| # taz.de -- AfD vor Landtagswahl Sachsen-Anhalt: Der müde Sturm | |
| > Die AfD in Sachsen-Anhalt wirkt verbraucht, punkten will sie mit | |
| > schrillen Positionen. Ihr Spitzenmann ist ein Ex-Schrottautohändler. | |
| Bild: Zieht keine Massen auf den Marktplatz – AfD-Kundgebung in Weißenfels a… | |
| Dresden taz | Die Wahlkampfauftritte der AfD Sachsen-Anhalt lassen nicht | |
| gerade eine 20-Prozent-Partei vermuten, eher eine „Altpartei“. Ihrer | |
| Ignoranz gegenüber der Pandemie folgend, hält sie am traditionellen | |
| Straßenwahlkampf fest. Doch auf den Markt in Weißenfels sind vor wenigen | |
| Tagen nur hundert Anhänger gekommen, in Magdeburg kaum mehr. Auch der | |
| angekündigte große Apokalyptiker und [1][Rechtsaußen Björn Höcke] erscheint | |
| nicht. | |
| Umso lauter brüllt heiser und im Führerduktus der stellvertretende | |
| Landesvorsitzende Hans-Thomas Tillschneider. Revolutionäre Aufruhrstimmung | |
| erzeugt er in Weißenfels damit auch nicht gerade. Die heterogene | |
| Anhängerschaft scheint nur gekommen, um ihre schlechte Laune | |
| gemeinschaftlich zu zelebrieren. | |
| „Wir sind nicht verpflichtet, alle Hungerleider dieser Welt | |
| durchzufüttern“, hetzt Tillschneider, in grüner Trachtenjacke mit | |
| Hornknöpfen. „Unser Geld für unser Volk!“ Und wenn er Verständnis für a… | |
| Impfverweigerer bekundet, folgt er den ersten acht Seiten des | |
| AfD-Landtagswahlprogramms, das Kritiker der Coronaschutzmaßnahmen | |
| einzufangen versucht. | |
| Tillschneider, promovierter Islamwissenschaftler und strammer Nationalist, | |
| ist in der Landtagsfraktion und Landespartei Sachsen-Anhalt der eigentliche | |
| Scharfmacher. Der 43-Jährige wird seit dem Vorjahr vom Verfassungsschutz | |
| mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht. | |
| ## Bismarck und Hindenburg als Vorbild | |
| Er war Mitglied der Patriotischen Plattform der AfD, pflegt Kontakte zu den | |
| Identitären, zu Burschenschaften, zur Ein-Prozent-Bewegung, zu Pegida, zum | |
| Compact-Magazin oder dem Antaios-Verlag von Götz Kubitschek. Aber | |
| Tillschneider ist nicht der Spitzenkandidat seiner Partei zu den | |
| bevorstehenden Landtagswahlen. Möglicherweise könnten sich gutbürgerliche | |
| Unzufriedene von seiner Radikalität abgeschreckt fühlen. | |
| Auch der AfD-Landeschef Martin Reichardt steht nicht auf Platz eins, | |
| sondern will wieder in den Bundestag. Als Spitzenkandidat wurde der eher | |
| hausbackene 54-jährige KfZ-Mechaniker Oliver Kirchner nominiert. Aber auch | |
| er unterzeichnete 2015 die „Erfurter Resolution“, mit welcher der | |
| völkisch-nationalistische „Flügel“ der AfD seinen Weg zur Beherrschung der | |
| gesamten Partei antrat. | |
| Kirchners Idole sind die früheren Reichskanzler Bismarck und Hindenburg, | |
| wie die Dekoration seines Landtagsbüros zeigt. Bis zum Einzug in den | |
| Landtag 2016 handelte der gebürtige Magdeburger noch mit Schrottautos, | |
| legte dann aber eine steile politische Karriere hin. Er verdankt sie dem | |
| Zerwürfnis des früheren Partei- und Fraktionschefs André Poggenburg mit der | |
| AfD 2018, der daraufhin den inzwischen bedeutungslosen „Aufbruch Deutscher | |
| Patrioten“ gründete. Zwei Jahre zuvor hatte dieser die AfD noch zum | |
| Sensationswahlergebnis von 24,3 Prozent geführt. | |
| Die radikalsten Kreise der Landes-AfD desertierten aber nicht zu | |
| Poggenburg, sondern blieben. Darunter auch Kirchner, der zu dessen | |
