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# taz.de -- Antisemitismus bei Fridays for Future: Geht das noch mit Greta?
> Die Klimabewegung löst sich von ihrer Ikone. Gut so, denn mit
> Antisemitismus gibt es keine Klimagerechtigkeit.
Bild: Gemeinsamer Auftritt von Greta Thunberg mit Sara Rachdan in Amsterdam am …
Die Unklarheiten häufen sich. Wusste Greta Thunberg, dass antisemitische
Verschwörungsmythiker*innen gern Kraken als Symbol für eine
angebliche jüdische Weltverschwörung nutzen, [1][als sie prominent ein
Kraken-Kuscheltier in ihrem pro-palästinensischen Instagram-Foto
platzierte]?
Als sie sich die Bühne und das Mikrofon mit der Aktivistin Sara Rachdan
teilte, wusste sie da, dass die auf Instagram kürzlich Israels
Premierminister Benjamin Netanjahu mit Adolf Hitler verglichen hatte? War
es nur Gedankenlosigkeit, dass sich Thunberg zwar direkt mit den Opfern des
aktuellen Konflikts in Gaza solidarisierte, die jüdischen Toten,
Entführten, Vergewaltigten des Hamas-Terrors aber zunächst nicht mal
erwähnte?
So viele Zufälle kann es eigentlich nicht geben. In mehreren Punkten
steuerte Thunberg als Reaktion auf massive Kritik jedoch nach. Das
Kraken-Foto ist zum Beispiel gelöscht.
„Auf okkupiertem Land gibt es keine Klimagerechtigkeit“, skandierte
Thunberg dann kürzlich auf einer Klima-Demo in Amsterdam, in deutlicher
Anspielung auf den Nahostkonflikt: Israel als bloße Besatzungsmacht, die
Palästinenser*innen als bloße Unterdrückte. Und die deutsche
Klima-Szene muss sich wieder damit beschäftigen: Wie geht sie um mit dem
Wunderkind der Bewegung?
## Angeblich wirre Verbindung
Vor fünf Jahren hat Thunberg im Alter von 15 eine ganze globale Bewegung
inspiriert, sprach später vor den Vereinten Nationen, mit Barack Obama, mit
Angela Merkel, [2][besuchte Klimagipfel genau wie den Hambacher Forst,]
konnte sowohl radikale Aktivist*innen als auch mittige
Nachhaltigkeitsfans für sich begeistern. Jetzt gehört zu dem Phänomen
Thunberg eine einseitige Positionierung im Nahost-Konflikt, zuweilen mit
möglicherweise versehentlichen antisemitischen Zügen.
Die deutsche Sparte von Thunbergs Fridays for Future [3][hat sich deutlich
von ihr distanziert.] Es ist ein schwerer Abnabelungsprozess, in dem die
Bewegung in Deutschland sich neu sortiert.
Eins ist aber doch wie immer: Die rechte Szene nutzt die Krise für
Rundumschläge gegen die Klimabewegung. Der ehemalige Bild-Chefredakteur
Julian Reichelt provozierte in einem Post auf dem Online-Portal X sogar mit
einem Vergleich mit der Hitlerjugend. „Das ist die schlimmste
Jugendorganisation nach 1945“, schrieb er über Fridays for Future. Andere
machen sich lustig über die angeblich wirre Verbindung, die Thunberg
zwischen Klimakrise und Themen wie dem Kolonialismus ziehe.
Es ist ärgerlich, dass die – absichtliche oder unabsichtliche –
Relativierung des Hamas-Terrors davon ablenkt, dass die Verbindung zwischen
Kolonialismus und Klimakrise natürlich sehr wohl besteht. Thunberg und vor
ihr viele Klimaaktivist*innen haben recht, wenn sie sagen: Diese
Probleme hängen ziemlich direkt zusammen.
Europäische Industrieländer haben schließlich teils jahrhundertelang durch
Ausbeutung bis hin zur Versklavung von Menschen und Natur in
kolonialisierten Ländern Reichtum angehäuft, auf dem die Industrialisierung
fußt, die die Klimakrise ausgelöst hat. Wirtschafts- und Energiesysteme in
den ehemaligen Kolonien sind [4][oft heute noch auf diese Zeit
zurückzuführen.]
Und die neue, klimafreundliche Welt, die wir so dringend brauchen, droht
teilweise, solche Strukturen fortzuschreiben. Wenn nämlich Industrieländer
zum Beispiel die Produktion von grünem Wasserstoff in sonnenreichen Ländern
des globalen Südens vorantreiben, um ihn selbst zu importieren – während
die lokale Bevölkerung teils noch nicht vollständig Zugang zu Strom hat.
Beim Klimawandel geht es nicht einfach um Länder, die zufällig viel oder
wenig Treibhausgas emittieren. Die Rollen sind historisch gewachsen, haben
politische Ursachen. Das herauszustellen, ist nicht absurd. Und der Impuls,
sich auf die Seite der in diesem Sinne Unterdrückten zu stellen, ist so
nachvollziehbar wie sinnvoll.
Nur: In Bezug auf den Nahostkonflikt passt das Schema eben nicht gut. Ja,
Palästinenser*innen gehören zum globalen Süden, die wirtschaftliche
Lage ist prekär, der Beitrag zur Klimakrise gering. Aber Gaza wird bislang
von einer Terrororganisation beherrscht, die Israel regelmäßig barbarisch
angreift. Eine freie und (klima-) gerechte Gesellschaft hat sie zudem auch
für die eigene Zivilbevölkerung ganz sicher nicht im Sinne.
Und ja, Israel ist ein wohlhabendes und hochindustrialisiertes Land mit
damit verbundenen CO2-Emissionen und einer rechten Regierung, die
palästinensische Gebiete besetzt und im aktuellen Konflikt brutal
zurückschlägt – aber ein Großteil der Bevölkerung gehört einer religiös…
Gruppe an, die seit Jahrtausenden verfolgt und vertrieben wird. Auch jetzt
noch sind Juden*Jüdinnen [5][nicht sicher], das zeigt das Massaker vom
7. Oktober in Israel, zeigen die Davidstern-Schmierereien auf Häusern mit
jüdischen Bewohner*innen, zeigt der massive Anstieg von Hassverbrechen
gegenüber jüdischen Menschen in der New Yorker Kriminalitätsstatistik vom
Oktober.
Eine Klimabewegung, deren Positionen in irgendeiner Form offen für
antisemitische Interpretationen sind, kann keine Klimagerechtigkeit für
sich beanspruchen.
17 Nov 2023
## LINKS
[1] /Antisemitismus-in-der-Klimabewegung/!5966754
[2] /Greta-Thunberg-im-Hambacher-Forst/!5617198
[3] /Kritik-an-Fridays-for-Future/!5969585
[4] /Aktivist-ueber-Oekozide/!5949027
[5] /Hamas-Angriff-auf-Kibbuz-Holit/!5969780
## AUTOREN
Susanne Schwarz
## TAGS
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