# taz.de -- Antisemitismus in der Klimabewegung: Fridays im Kreuzfeuer | |
> Deutsche Aktivist*innen distanzieren sich von israelfeindlichen | |
> Statements der internationalen Bewegung. | |
Bild: Mit wehenden Fahnen für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit – und gegen… | |
BERLIN taz | Die Klimabewegung Fridays for Future steht nach | |
antiisrealischen Positionierungen in der Kritik: „Die unsäglichen | |
Äußerungen von Greta Thunberg und Fridays for Future International zum | |
Terrorangriff auf Israel zerstören aber das große Vertrauen, das viele, vor | |
allem auch junge Menschen, in die Integrität der Bewegung haben“, sagte | |
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Zeitungen vom | |
Redaktionsnetzwerk Deutschland vom Montag. | |
Am Mittwoch hatte der internationale Account von Fridays for Future einen | |
mehrteiligen Post auf Instagram abgesetzt, der [1][mittlerweile gelöscht] | |
ist. Darin behauptete die Organisation, dass „westliche Medien Gehirnwäsche | |
betreiben“ würden, um Solidarität mit Israel zu erzeugen. Die Medien würden | |
von imperialistischen Regierungen finanziert, die hinter Israel stünden und | |
Fake News verbreiteten. | |
Die israelische Regierung verübe einen Genozid an den | |
Palästinenser*innen und sei nicht daran interessiert, den Konflikt zu | |
beenden. Schon in der Vergangenheit war der internationale Account mehrfach | |
durch eine Israel ablehnende Haltung aufgefallen. | |
## Deutsche Aktivist*innen widersprechen | |
Fridays for Future Deutschland distanzierte sich umgehend: „Der Post war | |
nicht mit uns abgestimmt, und wir stimmen nicht mit dem Inhalt überein“, | |
schrieb die deutsche Ländergruppe auf Instagram. Sie verurteile den Terror | |
der Hamas und erkläre sich uneingeschränkt solidarisch mit Jüdinnen und | |
Juden weltweit. Gleichzeitig sehe man das Leid der Zivilbevölkerung in | |
Gaza. | |
Laut [2][Recherchen des Tagesspiegels]gehen die antisemitischen Tweets des | |
internationalen Accounts auf eine Einzelperson zurück: Hasan Ö. Der | |
ehemalige Sprecher der Mainzer Fridays-Ortsgruppe habe sich nicht großartig | |
für Klimathemen interessiert, sondern versucht, die Organisation als | |
Plattform für die Verbreitung israelfeindlicher Positionen zu nutzen. | |
Anderen Aktivist*innen gegenüber sei er respektlos und aggressiv | |
aufgetreten. | |
Die Bundesebene und die Mainzer Ortsgruppe hätten ihn vor einiger Zeit | |
ausgeschlossen, was ihn laut Tagesspiegel jedoch nicht davon abhalte, die | |
Social-Media-Kanäle zu unterwandern. | |
Gegenüber der taz wies Hasan Ö. die Vorwürfe zurück. „Ich hatte nie Zugri… | |
auf den internationalen Account“, schrieb er auf Anfrage. „Die Inhalte, die | |
dort veröffentlicht werden, werden im Konsens entschieden, legitimiert und | |
veröffentlicht.“ Die Positionen entsprächen dem internationalen Konsens | |
unter den Ländergruppen. | |
Auch Fridays-Initiatorin Greta Thunberg positionierte sich klar an der | |
Seite der Palästinenser*innen und ließ die grausamen Taten der Hamas | |
dabei zunächst unerwähnt. Kritisiert worden war auch ein Kuscheltier auf | |
ihrem ursprünglichen Instagram-Foto, das sie später austauschte. | |
Im ersten Bild war ein Kuschel-Oktopus zu sehen gewesen. Kraken sind ein in | |
antisemitischen Kreisen oft bemühtes Bild für eine angebliche jüdische | |
Weltverschwörung. Das Kuscheltier sei ein von Autist*innen benutztes | |
Tool, um Gefühle zu kommunizieren, erklärte Thunberg. Sie sei sich der | |
Bedeutung der Krake in antisemitischen Erzählungen nicht bewusst gewesen. | |
## Experte: „Viel Unsicherheit und Unwissen“ | |
Es ist nicht das erste Mal, dass die Klimabewegung durch Antisemitismus | |
auffällt. Einen Skandal [3][verursachte 2019 Roger Hallam], Mitgründer der | |
Bewegung Extinction Rebellion. Im Interview mit der Zeit sprach er von der | |
Shoah als „nur einem weiteren Scheiß in der Menschheitsgeschichte“. Die | |
deutsche Sparte der Gruppe distanzierte sich daraufhin. | |
Der Journalist und Wissenschaftler Nicholas Potter untersucht unter anderem | |
für die Amadeu-Antonio-Stiftung Antisemitismus in Bewegungen. „Es gibt in | |
Bezug auf Antisemitismus in der Klimabewegung zwei Phänomene“, sagte er der | |
taz. „Auf der einen Seite gibt es diejenigen, denen es um Aufmerksamkeit | |
geht, auch mit geschmacklosen Provokationen. Dazu würde ich Roger Hallam | |
oder auch die Gruppe Revolution zählen.“ | |
Diese hatte im vergangenen Jahr mit dem Slogan “Von Hamburg bis nach Gaza – | |
Klimaintifada“ [4][für ein Protestcamp geworben] und sich so mit | |
gewalttätigen Aufständen von Palästinenser*innen gegen Israelis gemein | |
gemacht. | |
„Auf der anderen Seite, und da verorte ich viele Aktivist:innen von | |
Fridays for Future, gibt es eine reflexartige Solidarität mit Palästina als | |
Underdog und als Stellvertreter des Globalen Südens“, meinte Potter. Die | |
Industrieländer haben die Klimakrise hauptsächlich verursacht, so ihren | |
Reichtum aufgebaut – während viele Länder im Globalen Süden besonders unter | |
den Folgen leiden. „Diesen Klimaaktivist:innen ist bewusst, dass sie | |
selbst aus einer privilegierten Position aus dem Globalen Norden sprechen, | |
dem sie auch Israel zurechnen – das wollen sie reflektieren.“ | |
Eine Rolle spielt für Potter auch, dass Fridays for Future vor allem eine | |
Bewegung junger Menschen ist. „Viele Aktivist:innen kommen gerade zum | |
ersten Mal in Kontakt mit dem Nahostkonflikt, da gibt es sehr viel | |
Unsicherheit und auch Unwissen.“ | |
30 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.instagram.com/p/Cy1R6XAu9Bn/?img_index=2 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/antisemitismus-bei-fridays-for-fut… | |
[3] /Antisemitismus-bei-Extinction-Rebellion/!5643440 | |
[4] /Klimabewegung-und-Antisemitismus/!5876248 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
Susanne Schwarz | |
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