicherung als Antwort auf die Elendssituation an der sogenannten | |
Balkanroute präsentierte, ist für Stühlen inakzeptabel. | |
„Während der deutschen Ratspräsidentschaft sollte endlich Verantwortung für | |
die Einhaltung von Menschenrechten an den EU-Außengrenzen übernommen | |
werden“, fordert die Studentin der Friedens- und Konfliktforschung. Und: | |
„Die Kriminalisierung der zivilgesellschaftlichen Unterstützung muss | |
aufhören.“ | |
## Prozess der Entmenschlichung | |
Stühlen ist auch in der [3][Seebrückenbewegung] aktiv, seit Anfang des | |
Jahres konzentriert sich die Aktivistin aber auf die oft übersehene | |
Verelendung von Menschen an der bosnisch-kroatischen Grenze. Den Februar | |
verbrachte sie in Velika Kladuša, wo Tausende auf Einlass in die EU warten. | |
„Im Mittelmeer ertrinken die Menschen“, sagt die 27-Jährige. „In Bosnien | |
aber sehen wir einen langsamen Prozess der Ent-menschlichung. Bis dahin, | |
dass sich die Leute nur noch als Migrant*innen, nicht mehr als Menschen | |
begreifen.“ | |
Die Lager seien überfüllt, die in Zelten Lebenden litten unter Hitze oder | |
Frost, die Versorgung mit Lebensmitteln sei nicht gewährleistet und die | |
kroatische Grenzpolizei gewalttätig. | |
„Unsere Aufgabe ist, diese Situation öffentlich zu machen und zu | |
unterstützen, wo die Menschen auf der Flucht und die lokalen | |
Unterstützer*innen das möchten.“ Dafür werben einige in der | |
Balkanbrücke um Geld, Christin Stühlen wiederum organisiert im | |
Vouchers4Food-Projekt Nahrungsmittelmarken für die umliegenden Supermärkte. | |
## „Das kann ich, da kann ich anpacken“ | |
In einer größeren Organisation der humanitären Hilfe zu arbeiten, wie sie | |
das einmal wollte, ist nach ihren Erfahrungen in Bosnien und im „Dschungel“ | |
der französischen Grenzstadt Calais keine Option mehr für Stühlen. | |
„Man tut, als würde man helfen. Aber den Wohnort zu wechseln ist schlicht | |
ein Recht, das jeder hat, und das verteidigen die nicht.“ Dass sie durch | |
ihr Engagement zwar neue Sprachen lernt, aber keine Münze macht, nimmt | |
Stühlen in Kauf. | |
„Ich möchte eine Arbeit machen, die mir wichtig ist, und das vom Geld eher | |
getrennt halten. Ich werde nebenbei in der Wissenschaft oder weiter in der | |
Gastronomie arbeiten.“ Ihre lange Erfahrung in der Gastwirtschaft war auch | |
der Einstieg in den Aktivismus. „Im Lager von Calais gibt es eine offene | |
Küche und ich dachte: das kann ich, da kann ich anpacken.“ | |
7 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Flucht/!t5201005 | |
[2] https://balkanbrueckesupports.org/ | |
[3] /Seenotrettung/!t5010374 | |
## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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