# taz.de -- Ausfälle bei der U-Bahn: Auf der Schiene knirscht's gewaltig | |
> Neue Zahlen der BVG belegen die massiven Probleme im U-Bahn-Betrieb, vor | |
> allem auf zwei Linien. Die Lösung liegt weitgehend beim Hersteller neuer | |
> Züge. | |
Bild: Alte Wagen, volle Wagen: Eine U-Bahn-Fahrt ist derzeit oft mit Qualen ver… | |
Berlin taz | Im U-Bahn-Betrieb der BVG läuft schon seit geraumer Zeit wenig | |
rund – besonders knirscht es allerdings auf der U1 und der U3. Das geht aus | |
der [1][Antwort der Senatsverkehrsverwaltung] auf eine Anfrage der | |
Grünen-Abgeordneten Antje Kapek hervor, in der auf Statistiken der | |
Verkehrsbetriebe verwiesen wird. Demnach ist die Erfüllungsquote der | |
sogenannten Regelkapazität auf den beiden teils streckengleichen Linien | |
tief im Keller: Im Monat Mai erreichte sie den Negativrekord von 18 | |
Prozent, im August waren es auch nur 22 Prozent. | |
Die U3 erzielte im Juli das schlechteste Ergebnis mit 32 Prozent, im August | |
waren es dann immerhin wieder 58 Prozent. Die Regelkapazität gibt die für | |
jede Linie vorgesehene Zahl an Fahrgästen pro Stunde und Richtung während | |
der Hauptverkehrszeit an, sie wird aus dem Takt der Bahnen und den | |
eingesetzten Zuglängen errechnet. Zum Vergleich: Auf den U-Bahnlinien des | |
sogenannten Großprofils (U5 bis U9) gibt die BVG Erfüllungsquoten an, die | |
in diesem Jahr immer um die 99 Prozent schwanken. | |
Während die Schöneberger Mini-Linie U4 eine stolze Quote von 100 Prozent | |
erzielt, schwächelt auch die vierte Linie im Kleinprofil, die U2 – wenn | |
auch weit weniger dramatisch. Im August kam sie auf 93 Prozent, am | |
schlechtesten sah in den vergangenen 12 Monaten im April mit 91 Prozent | |
aus. [2][Die Realität hinter den Zahlen] ist den NutzerInnen nur zu gut | |
bekannt: Lange Wartezeiten auf den Bahnhöfen, und wenn die Bahn endlich | |
einfährt, ist sie schon übervoll. | |
Dabei sieht die Pünktlichkeitsstatistik der U-Bahn, die Kapek ebenfalls | |
abgefragt hat, auf den ersten Blick wenig dramatisch aus. Bei der U1 und | |
der U3 schwankt sie seit Längerem zwischen 94 und 97 Prozent, während alle | |
anderen Linien Werte um die 99 Prozent einfahren. Allerdings heißt das noch | |
lange nicht, dass sich die Züge an den Fahrplan halten: Für die Statistik | |
gilt eine U-Bahn als pünktlich, solange ihre Verspätung nicht mehr als | |
dreieinhalb Minuten beträgt. | |
## „Ohrfeige“ für die NutzerInnen | |
Für Kapek, verkehrspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, belegen die Zahlen | |
erneut die „harte BVG-Krise, die voll zulasten der Fahrgäste geht“. Dass | |
Schwarz-Rot „zum katastrophalen Ist-Zustand jetzt auch noch massive | |
Kürzungen der Verkehrsverträge vorbereitet“, sei eine Ohrfeige für die | |
ÖPNV-NutzerInnen. „Die dramatische Abwärtsspirale wird durch die | |
angekündigten Kürzungen die Krise erst recht verschärfen“, so Kapek. | |
Gabi Jung, Geschäftsführerin des BUND Berlin, schlägt in dieselbe Kerbe: | |
„Man kann sich auf die U-Bahn nicht mehr verlassen.“ Beabsichtigte | |
Mittelkürzungen durch den Senat würden die Situation künftig noch | |
verschärfen, die Verkehrswende könne so nicht gelingen. Gleichzeitig stecke | |
die Landesregierung viel Geld in „eine unsinnige | |
