Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geflüchtete und die Nachbarschaft: Ein Galgen macht noch keinen Mob
> Unweit des Ankunftszentrums in Bramsche stand auf einmal eine
> galgenartige Konstruktion. Die Empörung war groß, ein Besuch vor Ort.
Bild: Gelber Zettel: Bewohner bekommen im Ankunftszentrum der Landesaufnahmebeh…
Bramsche taz | Der Ortsteil Hesepe im Norden der niedersächsischen Stadt
Bramsche ist überschaubar. Agrarflächen umgeben ihn, Wald, ein
Gewerbegebiet. Ungefähr 2.500 Menschen leben hier. Hinzu kommen die
Bewohner des [1][Ankunftszentrums Bramsche der Landesaufnahmebehörde (LAB)
Niedersachsen]. Rund 1.200 Menschen sind es derzeit, bei einer regulären
Kapazität von 1.020 Plätzen. Die Menschen kommen vor allem aus Ländern wie
Syrien und Afghanistan, Iran und Irak.
Das Zusammenleben der Anwohner und der Bewohner ist nicht immer
unkompliziert gewesen. Zuletzt tauchte vor ein paar Wochen in einem
privaten Garten unweit der Unterkunft ein Gebilde in Galgenform auf –
inklusive Strick zum Aufknüpfen. Schlagzeilen wie „Anwohner stellt Galgen
im Garten auf“ und Debatten über rassistische Ressentiments folgten.
Das Ankunftszentrum, das es in dieser Form seit Ende 2016 gibt, stand schon
oft in der Kritik. Teils kam die Kritik von Ortsansässigen, teils von den
„Kunden“ selbst, so ist der Behördensprech vor Ort.
[2][Die „Kunden“ sind zuletzt Ende 2022 offensiv auf die Barrikaden
gegangen]. Organisiert von der Initiative „No Lager Osnabrück“ warfen sie
der Landesaufnahmebehörde damals in einem Brief an Standortleiter Hendrik
Robbers vor, ihre Rechte und ihre Würde zu missachten. Das Zentrum mache
krank, es ist von Müllbergen in den Gebäuden die Rede, von Hallen ohne
Bäder, die mit bis zu 120 Personen belegt seien, von schlechtem, nicht
altersgerechtem Essen und Frischluftmangel. Der Aufenthalt führe zu
Suizidalität, so die Vorwürfe.
Ende 2023 sah es dann nach Unmut in der Bevölkerung aus. Der Bramscher
Stadtverwaltung sei berichtet worden, „dass in einem Privatgarten unweit
der LAB in Hesepe ein Seil mit Schlinge errichtet worden sei, ähnlich eines
Galgens “, bestätigt Yannick Richter der taz. Richter ist Sprecher der
Stadt Bramsche, die etwa 20 Kilometer entfernt von Osnabrück liegt. In
einem Gespräch mit der Stadt und einer Mitarbeiterin der aufsuchenden
Sozialarbeit habe der Eigentümer des besagten Gartens versichert, die
Holzkonstruktion solle „keinesfalls einen Galgen darstellen“. Sie stehe
schon seit Jahren dort, zur Bestückung mit Pflanzen. Die dort baumelnde
Schlinge sei für eine „hängende Blume“ gedacht.
Auf die „für die Öffentlichkeit makaber wirkende Erscheinung“ angesproche…
habe der Eigentümer das Seil sofort entfernt. Die Stadt habe „keine
Bedenken“, ihm zu glauben und sehe „keine Ausländerfeindlichkeit“, sagt
Richter.
„Trotzdem ist das natürlich unschön“, sagt Standortleiter Robbers. Man
spürt, dass er daran zweifelt, dass jemand, der sich etwas Galgenförmiges
samt Schlinge in den Garten stellt, das nicht als etwas Galgenartiges
realisiert. „Uns obliegt keine Bewertung“, kommentiert Hannah Hintze die
„Gartengestaltung des Bürgers“, Sprecherin der Standortleiter
Niedersachsen. „Ein Bezug zum Ankunftszentrum ist uns nicht bekannt.“
## Galgen „ohne ernsthafte Hintergründe“
Es habe „keine Anzeichen für ein strafbares Vergehen“ gegeben“, sagt Jan…
Gervelmeyer, Sprecher der Polizeiinspektion Osnabrück. Der
Kontaktbereichsbeamte habe mit einer Streetworkerin den Anwohner
aufgesucht. Dieser habe glaubhaft versichert, „dass das Holzgestell zuvor
als Halterung für eine Außenbeleuchtung gedient habe“. Das Seil sei „ohne
ernsthafte Hintergedanken“ aufgestellt worden.
Hängeblumen? Beleuchtungshalterung? Was auch immer stimmt: Kontextlos ist
die Installation nicht. In Hesepe führen viele Bürgersteige an
Sichtschutzzäunen vorbei, Schilder an Häusern und in Vorgärten warnen vor
Hunden, vor Kameras. „DO NOT ENTER!“ steht an einer Pferdeweide.
