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# taz.de -- Vor Wahl in Sachsen-Anhalt: Die Angst im Nacken
> Sven Rosomkiewicz will für die CDU in den Landtag von Sachsen-Anhalt.
> Doch es könnte knapp werden. Die AfD-Konkurrenz ist das beherrschende
> Thema.
Bild: Sven Schulze enthüllt Ende April ein Wahlplakat der CDU in Magdeburg
Mit einer vollgestopften Umhängetasche über der Schulter läuft [1][Sven
Rosomkiewicz] die schmale Straße entlang, in jeden Briefkasten wirft er
einen Umschlag. „Bürgermeister Sven Rosomkiewicz. Für die Region in den
Landtag“ steht darauf, daneben prangt sein Bild. Drinnen steckt ein Brief,
in dem der 35-Jährige um die Erststimme bei der Landtagswahl am 6. Juni
wirbt. Auf den Straßen in Staßfurt, einer Kleinstadt zwischen Magdeburg und
Halle, sind kaum Menschen unterwegs. Es ist Freitag vor Pfingsten, später
Nachmittag. Am Himmel wechseln sich Sonne und Wolken ab.
„Machst du die andere Seite?“, ruft Rosomkiewicz [2][Anna Kreye] zu, die
auf dem Bürgersteig steht und in ihr Handy tippt. Sie hat gerade ein Video
von Rosomkiewicz für Instagram aufgenommen. „Wir haben heute den
Insta-Account der Jungen Union Deutschland, 35.000 Follower“, sagt sie
stolz. Kreye, Landeschefin der Jungen Union, zählt zu den Helfern von
Rosomkiewicz beim Verteilen. Bis zur Wahl soll jeder der etwa 20.000
Haushalte im Wahlkreis einen seiner Briefe bekommen.
Rosomkiewicz lebt in Borne, einem Dorf gut zehn Kilometer von Staßfurt
entfernt. Seit sieben Jahren ist er in der Kommunalpolitik aktiv, seit 2015
ehrenamtlicher Bürgermeister in seinem Dorf. Um die Zweitstimme für die CDU
geht es in seinem Brief nicht, wohl aber um die AfD. Rosomkiewicz macht –
zwar zwischen den Zeilen, aber doch unmissverständlich – klar, dass er der
Einzige ist, der den Direktkandidaten der radikal Rechten schlagen kann.
„Vielleicht stimmt ja auch der eine oder andere für mich, der mit der
Zweitstimme nicht unbedingt die CDU wählt“, sagt er. Bei der letzten
Landtagswahl 2016 hat die AfD der CDU den Wahlkreis abgenommen, mit gut
sechs Prozentpunkten Vorsprung. Auch jetzt liegt sie hier in den Prognosen
vorn.
## Die AfD sitzt der CDU im Nacken
Für die CDU in Sachsen-Anhalt geht es am 6. Juni um viel. Die AfD sitzt ihr
nicht nur in Staßfurt im Nacken. Nach den letzten Umfragen liefern sich die
beiden Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz. Erklärtes Ziel
der radikal Rechten: Stärkste Kraft werden. Für die CDU und ihren
Ministerpräsidenten Reiner Haseloff wäre das ein Debakel. Wenn es ganz
schlimm kommt, könnte gar die Koalition aus CDU, SPD und Grünen, nach den
Farben der Flagge Kenia genannt, die Mehrheit verlieren. Das Land stünde
vielleicht vor der Unregierbarkeit.
Und dann könnten die Stimmen in der CDU wieder lauter werden, die meinen,
man sollte eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht länger ausschließen. Hinzu
kommt: Die Wahl für den Landtag ist der letzte Stimmungstest vor der
Bundestagswahl im September. Schmiert die CDU hier ab, wird das
Kanzlerkandidat Armin Laschet noch weiter zurückwerfen.
