Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Amnesty International schlägt Alarm: Das Comeback der Folter
> Elektroschocks, Waterboarding, Schlafentzug: Amnesty hat glaubwürdige
> Berichte über Folter aus 141 Ländern und startet eine Gegenkampagne.
Bild: Drangsal in der Karibik-Idylle: Dafür steht der Name des US-Stützpunkte…
BERLIN taz | Dreißig Jahre nach Verabschiedung der Anti-Folter-Konvention
der Vereinten Nationen ist die Folter wieder stark im Kommen. Weltweit
werden Menschen geschlagen, mit Elektroschocks traktiert, in
Stresspositionen fixiert, an den Gelenken aufgehängt, vergewaltigt, mit
Zigaretten verbrannt, ausgepeitscht, der Wasserfolter unterzogen,
gezwungen, ihren Urin oder giftige Chemikalien zu trinken. Nadeln werden
unter ihre Fingernägel gebohrt, sie werden am Schlafen gehindert, ihre
Gelenke verdreht. Der Fantasie von Folterknechten scheinen keine Grenzen
gesetzt.
Das schreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) in
einem am Montag unter dem Titel „Folter 2014 – 30 Jahre gebrochener
Versprechen“ veröffentlichten Bericht. Das Dokument bildet gleichzeitig den
Auftakt zu einer neuen weltweiten Anti-Folter-Kampagne der Organisation.
Aus 141 Ländern hat die Organisation in den vergangenen fünf Jahren
glaubwürdige Berichte über Folter erhalten. „In einigen Ländern handelt es
sich um Einzelfälle. Aber in erschreckend vielen Ländern ist Folter
alltäglich“, sagt die Generalsekretärin von ai in Deutschland, Selmin
Çalıkan. Und Salil Shetty, internationaler Sekretär von ai, ergänzt:
„Regierungen in aller Welt zeigen zwei Gesichter: Sie verbieten die Folter
per Gesetz, machen sie aber praktisch möglich.“
## Bruch der Konvention
Seit die Anti-Folter-Konvention 1984 verabschiedet wurde, haben 155 Länder
das Abkommen ratifiziert. Doch in mindestens 79 Mitgliedstaaten der
Konvention hat ai 2014 Berichte über Folter zusammengetragen – ein klarer
Bruch eingegangener internationaler Verpflichtungen. Zudem verweist ai
darauf, dass selbst für Staaten, die die Konvention nicht ratifiziert
haben, das Folterverbot längst geltendes Völkergewohnheitsrecht ist.
Die Gründe, warum gefoltert wird, ähneln sich. Polizisten quälen Gefangene,
um Geständnisse zu erzwingen und so schnelle Fahndungserfolge vorweisen zu
können. Diktaturen foltern, um Dissidenten einzuschüchtern. Im Namen des
Krieges gegen den Terror wird gefoltert, um Informationen zu erhalten.
Und: Folter findet im Geheimen statt. Wo Gefangene über längere Zeit in
Isolationshaft gehalten werden – was per se schon als Folter gilt –, ist
die Gefahr groß, zusätzlich körperlicher Misshandlung oder Folter
ausgesetzt zu sein. Wem kein Kontakt zu Familienangehörigen, Anwälten oder
Ärzten ermöglicht wird, der kann sich nicht wehren. Gerichte und
Staatsanwaltschaften weigern sich, entsprechenden Vorwürfen nachzugehen. In
manchen Ländern erkennen Gerichte sogar Geständnisse an, die erkennbar
unter der Folter erzwungen wurden.
All das sind klare und eindeutige Verstöße gegen die
Anti-Folter-Konvention. „Die Folter lebt nicht nur, sie boomt in vielen
Teilen der Welt. Und je mehr Regierungen versuchen, Folter im Namen
nationaler Sicherheitsinteressen zu rechtfertigen, desto mehr erodiert der
Fortschritt, der auf diesem Gebiet in den letzten dreißig Jahren gemacht
wurde“, klagt Salil Shetty.
## EU als Komplize der USA
Der ai-Sekretär spielt damit deutlich auf die „verschärften Verhörmethoden…
an, die der US-Geheimdienst CIA in den Bush-Jahren in seinen
Geheimgefängnissen angewandt hat. Die Länder der Europäischen Union,
kritisiert ai, hätten bis heute ihre eigene Kooperation mit dem illegalen
Vorgehen der CIA nicht aufgearbeitet und sich damit zum Komplizen gemacht.
Amnesty will sich in seiner neuen Kampagne schwerpunktmäßig auf fünf Länder
konzentrieren, in denen man von systematischer und routinemäßig angewandter
Folter ausgeht: Mexiko, Nigeria, Marokko und Westsahara, Philippinen und
Usbekistan. Dort häufen sich die Berichte über Misshandlung und Folter in
Haft und Polizeigewahrsam; zu Nachforschungen, Ermittlungen oder gar
Verurteilungen der beteiligten Beamten kommt es praktisch nie.
In einer Umfrage von 21.000 Menschen in 21 Ländern hat Amnesty auch
untersucht, welche Einstellung die Menschen zum Thema Folter haben. Das
erschreckende Ergebnis: Rund 44 Prozent befürchteten, in ihren
Heimatländern gefoltert zu werden, sollten sie je in die Hände der
Staatsgewalt geraten. Die übergroße Mehrheit – 82 Prozent weltweit – sind
der Meinung, es brauche besseren Schutz vor staatlicher Folter.
13 May 2014
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
Folter
Amnesty International
Waterboarding
Elektroschocks
Barack Obama
Nigeria
USA
Vatikan
USA
Nordkorea
Scharia
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit um Folter-Verbot in den USA: Senat dafür, Obama dagegen
Der US-Senat hat für ein Verbot von Folter bei Verhören gestimmt. Nun
zeichnet sich ein Konflikt mit Präsident Obama ab. Er droht mit einem Veto.
Bericht zu Gefängnissen in Nigeria: Systematische Folter
Amnesty International wirft nigerianischen Sicherheitskräften schwere
Misshandlungen vor. Im Kampf gegen Boko Haram seien die Methoden
verheerend.
US-Präsident zu Folter nach 9/11: „Wir haben eine Linie überschritten“
Waterboarding, Schlafentzug, Kälteschocks - Barack Obama räumt mit
deutlichen Worten ein, dass die USA Terrorverdächtige massiv gefoltert
haben.
Folter in der Kirche: Hirten, Lämmer und die Schlachtbank
Der Vatikan muss sich wieder wegen sexuellen Missbrauchs vor den Vereinten
Nationen verantworten. Sie kritisieren seine Reaktion auf die
Anti-Folter-Konvention.
Todesstrafe in den USA: Vom Staat zu Tode gefoltert
Über Ablauf und Hintergründe der verkorksten Hinrichtung in Oklahoma wird
immer mehr bekannt. Zum Umdenken scheint selbst das aber nicht zu führen.
Politische Haft in Nordkorea: Der Westen wünscht sich Freiheit
Nordkorea soll nach dem Willen westlicher Länder seine Lager für politische
Gefangene schließen. Sie forderten dies bei einer Anhörung des
UN-Menschenrechtsrats.
Gesetzgebung in Brunei: Scharia-Strafrecht verschärft
Foltern in Gottes Namen: Im südostasiatischen Sultanat sind Peitschenhiebe,
Steinigungen und Amputationen ab sofort de jure erlaubt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.