Verkehrssicherheitskampagne und ein kontraproduktives 29-Euro-Ticket“ und | |
schreibe Machbarkeitsstudien für Verlängerungen der U2 und der U9 aus. | |
Die Verkehrsbetriebe selbst haben schon vor einigen Wochen [3][die Signale | |
auf Selbstkritik umgestellt]: Ende September war in einer Mitteilung des | |
Unternehmens von „ungeplanten Ausfällen in größerem Ausmaß“ bei der U-B… | |
und vom „verständlichem Ärgernis der unzureichenden Fahrgastinformationen“ | |
die Rede – man sei dabei, dies „schonungslos zu analysieren und | |
auszuwerten“. Auch das zusätzliche Problem eines „sehr hohen“ Krankensta… | |
beim Personal gehe man an, unter anderem durch Rücknahme von | |
„Dienstplananpassungen“, die bei den Beschäftigten für Kritik gesorgt | |
hatten. | |
Das größte Problem der BVG ist allerdings, dass sich die Lieferung neuer | |
Bahnen durch den Hersteller Stadler massiv verzögert. Das hat dramatische | |
Auswirkungen, weil der Fuhrpark stark überaltert ist. Eigentlich hätte der | |
Schweizer Konzern, der die neuen U-Bahn-Reihen J und JK („K“ steht für | |
„Kleinprofil“) in einem Pankower Werk produziert, schon 2022 mit der | |
Auslieferung beginnen sollen. Der Rahmenvertrag mit der BVG sieht die | |
Bereitstellung von bis zu 1.500 Wagen im Wert von 3 Milliarden Euro vor – | |
der größte Auftrag, den die Berliner Verkehrsbetriebe jemals vergeben | |
haben. | |
## 100 Wagen sind schon fertig | |
Zuletzt war der geplante Start der Auslieferung im laufenden Jahr gekippt | |
worden. Gegenüber der taz versicherte die BVG vor Kurzem, die ersten Wagen | |
seien „voraussichtlich“ 2025 einsatzbereit. Zu den Gründen schweigen sich | |
Hersteller und Bestellerin weitgehend aus. [4][Nach Informationen des nd] | |
sollen im Pankower Werk schon rund 100 fertige U-Bahn-Wagen stehen, die | |
allerdings aufgrund von Problemen mit der Zug-Software nicht betriebsbereit | |
seien. Das Blatt zitiert den Deutschlandchef von Stadler Rail mit dem Satz | |
„Es ist kompliziert.“ | |
Die Zürcher [5][NZZ wiederum zitiert Stadler] mit einem Verweis auf | |
Probleme, die sich durch die Pandemiejahre ergeben hätten: „Die neue U-Bahn | |
ist leider ein echtes Corona-Kind.“ Demnach hätten sich die Ingenieure | |
wegen der Arbeit im Home-Office nicht gut austauschen können, und dann sei | |
es auch noch durch den Ukrainekrieg zu Lieferengpässen bei Komponenten | |
gekommen. | |
Immerhin glaubt man bei dem Schweizer Konzern, der sich im Rahmen der | |
Vergabe [6][mit einer Beschwerde des französischen Konkurrenten Alstom | |
herumschlagen] musste, fest an die eigenen Fähigkeiten: „Stadler hat sich | |
mit dem BVG-Auftrag nicht übernommen“, zitiert die Zeitung das Unternehmen. | |
6 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://berlin.us19.list-manage.com/track/click?u=23badfa9a1d538939494ea407… | |
[2] /Berlin-aus-dem-Takt/!6034321 | |
[3] /Berliner-Verkehrsbetriebe-in-der-Krise/!6039189 | |
[4] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185620.stadler-rail-krise-in-berlin-bvg-… | |
[5] https://www.nzz.ch/wirtschaft/stadler-rail-neue-wagen-fuer-die-berliner-u-b… | |
[6] /Prozess-um-Grossauftrag-der-BVG/!5642394 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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