Der Supermarkt NP hat ein siebensprachiges Schild an der Zufahrt
aufgehängt: „Es ist verboten, Einkaufswagen und -körbe vom Gelände zu
entfernen!“ Es gibt Mahn-Texte in Persisch, Französisch, Arabisch. „Wir
hatten hier Kunden, die haben ihre Einkäufe zur LAB gefahren und die Wagen
dann an unserer Bushaltestelle abgestellt, als sei das eine Abholzone“,
sagt Robbers. „Die wussten einfach nicht, wie das hierzulande
funktioniert.“
Insgesamt sei das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und den Bewohnern der
Unterkunft aber gut. „99 Prozent unserer Kunden halten sich an alle Regeln,
sind nett und freundlich“, sagt Robbers. Bei der Ortsbevölkerung sei das
genauso.
## Verein unterstützt Geflüchtete
Der [3][Verein Amal], der Geflüchtete unterstützt und eine der
interkulturellen Begegnungsstätten betreibt, insbesondere für Kinder,
bestätigt das. „Natürlich macht das etwas mit den Bewohnern von Hesepe,
wenn zu Stoßzeiten viele ortsfremde Menschen im Ort ankommen und die LAB
suchen“, sagt Vorstandsmitglied Paul Krause. „Oder wenn an Transfer-Tagen
Hunderte mit Kindern und Gepäck auf dem kleinen Bahnsteig stehen.“ Aber der
Verein nehme „eine Zunahme des Verständnisses für die Geflüchteten“ wahr.
Der „Galgen“-Erbauer sei Mitgliedern des Vereins persönlich bekannt „und
der hegt ganz sicher keine ausländerfeindlichen Gedanken. Das Narrativ,
dass die Ausländerfeindlichkeit steigt, sobald mehr Geflüchtete im Land
sind, tut „den Menschen im Ort Unrecht“. Es gebe „lösungsorientierte
Gesprächsrunden zu strukturellen Alltagsproblemen“. Ein Bewohner, der „auch
mal eine Reichskriegsflagge im Garten hängen hatte“, sei fortgezogen.
Auch das Bild, das Robbers zeichnet, hat viele helle Farben. Bewohner der
Unterkunft, die im Ort Vereinssport betreiben, auf Stadt- und Schulfeste
gehen. Hilfsbereitschaft in der Kassenschlange im Supermarkt.
Institutionalisierte Treffen von Be- und Anwohnern. Dass sich die
Landesaufnahmebehörde nach der Kritik von 2022 „kritisch betrachtet“ habe,
sagt er auch. Es habe Verbesserungen gegeben.
## „Antifa liebt Dich“ löst NPD ab
Auf verstärkte Aktivitäten rechter Gruppen lägen keine Hinweise vor, sagt
Polizei-Sprecher Gervelmeyer. „Private Installationen, die sich direkt oder
indirekt gegen Migranten richten und eine strafrechtliche Relevanz
entfalten, sind nicht bekannt oder gemeldet worden.“
Eine solche Zone ist ein Wanderparkplatz unweit der Unterkunft. Immer
wieder waren hier Sticker der NPD zu sehen. Heute klebt „Antifa hat dich
lieb“ am Mülleimer.
10 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.lab.niedersachsen.de/startseite/standorte/ankunftszentrum_brams…
[2] /Skandaloese-Fluechtlingsunterbringung/!5905075
[3] https://www.amal-bramsche.de/
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Geflüchtete
Unterkunft
Geflüchtete
Kurden
Niedersachsen
Geflüchtete
Rechte Szene
## ARTIKEL ZUM THEMA
Protest gegen Geflüchtetenunterkunft: Gegenüber wohnen Wutbürger
Das Stadt Hamburg prüft, ob in einem Altbau besonders schutzbedürftige
Geflüchtete unterkommen können. Anwohner*innen fühlen sich übergangen.
Tod in der Geflüchtetenunterkunft Kusel: Niemand will schuld sein
Der kurdische Geflüchtete Hogir Alay soll Suizid begangen haben, sagen
Behörden. Freund*innen und Angehörige sind skeptisch und fordern
Veränderung.
Anschlag auf Toleranzdenkmal in Bramsche: Hass in der Kleinstadt-Idylle
In Bramsche ist ein Kunstwerk zum wiederholten Male angegriffen und
zerstört worden. Es warb in Regenbogenfarben für Vielfalt, Toleranz und
Offenheit.
Skandalöse Flüchtlingsunterbringung: Willkommen im Wartesaal
Geflüchtete machen dem überfüllten Ankunftszentrum im niedersächsischen
Bramsche-Hesepe schwere Vorwürfe: Die Zustände seien unhaltbar.
Rechte Strukturen in Niedersachsen: Osnabrücks neue Rechtsextreme
Die Aktivisten-Gruppe „Oskars_Osna“ alias „Sturmfest Osnabrück“ ist vor
allem in sozialen Medien aktiv. Auf Instagram hat sie rund 2.100 Follower.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.