# taz.de -- Afghanistan nach dem Bundeswehr-Abzug: Kein Anschluss unter dieser … | |
> Die Bundesregierung hatte angekündigt, sich um ihre Ortskräfte zu | |
> kümmern. Zuständige Stellen sind jedoch unerreichbar oder reagieren | |
> nicht. | |
Bild: Ende des Einsatzes in Afghanistan: Ankunft deutscher Soldaten am Mittwoch… | |
BERLIN taz | Für Hunderte ehemaliger oder noch aktiver Ortskräfte der | |
[1][Bundeswehr] und ziviler deutscher Stellen in Afghanistan, die von den | |
Taliban bedroht werden, gibt es bisher immer noch keinen Weg aus der | |
Gefahr, obwohl die Bundesregierung das bereits vor Monaten angekündigt | |
hatte. Das trifft selbst auf fast alle derjenigen beinahe 2.400 Menschen | |
sowie deren Kernfamilien zu, die bereits ein deutsches Visum erhalten haben | |
sollen. | |
Am 23. April hatte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer | |
erklärt, sie „empfinde es als eine tiefe Verpflichtung der Bundesrepublik, | |
diese Menschen jetzt, [2][wo wir das Land verlassen], nicht schutzlos | |
zurück zu lassen“. Immerhin hätten sie „zum Teil über Jahre hinweg auch | |
unter Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit an unserer Seite gearbeitet, auch | |
mitgekämpft“. Jetzt gehe es „um die Verfahren“ und das „müssen wir sc… | |
klären“. | |
Das Verfahren bestand dann darin, dass die Ortskräfte über ihre jeweiligen | |
Vorgesetzten eine sogenannte Gefährdungsanzeige stellen konnten, auf deren | |
Grundlage ein Visum erteilt werden konnte. Die Bundesregierung besteht aber | |
darauf, dass sie ihre Ausreise dann selbst organisieren und vor allem auch | |
die Flugtickets selbst bezahlen. Schon das ist ein Unding, besonders für | |
weniger qualifizierte Angestellte. Selbst ein Dolmetscher der Bundeswehr | |
bekam ein monatliches Anfangsgehalt von nur 450 Euro. Zudem sollen sie ihre | |
Anreise 14 Tage vorher ankündigen und nicht den PCR-Test vergessen. | |
Am 23. Juni mahnte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im Bundestag noch | |
einmal, die „Schutzverpflichtung“ gegenüber den Ortskräften „ernst zu | |
nehmen“. Kramp-Karrenbauer darauf: „Wir werden dafür sorgen, dass wir das | |
logistisch bewerkstelligen können.“ Das hieß aber auch, logistisch war zwei | |
Monate lang überhaupt nichts passiert. | |
## Keine Büros | |
Dann mussten Ende Juni Hals über Kopf die 264 in Afghanistan verbliebenen | |
deutschen Soldat:innen ausgeflogen werden. Offenbar war Berlin klar | |
geworden, dass die Amerikaner bereits zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli | |
abrücken würden und man dann nicht einmal mehr die Logistik für die eigenen | |
Leute haben würde. Nicht umsonst weigerte sich die Sprecherin des | |
Verteidigungsministeriums auf der Bundespressekonferenz am 30. Juni | |
zuzugeben, dass auch US-Flugzeuge an dieser Aktion beteiligt waren. | |
Zwei „Büros“, die laut früherer Aussagen der Bundesregierung im bisherigen | |
Bundeswehrhauptstandort Masar-e Scharif und in Kabul eingerichtet werden | |
sollten, kamen nie zustande. | |
Die ganze deutsche Logistik für die afghanischen Kolleg:innen (es gibt | |
einige wenige Frauen) bestand schließlich in der Verteilung von Handzetteln | |
mit E-Mail-Kontaktadressen bei der zum UN-System gehörigen Internationalen | |
Organisation für Migration (IOM), an die man sich wenden könne. Selbst | |
