# taz.de -- Schwimmweltmeisterin über Politik: „Immun gegen Shitstorms“ | |
> Antje Buschschulte will in den Magdeburger Landtag. Gegen die AfD, für | |
> Digitalisierung, und mit der Erfahrung einer Spitzenschwimmerin. | |
Bild: Weltmeisterin 2003: Antje Buschschulte will nun in den Landtag gewählt w… | |
taz: Frau Buschschulte, warum wollen Sie eigentlich in den Landtag von | |
Sachsen-Anhalt? | |
Antje Buschschulte: Ich bin bei den Grünen eingetreten, weil ich nach der | |
Thüringer Landtagswahl gesehen habe, dass das mit der AfD kein Ausrutscher | |
ist. Ich dachte mir: Das kann nicht sein. | |
Muss es gleich der Landtag sein? Es gibt ja auch andere Formen politischen | |
Engagements. | |
Das ist ja erst mal der Grund, warum ich bei den Grünen eingetreten bin. | |
Die Kandidatur hat sich dann beinah so ergeben. Die Landtagswahl steht an, | |
und in dem Thema, in dem ich mich tummele, Digitalisierung, gibt es viel, | |
was man in Sachsen-Anhalt noch machen kann. Ich wäre gerne auch an den | |
Entscheidungen direkt beteiligt. | |
Ist der Landtag da nicht eine zu kleine Bühne? | |
Ich weiß auch, dass man im Landtag nicht die Welt retten kann, aber er ist | |
ein wichtiger Zeil des demokratischen Systems. Ich denke, dass es eine | |
Möglichkeit ist, aktiv zu werden. Und die Grünen sind ja eine sehr offene | |
Partei, gerade für Frauen. Da war es erstaunlich einfach. | |
Sie stehen auf Platz neun der Liste. Rechnen Sie mit einem Mandat? | |
Es müsste schon sehr gut laufen. Bei der letzten Wahl hatten wir in | |
Sachsen-Anhalt fünf Prozent. Wir standen eher in der Ökonische, weniger in | |
der bürgerliche Mitte. Es müssten so etwa zehn Prozent werden, damit ich | |
reinkomme. Aber der Bundestrend ist ja recht positiv für die Grünen. | |
Was können Sie gegen die AfD bewirken? | |
Es geht nur langfristig: Es geht um eine transparente und verlässliche | |
Politik, die diejenigen Lügen straft, die behaupten, die da oben steckten | |
eh aller unter einer Decke und seien bloß machtgeil. Aber wenn es um die | |
Leute geht, die weit rechts stehen – dann ist es sehr schwierig. In jedem | |
Fall aber hat es etwas mit Zivilcourage zu tun, dass man offensichtlichen | |
Lügen entgegentritt. Mir ist nicht erst seit Corona wichtig, eine sachliche | |
Diskussion zum Breitbandausbau, nachhaltiger Digitalisierung, zu moderner | |
Bildung und über moderne Verwaltung zu führen und diesen Themen größere | |
Priorität zu geben. | |
Was hat der Sport Ihnen mitgegeben, das Ihnen jetzt politisch wichtig ist? | |
Eine direkte Linie lässt sich nicht ziehen, im Sinne von: Die war gut im | |
Sport, jetzt ist sie gut in der Politik. Aber Leistungssportler*innen | |
haben ein gutes Zeitmanagement, trennen Wichtiges von Unwichtigem und | |
bringen eine gewisse Belastungsfähigkeit mit – auch gegen Shitstorms. | |
Vermittelt der Sport auch eine Weltläufigkeit, die gegen die AfD | |
immunisiert? | |
Ich kann mir schwer vorstellen, dass jemand, der sportlich herumgekommen | |
ist, eine menschenfeindliche Anschauung wie die der AfD an den Tag legt. | |
Haben Sie den [1][Fall Klete Keller] in den USA mitbekommen? | |
Der Schwimmer? Nein, ich lese gar nicht so oft den Sportteil. | |
Keller hat 2004 und 2008 mit Freistil-Staffeln der Männer Gold gewonnen. Im | |
Januar war er in Washington bei der Erstürmung des Kapitols dabei. Wie kann | |
einer, der doch durch den Sport um die Welt gekommen ist, so wegkippen? | |
Den Schwimmer kenne ich, aber dass er bei der Kapitol-Stürmung dabei war, | |
