# taz.de -- Doping-Kontrollen bei der WM: Wunderbar! Alles negativ! | |
> Das fehlende Interesse rund um den Frauenfußball setzt sich im | |
> Anti-Doping-Bereich fort. Es mangelt an Tests und Untersuchungen. | |
Bild: Dufte Hormone, aber kein Geweih: der Moschushirsch wurde bei der WM 2011 … | |
MONTPELLIER taz | 2011 war ein außergewöhnliches Jahr. Da wurden | |
tatsächlich Fußballerinnen während einer WM des Dopings überführt, sogar | |
mehrerer Nationen. Die Kolumbianerin Yineth Varon wurde nach einer | |
Hormonbehandlung positiv getestet und für zwei Jahre gesperrt; und gleich | |
das halbe nordkoreanische Team war, wie sich herausstellte, mit Steroiden | |
gedopt. Die Rechtfertigung des nordkoreanischen Verbandes (Einnahme von | |
traditioneller chinesischer Medizin vom Moschushirschen, nachdem das Team | |
angeblich von einem Blitzschlag getroffen worden war) war so schön, dass | |
der Moschushirsch es in jeden WM-Rückblick schaffte. Und Nordkorea wurde | |
für die WM 2015 gesperrt. | |
Eine der wenigen Fälle, wo im Frauenfußball Doping nachgewiesen wurde. | |
Ansonsten wahrt der Fußball der Frauen, mehr noch als jener der Männer, | |
seinen Heiligenschein. Doping bei den Mädels? Nicht doch. Der Wettbewerb | |
der Frauen ist, so hören wir es auch bei dieser WM, so viel authentischer, | |
bodenständiger, ehrlicher. Oder? | |
Wer in puncto Frauenfußball und Doping nachfragt, erfährt vor allem, wie | |
wenig eigentlich bekannt ist. Anerkannte Dopingexperten winken ab, | |
verweisen weiter oder wollen sich nicht äußern. Das fehlende Interesse, die | |
fehlende Kenntnis rund um den Frauenfußball setzen sich auch im | |
Anti-Doping-Bereich fort. | |
Dabei lässt sich bei kickenden Frauen natürlich illegal die Leistung | |
steigern oder die Erholungszeit nach einer Verletzung verkürzen. „Es ist | |
anzunehmen, dass der Mehrwert an Leistung, der sich durch Doping gewinnen | |
lässt, im Frauenfußball genauso hoch ist wie im Männerfußball“, sagt der | |
Wissenschaftler Mario Thevis vom Zentrum für Präventive Dopingforschung der | |
Sporthochschule Köln. Allerdings: „Mir sind keine Untersuchungen zur | |
Häufigkeit von Doping im Frauenfußball bekannt. Bei Statistiken zur | |
Dopingprävalenz liegen uns im Allgemeinen keine Ausdifferenzierungen vor, | |
ob es sich um Männer oder Frauen handelt.“ | |
## Lächerlich wenige Proben | |
Die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) aber hat solche | |
Ausdifferenzierungen. In den letzten vier Jahren habe es im deutschen | |
Frauenfußball keine Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen gegeben, sagt | |
auf Anfrage Sprecherin Eva Bunthoff. Weil zu wenig kontrolliert wird, oder | |
weil niemand dopt? Nein, da möchte sich die Agentur nicht an Spekulationen | |
beteiligen. Die Nada ist verantwortlich für die Kontrollen im deutschen | |
Frauenfußball. | |
Nach eigenen Angaben hat sie im Jahr 2018 insgesamt 113 Proben | |
durchgeführt; dazu gehören Trainings- und Wettkampfkontrollen bei der | |
Nationalmannschaft sowie Wettkampfkontrollen in Bundesliga und DFB-Pokal. | |
„Nationalspielerinnen werden sowohl während des Wettkampfs als auch | |
außerhalb von Wettkämpfen, zum Beispiel zu Hause oder im Training, | |
kontrolliert“, so Bunthoff. Im Vorfeld einer WM werde gesondert | |
kontrolliert. | |
Die Zahl von 113 Proben im Jahr allerdings ist lächerlich überschaubar, | |
selbst im Vergleich zum auch nicht besonders kontrollierten Männerfußball. | |
Dort gab es 2018 nach Nada-Angaben in der Bundesliga 282 | |
Trainingskontrollen und 517 Wettkampfkontrollen, außerdem werden Zweite und | |
Dritte Liga sowie Junioren-Bundesligen kontrolliert. | |
Eine Zweitliga-Spielerin dagegen hat offenbar gar keine Kontrollen zu | |
fürchten; und bei 113 Proben im Jahr, Nationalteam eingeschlossen, dürften | |
auch viele Bundesligaspielerinnen ungetestet bleiben. „Ein Grund für die | |
höhere Anzahl der Kontrollen ist der Pool an Athleten“, so Bunthoff. | |
„Dieser ist im Männerfußball mit insgesamt 18 Mannschaften deutlich größer | |
als im Frauenfußball mit 12 Mannschaften.“ | |
## Massive Ignoranz | |
Nur damit aber lässt sich eine Differenz von 113 Proben zu allein knapp 800 | |
Bundesliga-Proben nicht erklären. Vielmehr liegt es, wie Bunthoff erwähnt, | |
an der Risikobewertung der Nada: Als Doping-Risikofaktoren gelten der | |
Organisation bereits bekannte Dopingfälle, aber auch kulturelle und | |
finanzielle Faktoren, beispielsweise hohes Medieninteresse und hohe | |
Preisgelder. Damit gilt der Männerfußball als anfälliger. | |
Im Jahr 2017 hatte der Ex-Fußballer Lotfi El Bousidi in seiner Diplomarbeit | |
eine – jedoch kleine – Gruppe von 150 männlichen Fußballprofis in mehreren | |
Ländern anonym über Doping befragt. Laut SZ gaben zwischen 14 und 29 | |
Prozent illegales Doping zu. El Bousidi klagte gegenüber der Zeitung über | |
das massive und kaum beachtete Dopingproblem im Fußball; Außenstehende | |
bekämen gar keinen Zugang für solch anonyme Befragungen. 43 Prozent seiner | |
Befragten übrigens waren kein einziges Mal in der Saison getestet worden. | |
Während es im Männerfußball zumindest private Studien gibt, bleibt der | |
Frauenfußball eine Blackbox. Und vielleicht will es keiner genau wissen in | |
einer Sportart, die ja wachsen soll, wo alles „Werbung für den | |
Frauenfußball“ sein muss, auch bei diesem Turnier. | |
Die Fifa ist nach eigenen Angaben bei ihren Kontrollen zu dieser WM | |
zumindest egalitär. „Es werden genauso viele Tests durchgeführt wie bei der | |
Männer-WM“, schreibt ein Fifa-Sprecher auf Anfrage. Die Fifa führt Blut- | |
und Urinproben durch, getestet wird auf die Substanzen der Verbotsliste der | |
Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada); jedes Team sei vor der WM mindestens | |
einmal getestet worden. Die Wada selbst ist bei der WM allerdings außen | |
vor, die Fifa testet selbst. Auch das kann man hinterfragen. „Es gab bis | |
jetzt keine positiven Ergebnisse“, so der Fifa-Sprecher. | |
25 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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