# taz.de -- Erste Runde im DFB-Pokal: Kleinverein Alemannia profitiert | |
> Der Sieg im DFB-Pokal geht meist an einen großen Klub. Aber auch kleine | |
> Pleite-Vereine wie Alemannia Aachen gewinnen. | |
Bild: David Pütz (r.) im Zweikampf mit dem Düsseldorfer Kevin Hagemann | |
Aachen taz | So ein DFB-Pokalspiel Klein gegen Groß, hier sogar Sehrklein | |
(Regionalliga West) gegen Sehrgroß (Champions League-Teilnehmer Leverkusen | |
aus der Nachbarschaft), ist immer eine feine Sache. Man kann vom Wunder | |
träumen und war schon mit der Qualifikation im Mai und der Auslosung im | |
Juni neu in die Saisonkalkulation eingestiegen. So wie in Aachen, beim | |
Traditionsklotz Alemannia mit dem riesigen Stadion. | |
„Ein schönes Paket“ komme da zusammen, sagt Geschäftsführer Martin vom | |
Hofe. Genaue Zahlen nennt er nicht. Milchmädchenrechnen wir mal vor uns | |
hin: 32.000 Zuschauer im Tivoli machen eine Brutto-Einnahme von fast einer | |
Dreiviertel Million Euro. | |
Viel Geld, oder? „Das wäre schön“, sagt vom Hofe, „wenn das auch bliebe… | |
Leider [1][kassiert der DFB] als Veranstalter schon mal 10 Prozent. Dann | |
gehen diverse Kosten und Steuern ab. Der Rest muss mit dem | |
[2][Giftkonzern-gepamperten] Gegner geteilt werden und, und, und … Oh, am | |
Ende bleibt nichts? „Doch, da wird schon ein sechsstelliger Betrag | |
herauskommen.“ Plus gut Hunderttausend als Startprämie. Plus anteilige | |
Fernsehgelder. | |
Das Pokalzubrot wird auch für scheinbare Selbstverständlichkeiten genutzt: | |
Jetzt kann man sich bei weiten Auswärtsfahrten auch mal ein Hotel leisten, | |
statt am Spieltag im Morgengrauen in den Bus zu steigen und dann um 14 Uhr | |
im hinteren Ostwestfalen anzutreten. Dank Pokal kamen noch zwei weitere | |
Kicker, einige Zweifelnde konnten noch zum Bleiben bewegt werden. | |
## Alemannia hat das Chaosgen | |
Bleiben oder nicht – das ist in der Regionalliga, die Talenten zum | |
Sprungbrett dient, die Frage. Faustregel: Bis zu zwei Drittel der Spieler | |
sind überall nach Saisonende weg. Bei der Alemannia sind, anders als sonst, | |
dieses Jahr gut zwei Drittel geblieben. Das gilt als Aufbruchssignal. „Die | |
Teilnahme am DFB-Pokal“, sagt vom Hofe, „stellt uns wirtschaftlich in der | |
Liga schon anders dar.“ Mit Folgen: Man will endlich mal wieder ganz oben | |
mitspielen. | |
Die Fans träumen umgehend vom Aufstieg. Indes startete der Klub mit einer | |
Niederlage und einem frustrierenden Heim-Remis. Schon wackelt die Stimmung | |
wieder. In den Netzwerken werden die ersten Abgesänge angestimmt, Trainer | |
Fuat Kilic hielt eine Wutrede auf die Online-Motzer mit ihren „drei Gramm | |
Gehirn“. | |
Alemannia ist seit jeher das Chaosgen eigen: Erst unterklassig Pokalfinale | |
2004, dann Europapokal-Triumphe als Zweitligist, Bundesliga-Aufstieg 2006, | |
dazu ein neuer Pokal-Clash gegen die Bayern zum | |
Rekordpokalsiegerrekordrauswerfer. | |
Nahtlos folgten: [3][doppelte Insolvenz, ausgelöst durch ein | |
größenwahnsinniges 50-Millionen-Stadion], das die Stadt übernehmen musste, | |
und drei Abstiege binnen sieben Jahren bis in die Viertklassigkeit. | |
Alemannia hat eine Tendenz zur Tragödie selbst bei Kleinigkeiten: Keinem | |
Spieler sonst gelang es je, soweit bekannt, mit einem erfolglosen Schuss | |
beide Pfosten und die Latte zu treffen. (Erik Meijer, in Cottbus, 2004). | |
Die Wettanbieter sehen Siegchancen bei kaum 1:100. Kilic würde auch dran | |
glauben, wenn sie „geringer wären als beim Lotto“. Sein Abwehrrecke | |
Alexander Heinze sagt, was man so sagt als Niederliga-Gladiator: „Wenn wir | |
denen die Lust am Spielen nehmen, dann kannste sie vielleicht knacken.“ | |
Leverkusens Jungstar Kai Havertz, 20, gebürtiger Aachener, wurde ein Jahr | |
ausgebildet im Alemannia-Jugendzentrum. Havertz hatte neulich erzählt, wie | |
aufregend seine Kindheit auf dem Tivoli war. „Der Kai“ also, sagt vom Hofe, | |
„kommt wieder nach Hause, der soll sich mal schön entspannen und die | |
anderen in seinem Team etwas ausbremsen und einnorden.“ | |
9 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
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