# taz.de -- Auf Konversionsfläche in Brandenburg: Kahlschlag für Sonnenenergie | |
> In Bad Freienwalde will ein Investor 370 Hektar Mischwald roden. Dort | |
> soll eine Photovoltaik-Anlage entstehen, für die es Garantievergütungen | |
> gäbe. | |
Bild: Als Konversionsfläche hat das Gebiet keinen besonderen Naturschutzstatus… | |
FREIBURG taz | An solche Projekte dachte vermutlich niemand, als man in | |
Deutschland [1][die Energiewende] ausrief: In Hohensaaten, einem Stadtteil | |
von Bad Freienwalde in Brandenburg, will ein Investor 370 Hektar Wald | |
roden, um auf bis zu 250 Hektar eine etwa 200 Megawatt große | |
Photovoltaikanlage (PV) zu errichten. Der Rest der Fläche soll zum | |
Industrie- und Gewerbegebiet werden. | |
Dass so ein [2][Tausch Natur gegen erneuerbare Energien] an dieser Stelle | |
tatsächlich möglich sein könnte, liegt daran, dass das Waldgebiet an der | |
polnischen Grenze formal als Konversionsfläche gilt. Schon in der NS-Zeit | |
wurde das Areal militärisch genutzt, dann übernahm in der DDR die Nationale | |
Volksarmee die Flächen, ehe im Zuge der deutschen Wiedervereinigung die | |
Bundeswehr Eigentümerin wurde. Diese verkaufte den bis zuletzt wenig | |
bewirtschafteten Mischwald zwischenzeitlich an Privateigentümer. | |
Für all jene, die das Biotop erhalten wollen, ist das eine denkbar | |
ungünstige Konstellation. Denn nur weil die Fläche formal als | |
„benachteiligtes“ Konversionsgebiet gilt, fällt sie in die sogenannte | |
Gebietskulisse des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Und das ermöglicht es, | |
mit der Anlage Garantievergütungen nach EEG für den Strom zu bekommen. | |
Weil das ganze Gelände eingezäunt ist, haben zugleich die Menschen vor Ort | |
wenig Bezug zu dem Wald, was die politische Arbeit für dessen Erhalt | |
erschwert. Wäre die Waldung [3][als Naherholungsgebiet im Bewusstsein der | |
Menschen verankert, wäre deren Wert offenkundiger]. | |
## Isolation half Artenvielfalt | |
Zugleich haben [4][die Absperrungen wiederum mit dazu beigetragen, dass | |
sich in dem Mischwald mit seinen Eichen, Buchen, Linden und Kastanien eine | |
hohe Artenvielfalt entwickeln] konnte. Heute leben dort laut der | |
Bürgerinitiative Pro Wald Hohensaaten „bedrohte Arten wie Uhu, | |
Schwarzstorch oder Seeadler und weitere, die sonst kaum noch ein so großes, | |
zusammenhängendes Gebiet als Heimat finden können“. In unterirdischen | |
Schächten, die einen Teil des Waldes durchziehen, wohnen Fledermäuse. Einen | |
formalen naturschutzrechtlichen Status hat das Areal als Konversionsfläche | |
aber nicht. | |
Da der Zugang zu dem Gebiet selbst für Naturschützer nur bedingt möglich | |
ist, habe man auch Infrarotaufnahmen aus der Luft ausgewertet, sagt Martin | |
Gemeinholzer von der Bürgerinitiative. Er berichtet von mehr als 30 | |
Baumarten, die in dem Wald nachgewiesen wurden – während der Investor von | |
einer Kiefernmonokultur spricht. Neben der Artenvielfalt hebt die | |
Bürgerinitiative zudem die Bedeutung der Naturfläche für das Lokalklima | |
hervor – der Wert des Waldes sei „als Wasserspeicher und Kühlungselement“ | |
in dieser trockenen Region „schlichtweg unermesslich“. Umweltverbände in | |
Brandenburg, wie der Nabu und der BUND, lehnen das PV-Projekt daher | |
vollumfänglich ab. | |
Der Investor, die Lindhorst-Gruppe aus Winsen an der Aller, spricht | |
unterdessen von einem „energiepolitisch wichtigen Projekt“, das „die | |
Entwicklung der Region signifikant voranbringen, Arbeitsplätze schaffen, | |
die Werte von Immobilien steigern, das Steueraufkommen auch für Hohensaaten | |
verbessern und jedem Bewohner günstigeren grünen Strom zur Verfügung | |
stellen“ werde. | |
## Wachsende Skepsis | |
Angesichts dieser vielfältigen Versprechen gab es in der | |
Stadtverordnetenversammlung von Bad Freienwalde bislang eine Mehrheit für | |
das Projekt. Aber zwischenzeitlich kämen viele Bürger durch die aufkommende | |
öffentliche Debatte und die Informationsarbeit der Umweltverbände ins | |
Grübeln, beobachtet Björn Ellner, Vorsitzender des Nabu Brandenburg. So | |
wandle sich die Stimmung vor Ort langsam. Vor allem habe es Empörung | |
gegeben, als der Investor auch noch Pläne zum ergänzenden Bau von | |
Windrädern auf derselben Fläche vorstellte – die er nach dem Protest aber | |
schnell wieder kassierte. Ein wenig will das Unternehmen nun wohl auch die | |
PV-Anlage abspecken, von 250 auf 200 Hektar. | |
Im Moment warten alle Beteiligten auf die Vorlage des | |
Artenschutzfachbeitrags, [5][ein Gutachten, das ein wichtiger Bestandteil | |
von Planungsprojekten ist] und die Auswirkungen auf die Tier- und | |
Pflanzenwelt am betreffenden Standort bewertet. Dass dieses Gutachten sich | |
bereits verzögert, werten Naturschützer als mögliches Indiz dafür, dass | |
darin Dinge stehen werden, die dem Investor nicht ganz gelegen kommen. Eine | |
Anfrage der taz dazu ließ die Lindhorst-Gruppe unbeantwortet. | |
31 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
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