wusste ich nicht. Mein Mann sagt, dass er sich zur WM 2003 ihm gegenüber in | |
Bezug auf den Irakkrieg schon abfällig über unseren „Pussy-Kanzler“ | |
geäußert hat. Generell gilt natürlich, dass man Sportler*innen nicht | |
über einen Kamm scheren kann. Ich habe meine Erfahrungen für mich so | |
verarbeitet, wie ich es geschildert habe. Aber man kann auch mit | |
Scheuklappen loslaufen und sich selbst und seine Nation unreflektiert für | |
die Größten halten. Das ist offensichtlich möglich. | |
Wir erleben derzeit wieder eine Debatte, wie sehr sich Sportler*innen | |
politisch einmischen sollen beziehungsweise dürfen. Von Ihnen war in Ihrer | |
aktiven Zeit nicht viel Politisches zu hören. | |
Ich bin damit groß geworden, dass man keine politischen Äußerungen machen | |
durfte, etwa T-Shirts mit Losungen tragen. Dafür wurde man disqualifiziert, | |
siehe zum Beispiel [2][Milorad Čavić]. Innerhalb des Sports habe ich mich | |
schon immer auch mit persönlichem Risiko für Mitsprache der Athletinnen und | |
unsere Rechte, zum Beispiel für freie Materialwahl, eingesetzt. Ich habe | |
den Sport auf Ebene der Athleten immer als politikfreien Raum wahrgenommen. | |
Außenpolitik war und ist Aufgabe der Funktionär*innen. Unsere Aufgabe war | |
es, fair und sauber Sport zu betreiben. Trotzdem fand ich es immer schade, | |
dass wir so deutlich am Ende der Nahrungskette standen – obwohl wir ja die | |
Leistungen erbracht haben. | |
Woran hat sich das gezeigt? | |
Ein Beispiel aus Peking 2008. Ich stand im Olympischen Dorf an einer | |
Bushaltestelle, weil ich in die Stadt wollte. Da kamen die dicken | |
Limousinen: Für jede*n Funktionär*in gab es ein Auto mit Fahrer oder | |
Fahrerin. Eine Funktionärin stieg ins Auto ein, und wir haben gefragt, ob | |
wir mitfahren dürfen, wir wollten ja auch in die Stadt. Nein, sagte sie, | |
auf keinen Fall. Es war so ein Abkanzeln. Ich dachte, wir sind hier Mittel | |
zum Zweck. Ein unschönes Gefühl. | |
27 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://swim.de/aktuell/anklage-in-sieben-punkten-olympiasieger-klete-kelle… | |
[2] https://www.reuters.com/article/us-swimming-europe-cavic-idUSL2157247220080… | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt | |
Schwimmen | |
Sportpolitik | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Bildung | |
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gleichstellungsbericht der Regierung: Digitalisierung ohne Frauen | |
Der Bildungssektor zeigt, welche Faktoren Frauen bei digitalen Themen | |
weiterhin behindern. Gerade dort müsste aber ein Reformprozess ansetzen. | |
AfD vor Landtagswahl Sachsen-Anhalt: Der müde Sturm | |
Die AfD in Sachsen-Anhalt wirkt verbraucht, punkten will sie mit schrillen | |
Positionen. Ihr Spitzenmann ist ein Ex-Schrottautohändler. | |
Badeanzüge für die Meisterschaft: Schwimmrekorde ohne Speedo | |
Topzeiten im Anzug des Schwimmverbandes kamen den Funktionären recht, um | |
auf der Deutschen Meisterschaft von einer heiklen Frage abzulenken: | |
Schwimmt man mit Speedo schneller? | |
Deutsche Sportler planen Protest: Ein Zeichen für die Menschenrechte | |
Während der Spiele in Peking wollen deutsche Sportler ein Zeichen gegen | |
Menschrechtsverletzung setzen. Dabei riskieren die Athlethen ihre | |
Olympiateilnahme. | |
"Sports for Human Rights"-Initiator: "Die Sportler werden alleingelassen" | |
Dürfen sich Olympia-Athleten politisch äußern? "Sports for Human | |
Rights"-Initiator Stefan Pfannmöller beklagt, dass klare Richtlinien für | |
die Olympischen Spiele in Peking fehlen. |