# taz.de -- Anschlag auf Toleranzdenkmal in Bramsche: Hass in der Kleinstadt-Id… | |
> In Bramsche ist ein Kunstwerk zum wiederholten Male angegriffen und | |
> zerstört worden. Es warb in Regenbogenfarben für Vielfalt, Toleranz und | |
> Offenheit. | |
Bild: Ein Foto aus glücklicheren Tagen: So sah das Bramscher Kunstwerk in unze… | |
OSNABRÜCK taz | Auf den ersten Blick ist der Hasesee im niedersächsischen | |
Städtchen Bramsche eine Idylle. Aber dann ist da seit Kurzem diese | |
Brandfläche im Gras, direkt am Ufer. Was hier in der Nacht auf den 20. Juni | |
geschah, führte parallel zu den Löscharbeiten zu einer Nahbereichsfahndung | |
der Polizei und beschäftigt seither den Staatsschutz: Ein Kunstwerk, eine | |
bunte Botschaft für Diversität, ging nämlich in Flammen auf. Damit nicht | |
genug: Einen Tag nach dem Brand wurden sogar noch die Trümmer beschmiert. | |
Alles fängt mit einer Idee des Bramscher Stadtmarketings an. Ein | |
Selfie-Spot soll entstehen, mit großem Herzen und den Buchstaben „BR“ für | |
Bramsche, wie bei „I love NY“. Mitglieder des Bramscher Jugendparlaments | |
gestalten ihn, in mehreren Workshops, vorgabenfrei. Aber das | |
LGBTIQ*-Toleranzsymbol, das sie entwerfen, in Farben von Türkis bis | |
Violett, von Orange bis Grün, triggert schnell übelsten Vandalismus. | |
Mitte Mai, zwei Tage nach der Installation, wird das Kunstwerk erstmalig | |
verunstaltet. „Fuck your tranny propaganda“ steht plötzlich auf seinem | |
riesigen roten Herz. „Baby raptists“ steht daneben, als sei Queer-Sein | |
gleichbedeutend mit Pädophilie. Kurz danach wird der zwei Meter hohe | |
Fotopoint umgetreten. Wieder aufgestellt, taucht ein Hakenkreuz an ihm auf, | |
ein „AFD“, ein „Stolzmonat“, wohl als Reaktion auf den „Pride Month�… | |
mehrfach auch ein Davidstern. Lebensmittel werden drübergeschmiert. | |
Klopapier wird dranmontiert. Braune Farbe wird draufgeschüttet, die | |
runterläuft wie Kot. | |
„Alle paar Tage ist da was passiert“, sagt der Sozialpädagoge und Künstler | |
Mika Springwald der taz, der die Jugendlichen bei ihrer Gestaltung | |
begleitet hat. „Die Intoleranz nimmt derzeit ja massiv zu, | |
gesamtgesellschaftlich. Da werden solche Blickfang-Orte schnell zu | |
Angriffszielen.“ In den Verschandelungen, sagt er, zeige sich die | |
„Tiefenwirkung der Kunst“: Menschen reagieren mit [1][Hasskriminalität] auf | |
sie. | |
## Großes Entsetzen | |
Mit Jugendlichen hat er auch eine Regenbogen-Bushaltestelle im Bramscher | |
Vorort Achmer realisiert, 2021 schon, mit Worten wie „Respekt“ und | |
„Zusammenhalt“ drauf. Als es auch dort fortgesetzt zu Vandalismus kommt, zu | |
transfeindlichen, homophoben, teils kriegsverherrlichenden | |
Intoleranzbotschaften, die immer wieder Reparaturen nötig machen, belohnt | |
die Bundeszentrale für politische Bildung das „vorbildliche | |
zivilgesellschaftliche Engagement“ der Jugendlichen mit einem Preisgeld. | |
In Bramsche ist das Entsetzen groß, denn hier tritt [2][Diskriminierung] | |
zutage, nicht nur Sachbeschädigung. Die Stadt „verurteilt die Anschläge | |
aufs Schärfste und stuft sie als Hasskriminalität und Angriff auf die | |
Demokratie ein“, teilt ihr Sprecher Yannick Richter auf Anfrage der taz | |
mit. Positiv sei dagegen der gesellschaftliche Zusammenhalt. „Die | |
Stadtverwaltung und vor allem die engagierten Jugendlichen haben für ihren | |
Einsatz viel Zuspruch und große Solidarität aus der Bevölkerung erhalten.“ | |
Er sei „wütend und schockiert“, sagt Bürgermeister Heiner Pahlmann (SPD) | |
der taz. Man werde „den Antidemokraten vor Ort“ nicht das Feld überlassen. | |
Bramsche stehe für Weltoffenheit, Vielfalt, [3][Toleranz] und Respekt. „Bei | |
uns ist jeder Mensch willkommen – egal welches Geschlecht, welche | |
Sexualität, welche Hautfarbe, welche Religion oder welche Nationalität er | |
hat.“ | |
Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Bramsche, bezeichnet die | |
Anschlagsserie als „feige Taten“, den Brand als „Schande“. Er zeige, �… | |
hier bewusst und böswillig gegen die Vielfalt und damit gegen unsere offene | |
Gesellschaft vorgegangen wird“. | |
Noch weiß man nicht, wer den Brandanschlag begangen hat. Eines aber steht | |
schon fest: Nach den Sommerferien soll die „Buchstabenskulptur“ am Hasesee | |
neu errichtet werden. „Aber diesmal nicht aus Holz“, sagt Mika Springwald. | |
„Das wird widerstandsfähiger sein. Vielleicht macht da ja eine Betonfirma | |
ein Ausbildungsprojekt draus.“ Es sei wichtig, „das Thema dauerhaft in die | |
Öffentlichkeit zu tragen“. Das Projekt dürfe „nicht mit Schutt und Asche | |
enden“. | |
6 Jul 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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