# taz.de -- Angriff auf den Iran: Weil Israel es kann | |
> Warum greift Israel genau jetzt den Iran an? Ganz einfach: Irans | |
> Verbündete sind so geschwächt, dass die Gegenreaktion überschaubar | |
> bleiben wird. | |
Bild: Rauchschwaden über Teheran nach dem israelischen Luftangriff vom 14. Juni | |
Die acht F16-Kampfflugzeuge flogen etwa 1.100 Kilometer bis zu ihrem Ziel. | |
Sie blieben unerkannt. Die Piloten sprachen arabisch. Der Angriff begann um | |
17.31 Uhr Ortszeit und dauerte zwei Minuten. Danach war der [1][Atomreaktor | |
Ossirak für immer unbrauchbar]. | |
Die Bombardierung der Nuklearanlage geschah nicht in diesen Tagen, sondern | |
vor fast genau 44 Jahren, am 7. Juni 1981. Das Ziel der israelischen | |
Luftwaffe war damals ein im Bau befindliches Atomkraftwerk im Irak Saddam | |
Husseins, von dem Israel behauptete, es könne Material zur Herstellung | |
einer Atombombe produzieren. Der UN-Sicherheitsrat verurteilt das Vorgehen | |
Israels „als einen Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen und die | |
Normen des internationalen Verhaltens“. Israel nannte die Bombardierung | |
einen Akt „präventiver Selbstverteidigung“. | |
Der Angriff auf Ossirak mag heute weitgehend vergessen sein. Doch das | |
damalige Vorgehen Israels macht deutlich, dass man im Zweifel | |
internationales Recht geringer wertet als die Sicherheit des Staates. Das | |
Muster des Angriffs auf den Iran in diesen Tagen entspricht dem von 1981, | |
nur ist der Gegner militärisch ungleich stärker als 1981 und sind die Ziele | |
Israels viel weiter gesteckt. Damals versicherte Saddam Hussein, es ginge | |
beim irakischen Atomprogramm nur um eine friedliche Nutzung der | |
Kernenergie. Heute betonen Vertreter des Iran, sie planten keineswegs den | |
Bau von Atomsprengköpfen. An beiden Aussagen bestanden Zweifel, auch von | |
Seiten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO. | |
Warum hat Israel [2][gerade jetzt den Iran angegriffen]? Die Antwort ist | |
einfach: weil Israel es kann. Nach jahrelangen Debatten über einen solchen | |
Krieg in Jerusalem haben sich die Parameter in der Folge des Massakers der | |
Hamas vom 7. Oktober 2023 dramatisch zugunsten Israels verschoben. Die | |
libanesische Hisbollah ist extrem geschwächt, Syriens Diktator Assad aus | |
dem Land gejagt, die Hamas am Boden: Die Möglichkeiten dieser wichtigen | |
Verbündeten des Iran sind so gering wie seit Jahrzehnten. Und auch das | |
Regime in Teheran selbst hatte schon zuvor deutlich an Schlagkraft | |
verloren. Zugleich regiert in den USA ein Präsident, der die Politik der | |
Regierung Netanjahu mit Wohlwollen betrachtet. | |
## Völkerrechtlich mindestens umstritten | |
Der Iran steht nach israelischen Erklärungen kurz vor dem Bau einer | |
Atombombe. Ob das tatsächlich stimmt, lässt sich nicht überprüfen. | |
Zugleich zählt der Wunsch nach einer Vernichtung Israels zur Staatsräson | |
des Regimes. Beides zusammen genommen wird in Jerusalem als Grund dafür | |
benannt, präventiv einen Krieg begonnen zu haben. Ob das völkerrechtlich | |
zulässig ist, ist mindestens umstritten. | |
Kommt es jetzt also zum immer wieder beschworenen Flächenbrand im Nahen | |
Osten? Daran bestehen erhebliche Zweifel. Wer sollte dem Iran denn | |
beistehen? Die Huthi im Jemen mögen Raketen gen Tel Aviv schicken, aber | |
militärisch bedeutend sind sie deshalb nicht. Die Hisbollah ist | |
zerschlagen, die Hamas versteckt sich in Tunneln. Große Teile der | |
arabischen Welt haben zwar pflichtschuldig gegen Israels Krieg protestiert. | |
Doch eine Schwächung des Iran ist auch in ihrem Interesse, allen voran in | |
dem Saudi-Arabiens, das sich als Regionalmacht die Verantwortung mit Israel | |
über die Region teilen könnte. | |
Diese Vorstellung einer saudisch-israelischen Hegemonie im Nahen Osten | |
entspricht den Wünschen der US-Regierung. Sie würde der Region eine Chance | |
zu friedlicheren Verhältnissen geben. Zugleich wären die Palästinenser die | |
Verlierer einer solchen Machtteilung und ihre Interessen auf Dauer | |
marginalisiert. Ob es es jemals zu einer saudisch-israelischen | |
Konstellation kommt, ist so unsicher wie ein Regenguss in der Wüste. | |
Ein Krieg ist hässlich, blutig, mörderisch. Immer. Egal, wer ihn führt, | |
egal, wo. Die [3][Zahl der zivilen Opfer in Israel] scheint nach den ersten | |
Tagen größer zu sein als befürchtet, [4][die der Iraner bleibt unklar]. | |
Aber was heißt gering – zehn Tote, hundert oder tausend? Wenn eine | |
Gesellschaft die Zahl der eigenen Opfer als unverhältnismäßig hoch | |
betrachtet, gerät die eigene Regierung rasch unter Zugzwang. Die Reaktion | |
kann dann das sein, was man „unverhältnismäßig“ nennt – noch zehnmal m… | |