| Nachfolger an der Spitze der Landtagsfraktion aufstieg. In der letzten | |
| Landtagssitzung vom April verteidigte Kirchner übrigens den nun | |
| fraktionslosen Poggenburg, als der von Landtagspräsidentin Gabriele | |
| Brakebusch gemahnt wurde, endlich zur Sache zu reden. | |
| ## Extremes Personal und extreme Inkompetenz | |
| Im Wahlkampf scheint Kirchner Kreide gefressen zu haben. In Fragerunden von | |
| Rundfunk und Printmedien gibt er sich Mühe, anschlussfähig an die Mitte zu | |
| wirken. Natürlich wettert er gegen die „Rotationseuropäer“, also die Sinti | |
| und Roma im Magdeburger Norden, gegen den „linksradikalen“ Miteinander e.V. | |
| und sieht im Synagogen-Attentäter von Halle einen Einzeltäter. Aber er | |
| interpretiert Höckes Holocaust-„Denkmal der Schande“ auch als Erinnerung an | |
| die „Schande, die Deutschland auf sich geladen hat“, sieht in Juden | |
| „Menschen wie wir“ und räumt ein, dass die AfD eine „männergeprägte Pa… | |
| sei. | |
| Solche Köder können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der | |
| Landesverband Sachsen-Anhalt mit zuletzt 1.366 Mitgliedern als einer der | |
| radikalsten in der AfD gilt. Ein Blick in das in rüdem Ton gehaltene | |
| Wahlprogramm lässt ahnen, warum ihn das Landesamt für Verfassungsschutz im | |
| Januar dieses Jahres als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hat. | |
| „Die AfD bekennt sich ausdrücklich zum Recht, Waffen zu besitzen“, lautet | |
| einer dieser Wildwest-Sätze, die an den nur knapp gescheiterten | |
| Bewaffnungsantrag auf dem Dresdner Bundesparteitag erinnern. Die | |
| Landeszentrale für Politische Bildung soll abgeschafft und durch ein | |
| „Landesinstitut für staatspolitische Bildung und kulturelle Identität“ | |
| ersetzt werden. Gleichstellungspolitik speziell an Universitäten gilt der | |
| AfD als Teufelszeug, „denn sie arbeitet mit der systematischen | |
| Privilegierung von Frauen und diskriminiert gezielt Männer“. | |
| Der Satz „Kunstfreiheit ist kein Anspruch, jeden Schund gefördert zu | |
| bekommen“ zielt auf Neue Musik oder Theater, denen die so genannte | |
| Alternative die Förderung halbieren oder komplett streichen will. | |
| Ausdrücklich nimmt sie sich dabei die Gleichschaltung von Kultur und Medien | |
| im Orban-Ungarn zum Vorbild. | |
| Für solches Getöse war die AfD in der ablaufenden Legislaturperiode auch im | |
| Landtag berüchtigt und kassierte 16 der insgesamt 18 Ordnungsrufe. Hinter | |
| den Kulissen in den Ausschüssen sah es nach Beobachtungen des | |
| Politikwissenschaftlers Michael Kolkmann von der Uni Halle-Wittenberg | |
| hingegen viel dürftiger aus: „Sacharbeit findet praktisch nicht statt.“ | |
| Ungeachtet des extremen Personals und dessen extremer Inkompetenz hat der | |
| AfD-Bundesvorsitzende Meuthen für den [2][Wahltag am 6. Juni] die | |
| Entscheidungsschlacht propagiert, um erstmals stärkste Kraft in einem | |
| Bundesland zu werden. Genau dieses Ziel aber könnte, wie 2019 in Sachsen, | |
| Wähler abschrecken und zur CDU zurückführen. In Umfragen liegt die AfD | |
| derzeit bei 20 Prozent und damit hinter dem Schockergebnis von 2016. Aber | |
| spätestens seit jenen 12,9 Prozent, welche die rechtsextreme DVU 1998 aus | |
| dem Stand bei der Landtagswahl erreichte, gelten die Wähler in | |
| Sachsen-Anhalt als die unberechenbarsten in Deutschland. | |
| 26 May 2021 | |
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| Michael Bartsch | |
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