Beteiligte waren sich nicht sicher, ob das überhaupt genehmigt war. | |
Angehörige von Ortskräften in Deutschland teilten der taz auf Anfrage mit, | |
dass von einer Stelle am Donnerstag die automatische Antwort kam, die | |
Bearbeitung solcher Anfragen werde „sehr bald“ beginnen. Man werde | |
kontaktiert – „wenn nötig“. Von einer zweiten Stelle hieß es, die | |
Bearbeiterin sei allerdings bis November in Elternzeit. Bei IOM war für die | |
taz am Freitag (dem afghanischen Sonntag) niemand zu sprechen. Auch das ist | |
kein Zeichen von Dringlichkeit. | |
## Landweg versperrt | |
Nun, da in Masar-e Sharif keine Deutschen mehr sind, könne man sich laut | |
einer Auskunft des Auswärtigen Amtes noch „persönlich“ an die Botschaft in | |
Kabul wenden. Aber durch die bereits in Masars Vororten befindlichen | |
Taliban ist der Landweg dahin versperrt. Zudem war in Kabul zu hören, dass | |
auch IOM seine nicht-afghanischen Mitarbeiter schon vorsichtshalber aus | |
Masar ausgeflogen habe. | |
AKK hatte ja auch nicht von „deutscher“ Logistik gesprochen oder gesagt: | |
„Wir“ bringen diese Menschen nach Deutschland. Praktischer Schutzfaktor: | |
knapp über Null. | |
Übrigens: Für den nächsten Abschiebeflug aus Deutschland, der am 7. Juli in | |
Kabul erwartet wird, reicht die Logistik. | |
2 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Truppenabzug-aus-Afghanistan/!5783561 | |
[2] /Abzug-aus-Afghanistan/!5783598 | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Bundeswehr | |
Annegret Kramp-Karrenbauer | |
Ortskräfte | |
Taliban | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Afghanistaneinsatz | |
Afghanistaneinsatz | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Nato | |
Afghanistaneinsatz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Regierung verharmlost Afghanistan-Lage: Gefährlich geschönt | |
Das Auswärtige Amt verharmlost in seinem Bericht den Vormarsch der Taliban. | |
Die taz konnte das unter Verschluss gehaltene Dokument einsehen. | |
Abzug aus Afghanistan: Feigheit vor den Freunden | |
Die Ortskräfte mussten zusehen, wie der letzte deutsche Soldat Afghanistan | |
verlässt. Sie selbst bleiben ihrem Schicksal und den Taliban überlassen. | |
Ex-Grünen-MdB über Afghanistan-Abzug: „Man nennt das Niederlage“ | |
Als der Bundestag 2001 den Einsatz in Afghanistan beschloss, stimmte | |
Winfried Nachtwei für die Grünen zu. Nun zieht er Bilanz. | |
Bundeswehr-Abzug aus Afghanistan: Taliban vor den Städten | |
Deutschland hat seine letzten Soldaten aus Afghanistan ausgeflogen. Die | |
Islamisten fahren unterdessen eine Großoffensive im ländlichen Raum. | |
Abzug aus Afghanistan: Operation misslungen | |
Die internationalen Truppen lassen ein politisch instabiles Land zurück. | |
Die Taliban sind auf dem Vormarsch, ihre Gegner zerstritten und korrupt. | |
Truppenabzug aus Afghanistan: Zentrale Fragen bleiben offen | |
Die Bundeswehr zieht ab, die USA räumen bis zum 4. Juli das Feld. | |
Gleichzeitig werden die Taliban stärker, die Gefahr eines Bürgerkrieges | |
wächst. | |
Bundeswehreinsatz in Afghanistan beendet: Alle Soldat:innen abgezogen | |
Nach 20 Jahren hat die Bundeswehr den Afghanistaneinsatz beendet. Die | |
letzten Soldat:innen sollen am Mittwochmorgen in Deutschland eintreffen. |