Tote, nun aber auf der „feindlichen“ Seite. Es hat schon genügend Konflikte | |
gegeben, die, als zeitlich und örtlich begrenzter Waffengang geplant, zu | |
großen Todesfallen wurden und am Ende keinen Sieger mehr kannten. Dieses | |
Risiko birgt auch dieser Krieg, zumal es Israel nicht bei einer | |
Bombardierung der iranischen Atomanlagen belässt, sondern militärische | |
Infrastruktur wie hohe Militärs ins Visier nimmt. | |
## Das Regime wird so nicht fallen | |
Tod und Zerstörung in Teheran wie Tel Aviv kommen nicht ganz überraschend. | |
Kriege zu führen, anstatt mühsame Diplomatie zu betreiben, ist der Trend im | |
21. Jahrhundert. Der Meister in diesem Spiel heißt Wladimir Putin, der den | |
Krieg nicht nur in die Ukraine gebracht hat, sondern auch schon nach | |
Tschetschenien, Georgien und Moldau. Der Hamas ist es gelungen, mit ihrem | |
Terroranschlag am 7. Oktober einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu | |
provozieren. Von all den Kriegen in Sudan, Libyen oder im Kongo redet | |
schon kaum jemand mehr. | |
Israels Premier Netanjahu hat die iranische Bevölkerung dazu aufgerufen, | |
das eigene Regime zu stürzen. Das ist ein schöner Traum. 2003 war das | |
erklärte Ziel von US-Präsident George W. Bush ein Regimewechsel in Bagdad | |
und die Demokratisierung des Landes. Saddam Hussein wurde gestürzt. Von | |
Demokratie ist bis heute weniger die Rede. | |
Es spricht wenig dafür, dass der Krieg Israels das iranische Regime so weit | |
destabilisiert, dass es fällt. Noch dazu schwächt Netanjahu die Position | |
der iranischen Opposition. Indem er zum Widerstand gegen die Mullahs | |
aufruft, gibt er dem Regime erneuten Anlass, alle Regimegegner als | |
zionistische Agenten zu diffamieren. Das Eintreten für Demokratie und | |
Humanität in Teheran [5][wird noch gefährlicher als zuvor]. | |
16 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /!1267736/ | |
[2] /Israels-Angriff-auf-Iran/!6091964 | |
[3] /-Israels-Angriff-auf-den-Iran-/!6093909 | |
[4] /Eskalation-in-Nahost/!6091259 | |
[5] /Repressionswelle-in-Iran/!6094130 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
## TAGS | |
Iran-Israel-Krieg | |
Nahost-Debatten | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Israel Defense Forces (IDF) | |
Gaza | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Iran | |
Israel | |
GNS | |
Iran-Israel-Krieg | |
Schwerpunkt Iran | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Israel | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Iran-Israel-Krieg | |
Westjordanland | |
Iran-Israel-Krieg | |
Iran-Israel-Krieg | |
Nahost-Debatten | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
US-Angriff auf Iran: MAGA goes MIGA – Trump spricht von Regimewechsel | |
Mit einem Truth-Social-Post bringt der US-Präsident einen Regimewechsel in | |
Iran ins Spiel. Währenddessen greifen USA und Israel iranische Atomanlagen | |
an. | |
US-Angriff auf iranische Atomanlagen: Pro und Kontra zu Trumps Entscheidung fü… | |
Donald Trump verkündet die komplette Zerstörung des iranischen | |
Atomforschungsprogramms. Die Gefahr weiterer Eskalation ist noch nicht | |
gebannt. | |
Seit Regierungswechsel: Rüstungsexporte für knapp vier Millionen Euro nach Is… | |
Die neue Bundesregierung hat bisher nicht verraten, in welchem Umfang sie | |
Rüstungsexporte nach Israel genehmigt hat. Jetzt legt sie erstmals eine | |
Zahl vor. | |
Israels Angriff auf den Iran: Völkerrechtliche Zeitenwende | |
Bei Israels Angriff auf den Iran agiert der Westen mit Doppelmoral. Damit | |
trägt er mehr zu Erosion des Völkerrechts bei als der offene Regelbruch | |
mancher Autokraten. | |
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Soldaten schießen auf Menschenmenge im Ga… | |
Mindestens 51 Menschen wurden getötet, als sie im Gazastreifen auf | |
Hilfslieferungen warteten. Israels Armee meldet Tod von Irans höchstem | |
Kommandeur. | |
Schutzlos im Westjordanland: Jenseits des Iron Dome | |
Im Westjordanland gibt es keine Bunker, die vor iranischen Raketen | |
schützen. Im arabischen Teil Jerusalems heulen immerhin noch Sirenen als | |
Warnung. | |
Repressionswelle in Iran: Neue Festnahmen und Exekutionen | |
Irans Regime geht im Zuge der neuen israelischen Luftangriffe vermehrt | |
gegen Kritiker:innen vor. Die NGO Iran Human Rights warnt vor | |
Hinrichtungen. | |
Israelische Angriffe auf den Iran: Bomben stürzen keine Diktatur | |
Wer Israels Angriffe nun mit der Hoffnung auf einen Regime-Change von außen | |
feiert, hat aus den vergangenen Jahrzehnten nichts gelernt. | |
Israels Angriff auf Iran: Bomben für den Machterhalt | |
Israels Vorgehen im Iran hat viele Gründe. Allen voran: Netanjahu will | |
seine internationale Isolation brechen und von der Lage in Gaza ablenken. |