| # taz.de -- Atomkongress in Ruanda: Russland träumt nuklear in Afrika | |
| > Beim afrikanischen Atomkongress werben Nuklearunternehmen für mehr AKWs | |
| > auf dem Kontinent. Ganz vorne mit dabei: der russische Staatskonzern | |
| > Rosatom. | |
| Bild: Das Pelindaba Nuklearforschungszentrum in Südafrika | |
| Kampala taz | In Ruandas Hauptstadt Kigali findet der erste afrikanische | |
| Innovationsgipfel zum Thema Nuklearenergie statt. Unter dem Motto „600 | |
| Millionen Afrikaner haben keinen Zugang zu Strom“ preisen die Veranstalter | |
| die Atomenergie „mit ihren minimalen CO2-Emissionen und zunehmend | |
| wettbewerbsfähigen Kosten“ als praktikable Option. | |
| Diskutiert werden vor allem die Möglichkeiten, mithilfe von sogenannten | |
| Small Modular Reactors (SMRs) und Mikroreaktoren (MMRs) die Energiewende | |
| auf dem Kontinent zu beschleunigen, [1][wie es in der Ankündigung heißt]. | |
| SMRs und MMRs sind kleinere Reaktoren, die aus vorgefertigten Teilen | |
| zusammengesetzt werden. Sie enthalten weniger Brennstoff und produzieren | |
| weniger Energie als große AKWs. Von den Herstellern werden sie als sicherer | |
| gepriesen. | |
| Ein [2][Gutachten im Auftrag des deutschen Bundesamts für die Sicherheit | |
| der nuklearen Entsorgung] (BASE) kam jedoch zum Schluss, dass „die hohe | |
| Anzahl an Reaktoren, die für die gleiche Produktionsmenge an elektrischer | |
| Leistung notwendig ist, das Risiko jedoch wiederum um ein Vielfaches | |
| erhöht“. | |
| ## Weltbank vergibt neuerdings Kredite für AKWs | |
| Energie- und Infrastrukturminister aus zahlreichen afrikanischen Ländern, | |
| Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der | |
| UNO-Wirtschaftskommission für Afrika und des Nuklearverbandes (NEA) waren | |
| nach Kigali gereist. Selbst der Premierminister von Niger war anwesend, wo | |
| eine der größten Uran-Reserven Afrikas in der Erde schlummert. | |
| Es gebe einen neuen „globalen Trend“ hin zur Nuklearenergie, so Rafael | |
| Mariano Grossi, Vorsitzender der IAEA, in seiner Eröffnungsrede in Kigali: | |
| „Für viele Jahre war die Investition in Nuklearenergie keine Option.“ | |
| Der Grund dafür war in erster Linie das fehlende Geld, so Grossi. „Bislang | |
| waren alle Türen fest verschlossen für die Option, dass internationale | |
| Finanzinstitutionen in Nuklearprojekte involviert sind.“ | |
| Doch [3][erst vor wenigen Tagen hat die Weltbank angekündigt], künftig den | |
| Bau kleiner Atomkraftwerke mit Krediten und Zuschüssen zu unterstützen. Der | |
| Strombedarf in Entwicklungsländern werde sich bis 2035 verdoppeln, | |
| begründete Weltbank-Chef Ajay Banga den Schritt. „Arbeitsplätze brauchen | |
| Strom. Das gilt auch für Fabriken, Krankenhäuser, Schulen und | |
| Wassersysteme.“ | |
| ## Ruanda will stabile Stromversorgung | |
| Ruanda, das sich stets als „grün“ profiliert, geht voran. Noch immer haben | |
| dort 30 Prozent der Bevölkerung keine einzige Glühbirne zu Hause. „Ruanda | |
| möchte für den Kontinent ein Beispiel sein“, sagte der Vorsitzende des | |
| ruandischen Atomenergiebehörde (RAEB), Lassina Zerbo, in seiner | |
| Eröffnungsrede. | |
| Bereits im Vorfeld der Konferenz hatte RAEB angekündigt, in den nächsten | |
| fünf bis acht Jahren die ersten Minireaktoren zu errichten und damit rund | |
| 3.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Bislang besteht Ruandas Energiemix | |
| aus Solarenergie, Wasserkraft und jeder Menge Dieselgeneratoren. | |
| Doch Solar- und Wasserkraft sind abhängig von Sonnen- und Regenzeiten und | |
