# taz.de -- Aktivist zur Rückgabe der Herero-Schädel: „Die Restitution ist … | |
> Aktivist Israel Kaunatjike war der Erste, der die Rückgabe der | |
> Herero-Gebeine gefordert hat. Dass das nun passiert, sei gut, sagt er. | |
Bild: Kämpft seit Jahren für die Herero: Aktivist Israel Kaunatjike | |
taz: Herr Kaunatjike, Sie waren der Erste, der gefordert hat, dass | |
menschliche Gebeine von Herero und Nama, die während der Kolonialzeit | |
unrechtmäßig nach Deutschland gebracht wurden, an Namibia zurückgegeben | |
werden. Wie bewerten Sie es, dass heute nach 2011 und 2014 zum dritten Mal | |
eine Restitution stattfindet? | |
Israel Kaunatjike: Ich finde das sehr positiv. Ich fordere seit 2004, dass | |
[1][Schädel, die in der Kolonialzeit aus Namibia nach Deutschland gebracht | |
worden sind], zurückgegeben werden. Ich habe in Berlin damit angefangen, | |
und das ist zu einer weltweiten Bewegung geworden, die von Namibia und | |
Südafrika bis in die USA reicht. Das ist natürlich auch ein psychologischer | |
Druck auf die Bundesrepublik Deutschland. Ich bin froh und stolz, dass ich | |
so viel geschafft habe mit den NGOs hier in Deutschland, dass wir so | |
gedrängt haben, dass nun zum dritten Mal eine Übergabe stattfindet. | |
Zugleich kritisieren Sie als Aktivist des Bündnisses „Völkermord verjährt | |
nicht“, dass die Restitution in einer Kirche stattfindet. Warum? | |
Ich verstehe nicht, warum die Zeremonie in der Kirche stattfindet. Die | |
Menschen, deren Gebeine hierher gebracht wurden, waren keine Christen. Sie | |
sind ermordet worden und die Kirche war involviert. Ich persönlich bin | |
dafür, dass die Restitution im Bundestag stattfindet und sich die | |
Bundesrepublik sofort entschuldigt. Wir NGOs bleiben draußen vor der | |
Kirche, weil wir finden, dass es nicht respektvoll ist, diese Zeremonie in | |
der Kirche stattfinden zu lassen. Das ist nicht unser Wunsch und wir sind | |
dagegen. Es ist gut, dass die Schädel zurückgegeben werden, aber wie sie | |
zurückgegeben werden, ist nicht in unserem Interesse. Was die da für einen | |
Zirkus veranstalten, interessiert mich nicht. | |
Was planen Sie stattdessen? | |
Wir machen eine Mahnwache vor der Kirche. Unser Oberhaupt, der | |
Herero-Paramount-Chief Vekuii Rukoro ist aus Namibia angereist. Aus Respekt | |
vor unseren Vorfahren und denen, die in der Kirche sind, protestieren wir | |
nicht. | |
Warum wurde Ihre Initiative von der namibischen Botschaft vom Festakt | |
ausgeschlossen? | |
Der namibische Botschafter will nicht, dass wir draußen stehen und | |
Mahnwache halten. Er hat sich nie eingesetzt für unsere Interessen. Er | |
wollte nur 25 von uns in die Kirche lassen. Wir lassen uns aber nichts | |
diktieren. Wir bleiben draußen mit unseren Unterstützern und allen | |
Organisationen, die mit uns zusammengearbeitet haben. Die namibische und | |
die deutsche Regierung versuchen uns zu ignorieren, aber wir sind die, die | |
immer gefordert haben, dass die Schädel zurückgegeben werden, und immer | |
weiter geforscht haben nach den Schädeln und Gebeinen in deutschen | |
Sammlungen. | |
Was wird das heute für ein Tag für Sie? | |
Der Mittwoch wird für mich nicht einfach. Ich denke an die | |
Konzentrationslager und daran, wie diese Menschen hierhergekommen sind und | |
was mit ihnen passiert ist. Nur die Schädel sind in Deutschland, wo sind | |
die Körper? Mir diese Fragen zu stellen ist schwierig und traurig. Auf der | |
anderen Seite freue ich mich, dass die Menschen wieder einen Weg finden, | |
nach Hause zu kommen. | |
Ihr Bündnis stellt immer wieder klar, dass es nicht ausreicht, die | |
geraubten menschlichen Gebeine zurückzugeben. Was muss weiter passieren, | |
damit [2][der Völkermord an den Herero und Nama] durch deutsche | |
Kolonialtruppen aufgearbeitet wird? | |
Die Restitution ist nicht das Ende, das ist erst der Anfang. Es muss noch | |
viel passieren. Alle Schädel müssen zurück nach Namibia. Es soll kein | |
einziger hierbleiben. Außerdem muss es zu einer offiziellen Entschuldigung | |
der Bundesrepublik Deutschland kommen. Deutschland muss den Genozid an den | |
Herero und Nama anerkennen. Reparationen sind eine andere Frage. Die | |
Verhandlungen zwischen der deutschen und der namibischen Regierung sind | |
eine Farce, weil die betroffenen Communities nicht dabei sind. Damit werden | |
wir uns nicht zufriedengeben. Die betroffenen Gruppen müssen mit an den | |
Verhandlungstisch. Weil wir von den Verhandlungen ausgeschlossen sind, sind | |
wir in New York gegen Deutschland vor Gericht gegangen. Wir warten schon | |
hundert Jahre, und wenn es sein muss, warten wir noch einmal hundert Jahre. | |
Wir lassen nicht locker, bis alle Schädel zu Hause sind. | |
29 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Elisabeth Kimmerle | |
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