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# taz.de -- Atomprogramm in Iran: Das nukleare Gespenst
> Einst lieferte der Westen Teheran die ersten Atomanlagen. Seitdem muss er
> mit der Angst vor einer iranischen Atombombe umgehen.
Bild: Die Baustelle des iranischen Atomkraftwerks Buschehr im Süden des Landes…
Es brauchte schon einen [1][„Mitternachtshammer“ – so der Codename der
US-Operation] – zur Zerstörung der iranischen Atomanlagen: 14 Tonnen
schwere, sechs Meter lange präzisionsgelenkte Bomben, die bis zu 60 Meter
in den Fels eindringen, bevor sie explodieren.
Damit sind die iranischen Nuklearstützpunkte in Fordo, Natans und Isfahan
dem Erdboden gleichgemacht worden. Aber schon zwei Tage danach sickerten
Zweifel durch das tägliche Nahost-Nachrichtengewitter. Sind wirklich alle
Atomanlagen komplett zerstört? Oder wurde das iranische Atomwaffenprogramm
„nur“ zurückgeworfen? Wurden 400 Kilogramm hoch angereichertes Uran in
Sicherheit gebracht? Wird der Iran die Uranbombe aufgeben und den
Plutoniumpfad beschreiten, also waffenfähiges Plutonium aus seinen
Reaktoren gewinnen?
Zweifel und Spekulationen bleiben. Sie gehören seit den 1950er Jahren zum
Inventar des iranischen Atomprogramms. Das Gespenst einer iranischen
Atombombe lässt sich selbst mit martialischen Militärschlägen nicht
vertreiben. Die Unsicherheit wächst, seit Teheran angekündigt hat, [2][die
Kooperation mit der Internationalen Atomorganisation (IAEA) zu beenden.]
Die Inspektoren der Wiener Kontrollbehörde haben vorerst keinen Zutritt
mehr.
Dass der Iran überhaupt fähig war, ein geheimes militärisches Atomprogramm
in unterirdischen Festungen voranzutreiben, ist die Folge westlicher
Unterstützung. USA, Deutschland und Frankreich heißen die drei Gehilfen,
die Irans Atomprogramm in Gang setzten. Die Gefahr der Proliferation, also
der unfriedlichen Nutzung der Atomkraft, war im Preis inbegriffen, als
erste Forschungseinrichtungen errichtet wurden. Später leisteten Russland
und Pakistan Schützenhilfe.
## Ziel der rein zivilen Nutzung verfehlt
Auch im Iran zeigten die Atombombe und die Atomenergie ihre enge
Verwandtschaft. Die propagandistische Trennung von ziviler und
militärischer Nutzung sollte den Bau und Verkauf von Atomkraftwerken
voranbringen, doch sie konnte Naturgesetze nicht außer Kraft setzen. Ein
Missbrauch ist immer möglich. Er gehört zu dieser Technologie wie der Tanz
der Neutronen.
Irans Herrscher, Schah Reza Pahlavi, hatte sich in den 1950er Jahren von
der Euphorie des neuen Atomzeitalters anstecken lassen. „Atoms for peace“
versprachen die USA. Die zivile Nutzung mit ihren unendlichen Möglichkeiten
sollte eine Art Wiedergutmachung für die Leichenberge in Hiroshima und
Nagasaki sein. USA und Iran unterzeichneten 1957 einen nuklearen
Kooperationsvertrag. Washington lieferte dem Verbündeten einen
Forschungsreaktor, Ausrüstung, Labore und Trainingsprogramme. Der Iran
wurde atomtauglich gemacht.
Auch Deutschland und Frankreich bemühten sich, Atomtechnologie zu
verkaufen. „Ein Land, das keine Kernkraftwerke verkauft, wird irgendwann
keine Staubsauger mehr verkaufen“, hatte in den 1960ern Siegfried Balke,
Bundesminister für Atomfragen, verkündet. Tatsächlich machten die Deutschen
im Nuklearwettstreit das Rennen. Die Siemens-Tochter KWU baute 1974 in
Buschehr das erste von zwei geplanten AKWs.
## Die deutsche Exportgier taugte Irans Atomprogramm
Mehr noch: „Die Regierung Helmut Schmidt war willens, dem Iran die
Lieferung zweier Urananreicherungsanlagen zu offerieren“, schreibt der
Historiker Otfried Nassauer. Iran hatte den Atomwaffensperrvertrag, heute
bekannt als Nichtverbreitungsvertrag, im Juli 1968 unterzeichnet. Damit war
die Risikoabwehr formal erledigt worden. Die deutsche Exportgier überwog,
weil der Iran während der Ölkrise ein wichtiger Partner war.
Nach dem Sturz des Schahs zeigte Ajatollah Chomeini erst wenig Interesse am
Atomprogramm. Siemens-KWU zog sich vom halbfertigen AKW in Buschehr zurück,
das in den Jahren 1987 und 1988 vom Irak bombardiert und beschädigt wurde.
Nach dem Ende des Iran-Irak-Kriegs nahm das Atomprogramm wieder Fahrt auf.
Pakistan und Russland, dessen Firma Rosatom den Atommeiler Buschehr fertig
baute, unterstützten den Iran. Wer genau was lieferte, war unklar. Dass die
Zentrifugen zur Urananreicherung aus Pakistan kamen, wurde indes bestätigt.
Es gelang dem Iran, vielfältige nukleare Anlagen aufzubauen. Aber erst als
2002 der Exilrat National Council of Resistance of Iran enthüllte, dass in
Arak ein militärisch besonders relevanter Schwerwasserreaktor existiert und
eine Urananreicherungsanlage in Natans, schreckte der Westen auf. 2009
bestätigte der Iran Geheimdienstberichte, wonach in Fordo eine zweite
größere Urananreicherungsanlage existierte.
Alle Einrichtungen dienten nach Lesart Irans ausschließlich der friedlichen
Nutzung. Doch Fakt ist: In dem ölreichen Land deckt Atomkraft gerade 1,7
Prozent der Stromversorgung. Strom ist dort billig, Atomkraft
wirtschaftlich fraglich.
## Immer wieder durfte die IAEA nicht rein
Seit mehr als 20 Jahren laufen die Verhandlungen mit Teheran. Seitdem
versucht die IAEA vergeblich, die umstrittenen Atomanlagen zu überwachen.
Zwar saß Iran am Verhandlungstisch, aber immer wieder wurde
IAEA-Kontrolleuren der Zugang verwehrt, Überwachungssysteme wurden
abgebaut. Ab und an waren Teilinspektionen erlaubt. Der Westen verhängte
vergeblich Sanktionen und wusste gleichzeitig nicht, wie weit der Iran von
einer nuklearen Massenvernichtungswaffe entfernt war. Tage, Monate, Jahre?
Jetzt geht das Spiel wieder los. Doch der Krieg mit Israel und die
Bombentrichter des „Mitternachtshammers“ haben die Lage verändert. Irans
Vertreter gehen geschwächt in die Verhandlungen, die Europäer ringen um
Einfluss, die USA haben das Drohpotenzial und den Triumph der Bombennacht
auf ihrer Seite. Schon aus Selbsterhaltungstrieb dürfte Iran keinen
weiteren Anlass für US-Interventionen bieten. Dafür aber weiter auf Zeit
spielen, nachdem der Trümmerhaufen – die Überreste des Atomprogramms –
inspiziert ist.
30 Jun 2025
## LINKS
[1] /Nachrichten-im-Nahost-Krieg/!6095613
[2] /Gespraeche-mit-IAEA/!6013205
## AUTOREN
Manfred Kriener
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