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# taz.de -- Alemannia Aachen vor Aufstieg in 3. Liga: Die Kampfschweinbrigade
> Die lange versunkene Alemannia aus Aachen steht vor dem Aufstieg in die
> 3. Liga. Doch der Klub schockiert mit fortgesetzter Nähe zu
> Rechtsradikalen.
Bild: Alemannia-Torwart Marcel Johnen im April 2024. Auch im Bild: Banner der K…
In Aachen war es jahrzehntelang so: Die einen lehnten Alemannia mit
saftigem Zynismus ab – ach, hör auf, immer die gleiche Leier mit dem
Aufstieg, der doch nicht klappt. Und das ganze Rechtspack da! Und andere
gestanden, heimlich eine Dauerkarte zu besitzen. Alemannia war seit 2013
versunken in der [1][Regionalliga] West.
Seit einem halben Jahr ist alles anders: Man fragt, in welchem Block warst
du denn am Samstag? Selbst Achim Blickhäuser, ehemals Inteamchef des
Bunte-Liga-Klubs [2][Partisan Eifelstraße] und damit der fußballerischen
Konkurrenzwelt, ruft zum Rudelgucken.
Nach Lage der Dinge wird der Klub am Wochenende in Liga 3 aufsteigen,
Vorsprung: leverkusenhafte 14 Punkte. Mittlerweile gehen viele hin, weil
alle anderen hingehen. Zuletzt waren immer über 25.000 Leute im grellgelben
Neuen Tivoli, der jetzt auch schon 15 Jahre alt ist. Gebaut, als man nach
einem Jahr Bundesliga 2006/07, drei berauschenden Heimsiegen in Folge gegen
den FC Bayern, nach [3][Pokalfinale] (2:3 gegen Bremen) und erfolgreicher
Uefa-Cup-Teilnahme als Zweitligist glaubte, mindestens „[4][ein
Anderthalbligist]“ zu sein. Ex-Manager Jörg Schmadtke hatte den Begriff
erfunden. Dem Stadionbau (50 Millionen Euro) folgten dichte Finanznebel,
zwei Insolvenzen und der Absturz in die Nähe des Nichts.
Trainer Heiner Backhaus war nach vergeigtem Saisonstart im Oktober
gekommen, eine Mischung aus harter Hund und freundlicher Motivator. Er
scheint ein Glücksgriff zu sein: Spieler berichten, der Coach habe sie in
der Halbzeitkabine zusammengefaltet trotz einer 2:0-Führung, weil ihm in
der Viertelstunde vor dem Wechsel die letzte Energie gefehlt habe. Nach
spektakulären 2,7 Punkten pro Spiel will Backhaus „diesen wunderbaren
Verein“ nunmehr „ins Ziel führen“.
Der wunderbare Verein hat aber seit Jahrzehnten auch eine wunderliche
andere Seite. Im Januar hatte Alemannia sich ausdrücklich [5][geweigert],
anders als fast die gesamte Stadtgesellschaft, zur großen Demo gegen rechts
aufzurufen, man wolle „die Gesellschaft nicht spalten“. Das gab Applaus von
der AfD hier und setzte Entsetzen da. Und schnelles Zurückrudern, „ein
Versehen“, so die Alemannia, nach unglücklicher Internkommunikation.
## Rechtsradikale und Vereinsspitze
Beim nächsten Heimspiel entschuldigte sich der Klub, prasselnder Applaus
von gut 20.000 war die Folge, keine vernehmbaren Pfiffe. Doch dann kam Ende
Februar eine intensive Recherche der [6][Zeit,] Titel: „Wie Alemannia
Aachen mit Rechtsextremen kooperiert“. Es ging um mannigfaltige
Zusammenarbeit zwischen bekannten Rechtsradikalen, vor allem dem Kopf der
Boxstaffel Hooligans und der Alemannia-Führungsetage, personell,
inhaltlich, auch mal sehr ansehnlich bei ausgelassenen Feierbildern in
sozialen Netzwerken.
„Der Traditionsverein hat eine unselige Tradition im Umgang mit rechter
Gewalt“, so die Zeit. „In den Neunzigern warb der Neonazi Sascha Wagner am
Tivoli um Hooligan-Nachwuchs. Und vor gut zehn Jahren bedrohte und
verprügelte eine Koalition zwischen Althools und der,Karlsbande' eine
[7][Aachener Ultragruppe], die sich gegen Rassismus und Homophobie
engagierte.“ Die Karlsbande hatte danach lange Stadionverbot; irgendwann
endete das Verbot still und leise.
## Kampfschweinbrigade voller Energie
Auffällig: Die Aachener Zeitung schaffte es bis heute, die Zeit-Recherche
zu verschweigen. Vernebelnde Alemannia-Besoffenheit? Der Chefredakteur zur
taz: „Wir berichten, wenn wir es für richtig halten. Auch über das Thema
rechte Einflüsse bei der Alemannia.“ Aber: „Wir lassen uns von der Zeit
nicht treiben.“
Alemannias Auftritte 2024 sind ungefähr so spielstark wie die AfD charmant
ist. Ein halbes Dutzend Siege gelang in der Nachspielzeit, auch das ähnlich
Bayer Leverkusen. Vor allem aber zeigt sich das Team als taktisch
verlässliche Kampfschweinbrigade voller Energie und Robustness. Größte
Qualität: Eigene Fehler – als mache man sie mit Absicht, um sie mit Verve
wieder auszubügeln, voran die prägenden Innenverteidiger Jan-Luca Rumpf und
Kapitän Mika Hanraths, Alemannias Bester.
„Wir sind nicht das weiße Ballett“, weiß auch Coach Backhaus, „aber wir
haben Mentalität ohne Ende.“ Vergangene Woche waren sie bei
Abstiegskandidat Paderborn II klar unterlegen (2:7 Torchancen), gewannen
aber 1:0.
Anton Heinz ist der besonderste Spieler. Der Angreifer jagte 14 direkte
Freistöße innerhalb zwei Jahren ins Ziel, im Dezember drei in einem Spiel,
was vor ihm nur Siniša Mihajlović 1998 in Italiens Serie A schaffte.
„Knuckleball“ nennt Heinz seine Schussvariante mit den absurd flatterhaften
Flugkurven. Wie er das macht? „Die einfache Erklärung lautet, ich habe
Talent in meinem linken Fuß“, sagte Heinz neulich dem Magazin 11 Freunde,
„die komplizierte: Es steckt viel harte Arbeit dahinter.“ Heißt: seit
Jahren stundenlanges Training jede Woche. Ganz entscheidend, so Heinz, sei
die Ballmarke; manche funktionieren gar nicht, Joma sei wie geschaffen für
Knucklebälle.
Der altsmarte Stadionsprecher [8][Robert Moonen] (78) wird am Samstag gegen
Bocholt im schon lange ausverkauften Tivoli 32.000 Menschen begrüßen.
Mitfeiern werden auch Karlsbande und die Boxstaffel Hooligans. Wie immer
werden beider Banner vor der Stehplatztribüne prominent sichtbar aufgehängt
sein.
25 Apr 2024
## LINKS
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[6] https://www.zeit.de/sport/2024-02/rechtsextremismus-fussball-alemannia-aach…
[7] /Aachener-Ultra-ueber-Nazifans/!5074794
[8] /Stadionsprecher-ueber-50-Jahre-im-Job/!5895011
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
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Fußball
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Alemannia Aachen
Kolumne Press-Schlag
Schwerpunkt Boykott Katar
DFB-Pokal
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