| ohne Stromspeicher nicht immer verfügbar. „Man kann keine | |
| Industrialisierung fördern mit Stromausfällen und instabiler | |
| Stromversorgung“, sagte Grossi in Kigali. | |
| Die Debatte, ob afrikanische Regierungen in Nuklearenergie investieren | |
| sollen, ist Jahrzehnte alt. Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima | |
| 2011 hatte diese Option zunächst zunichtegemacht, weil kaum ein Geldgeber | |
| mehr investieren wollte, vor allem nicht in Afrika, wo es kaum | |
| ausgebildetes Personal gibt. | |
| ## Dann kam Russland | |
| Der Energiehunger blieb aber bestehen – und wurde stetig größer. Dann legte | |
| Russland den Afrikanern ein Komplettpaket vor, das viele gar nicht | |
| ausschlagen konnten: von der Finanzierung über den Betrieb, die Ausbildung | |
| von Fachkräften bis hin zur Entsorgung des Atommülls. | |
| „Wir glauben fest daran, dass die Kernenergie eine kostengünstige und | |
| verlässliche Alternative ist für Länder, die ihre Energieversorgung erhöhen | |
| wollen“, erklärte Dmitri Schornikow, Rosatom-Chef für Afrika, 2018 der taz. | |
| Kurz darauf lud Rosatom die Afrikaner zur großen Atom-Expo nach Sotschi ans | |
| Schwarze Meer ein. Dort unterzeichneten Kenia, Äthiopien, Sudan, Angola, | |
| die Republik Kongo und Uganda Abkommen mit Rosatom. Ruanda folgte ein Jahr | |
| später. Seitdem haben 130 junge Ruander in Russland studiert, um die junge | |
| Generation für die Technologie fit zu machen. | |
| Als Vorbild auf dem Kontinent gilt die Rosatom-Partnerschaft mit Ägypten. | |
| Dort baut Rosatom in El Dabaa an der Mittelmeerküste vier große Meiler für | |
| umgerechnet 25 Milliarden Dollar. Neu war das Finanzierungskonzept: 85 | |
| Prozent werden von russischen Staatsbanken als Kredite direkt an Rosatom | |
| gestellt. | |
| Rosatom bleibt im Besitz der Reaktoren, bis die Kredite abbezahlt sind. Der | |
| Konzern verkauft den erzeugten Strom an Ägyptens Regierung, die die Kosten | |
| wiederum auf die Konsumenten umlegt. Der Reaktor soll 2028 ans Netz gehen. | |
| ## Auch westliche Unternehmen investieren in Ruanda | |
| Mittlerweile konkurrieren auch wieder westliche Unternehmen um die Aufträge | |
| aus Afrika. Für die Errichtung kleiner Reaktoren ist Ruanda 2023 eine | |
| Partnerschaft mit dem deutsch-kanadischen Unternehmen „Dual Fluid Energy | |
| CEO“ eingegangen, ein Start-Up, das sich auf die Entwicklung von SMRs und | |
| MMRs spezialisiert hat. | |
| Bei Vertragsunterzeichnung hatte Ruanda angekündigt, den ersten Testreaktor | |
| 2026 einzuschalten und bis 2028 die Testphase erfolgreich zu Ende zu | |
| bringen. | |
| Ein weiteres Abkommen beschloss Ruandas Atombehörde im vergangenen Jahr mit | |
| der US-amerikanischen Firma NANO Nuclear Energy Inc., die ebenfalls | |
| Mini-Reaktoren baut. Als den Beginn einer „neuen Ära“ bezeichnete Zerbo vom | |
| Ruandas Atombehörde die Partnerschaft. | |
| Frank Habineza von der ruandischen Partei „Die Grünen“ kritisiert gegenüb… | |
| der taz die Idee: „Wir haben im Parlament dagegen gestimmt und versucht die | |
| Menschen aufzuklären“, so Habineza im taz-Interview 2024. „Wenn etwas | |
| passiert, können viele sterben“, warnt er. | |
| 2 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.neisafrica.org/ | |
| [2] https://www.base.bund.de/de/forschung/themenfelder/nukleare-sicherheit/_doc… | |
| [3] https://www.worldbank.org/en/news/press-release/2025/06/26/world-bank-group… | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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