# taz.de -- Atomwaffenkonferenz in New York: Wachsende Bedrohung | |
> Bei einer Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag warnen Politiker und | |
> Diplomaten vor nuklearer Eskalation. Abrüstung scheint in weiter Ferne. | |
Bild: Wollte einst Deutschland atomwaffenfrei machen: Außenministerin Annalena… | |
NEW YORK taz | „Bislang haben wir Glück gehabt“, mahnt António Guterres, | |
„aber eine einzige Fehlkalkulation genügt, um die nukleare Vernichtung | |
auszulösen“. Der UN-Generalsekretär fügt hinzu, dass die atomaren Gefahren | |
heute so groß sind wie auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs. Ein paar Redner | |
nach ihm erklärt Josaia Bainimarama, der Premierminister von Fidschi, der | |
auch für die pazifischen Inselstaaten spricht, die ihre Region zu einer | |
atomwaffenfreien Zone erklärt haben: „Wir können es uns nicht erlauben, | |
ohne ein Abschlussdokument auseinanderzugehen.“ | |
Doch trotz solcher Mahnungen ist beim Auftakt des New Yorker Treffens keine | |
Aufbruchstimmung zu spüren. Politiker und Diplomaten aus den 191 | |
Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags und der UN sind am Montag | |
in New York zusammengekommen, um zu prüfen, wie der aktuelle Stand der | |
Einhaltung des 52 Jahre alten Vertrags ist und welche Möglichkeiten es | |
gibt, ihn zu verbessern. Es ist eine Routineversammlung, wie der 1970 in | |
Kraft getretene Vertrag sie alle fünf Jahre vorsieht. Eigentlich wäre sie | |
schon 2020 fällig gewesen. Aber wegen der Pandemie musste sie verschoben | |
werden. | |
In der Zwischenzeit hat der russische Angriff auf die Ukraine die Aussicht | |
auf Erfolg radikal geschrumpft und die [1][Forderung nach nuklearer | |
Abrüstung] verdrängt. Nicht einmal alle Nicht-Atomwaffenländer verlangen | |
jetzt noch danach. Neuseeland, das in der Person von Phil Twyford einen | |
„Abrüstungsminister“ hat, erhebt weiterhin diese Forderung. Aber die | |
Atommächte und viele andere konzentrieren sich auf Schuldvorwürfe, machen | |
Russland, China, Iran und Nordkorea dafür verantwortlich, dass es nicht | |
geht. Und dämpfen jede Hoffnung auf ein Ergebnis der auf vier Wochen | |
angesetzten Konferenz. | |
In ähnlich klingenden Erklärungen werfen Großbritannien, Frankreich und die | |
USA in New York Moskau eine gefährliche „atomare Rhetorik“ vor. | |
US-Außenminister Antony Blinken spricht von „russischem Säbelrasseln“ und | |
wirft Moskau einen „schamlosen Angriff auf das Völkerrecht“ vor. Im | |
Gegensatz dazu würden die USA, so Blinken, ihre Atomwaffen „nur zur | |
Abschreckung von Attacken gegen uns und unsere Alliierten“ benutzen. | |
## Außenministerin Baerbock klagt Russland und China an | |
Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sieht einen Wendepunkt, | |
für den sie Moskau verantwortlich macht: „Ein ständiges Mitglied des | |
Weltsicherheitsrates verletzt auf eklatante Weise die UN-Charta, versucht, | |
einen kleineren Nachbarn zu unterwerfen und attackiert ein Land, das seine | |
Atomwaffen aufgegeben hat“. | |
Davon, Deutschland atomwaffenfrei zu machen, wie es ihre Partei noch im | |
zurückliegenden Wahlkampf vorgeschlagen hat, ist keine Rede mehr. In New | |
York spricht Baerbock statt von der Abschaffung der Atomwaffen von der | |
nötigen „Transparenz“, von „krisensicherer Kommunikation“ und von | |
„Erneuerung des Dialogs“. | |
Das Ziel der Abrüstung müsse zwar weiter verfolgt werden. Aber das könne | |
nur gelingen, wenn alle Atommächte „glaubhafte Schritte“ unternähmen. Die | |
Grünenpolitikerin: „Russland macht das Gegenteil. Chinas Arsenale wachsen.“ | |
An diesem ersten Verhandlungstag spricht in New York niemand aus Moskau. | |
Aber Wladimir Putin, der die Atomkräfte seines Landes nach Kriegsbeginn in | |
der Ukraine in Alarmbereitschaft versetzt hat, schreibt auf der Webseite | |
des Kreml, dass es bei einem Atomkrieg keine Sieger geben kann. Putin | |
versichert, dass von Russland kein nuklearer Erstschlag ausgehen werde. | |
## Die vier inoffiziellen Atomwaffenstaaten bleiben außen vor | |
[2][Mindestens 13.000 Atomwaffen] lagern einsatzbereit in verschiedenen | |
Arsenalen weltweit. Die meisten davon in den USA und in Russland. | |
UN-Generalsekretär Guterres spricht von einer „falschen Sicherheit von | |
Weltuntergangswaffen“. Und von einer „gesicherten gegenseitigen Zerstörung, | |
die keine Garantie für Frieden ist“. | |
Fidschis Premierminister erinnert an die „Mütter missgebildeter Säuglinge“ | |
und die Inselbewohner im Pazifik, darunter sein eigener Vater, die unter | |
den Atomtests gelitten haben und „schon viel zu lange warten“. | |
Vier Wochen haben die Versammelten jetzt Zeit, sich anzunähern. Alle 191 | |
Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrages können an den Beratungen | |
teilnehmen. Sowohl jene Mehrheit der Staaten, die keine Atomwaffen | |
besitzen, als auch die fünf Weltsicherheitsratsmitglieder, die offiziell | |
als einzige Atomwaffen haben: China, Frankreich, Großbritannien, Russland | |
und die USA. Außen vor bleiben lediglich die vier Staaten, die zwar | |
Atomwaffen haben, das aber nicht zugeben und den Vertrag entweder nicht | |
unterzeichnet haben oder davon zurückgetreten sind: Indien, Israel, | |
Nordkorea und Pakistan. | |
Ein Hauch von Optimismus kommt zum Auftakt des Treffens aus Teheran. Dort | |
erklärt ein Sprecher des Außenministeriums, dass ein Kompromissentwurf der | |
EU aus der vergangenen Woche eine Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015 | |
möglich erscheinen lässt. | |
2 Aug 2022 | |
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[1] /Stockholm-Initiative-zu-Atomwaffen/!5780480 | |
[2] /Bericht-des-Stockholmer-Sipri-Instituts/!5857853 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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