„Ich bin ganz optimistisch“, sagt Anna Kreye und zieht einen neuen Brief
aus ihrem Stoffbeutel. „Wir haben den MP-Bonus.“ Ministerpräsident Reiner
Haseloff sei in der Coronakrise seinen eigenen Weg gegangen, habe sich von
der Kanzlerin distanziert, das sei in Sachsen-Anhalt gut angekommen. Von
Berlin lässt man sich hier nicht gerne reinreden. Allerdings: Nach einer
vor einem halben Jahr erschienenen Analyse für die Landeszentrale für
politische Bildung treibt zwar das Thema Corona die meisten Menschen um.
Gleich dahinter aber folgen Zuwanderung und Flüchtlinge – was sich
vermutlich bei der AfD auszahlen wird.
Wie hält es die CDU mit der radikal rechten Partei? „Mit Reiner Haseloff
als Ministerpräsidenten und Sven Schulze als Parteivorsitzenden wird es
definitiv keine Annäherung an die AfD geben“, sagt JU-Chefin Kreye. Und das
sei richtig so. „Klare Abgrenzung, zu hundert Prozent“, meint auch
Rosomkiewicz. „Aber das gilt in beide Richtungen, auch für die Linken.“
Die CDU in Sachsen-Anhalt sei eine Partei, die sich nur noch über
Abgrenzung definiere, hat die Süddeutsche jüngst kommentiert. Fragt man den
Politikwissenschaftler Benjamin Höhne vom Institut für
Parlamentarismusforschung, wohin die CDU im Land treibe, sagt er: „Die CDU
in Sachsen-Anhalt will vor allem regieren. Deshalb ist derzeit die Devise:
Geschlossenheit herstellen, Zusammenhalten und ein gutes Wahlergebnis
erzielen.“ Die große Frage sei, was passiere, wenn das schiefgehe. „Dann
wird es eng für Haseloff“, sagt Höhne. „Schwer zu sagen“ sei mit Blick …
die Abgrenzung zur AfD, was geschehe, wenn Haseloff falle, meint der
Politikwissenschaftler. „Die CDU in Sachsen-Anhalt ist schwer zu regieren,
da gibt es viele unabhängige Geister.“
## Zusammenarbeit ausgeschlossen
[3][Sven Schulze] ist der Mann, der diese unabhängigen Geister im Zaum
halten soll. Seit März ist Schulze, 41, Chef der Landespartei. Geplant war
das nicht. Doch als [4][Holger Stahlknecht], sein Vorgänger, während des
Koalitionsstreits über die Erhöhung der Rundfunkgebühren Ende vergangenen
Jahres über eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD spekulierte, warf
Haseloff ihn als Innenminister raus, kurz darauf legte Stahlknecht den
Parteivorsitz nieder. Schulze, der sich selbst als „Mitte“ und „Mann der
Wirtschaft“ bezeichnet, hat bei seiner Wahl eine Zusammenarbeit mit der AfD
und der Linken eindeutig ausgeschlossen. Der Ex-Generalsekretär, der im
Gemeinderat und im Kreistag saß und die Junge Union im Land angeführt hat,
bekam 84 Prozent der Stimmen.
Ein Montagmittag Mitte Mai, Schulze empfängt in der Zentrale der Landes-CDU
in Magdeburg, dritter Stock in einem Neubau direkt am Elbufer. Der
Wirtschaftsingenieur, offenes, weißes Hemd, Jeans, knallblaue Socken, sitzt
locker zurückgelehnt in einem Sessel und plaudert los. Über seine erste
Kiwi nach der Wende im Alter von zehn, seine Arbeit im Europaparlament, wo
er der einzige Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt ist, und die 100.000
Autokilometer, die er jährlich über die Autobahnen brettert. Seit 2014
pendelt er zwischen Brüssel und Magdeburg. Im Europaparlament, sagt
Schulze, könne man nur mithilfe von Kompromissen Politik voranbringen. „Und
so will ich das hier auch machen.“
Die Lage der CDU im Osten sei kompliziert, sagt Schulze. „40 Prozent der
Landtagsabgeordneten sind unsere politischen Feinde, sie scheiden als
Koalitionspartner aus.“ Neben der AfD gehört dazu auch die Linkspartei.
Fragt man Schulze nach der AfD, liefert er die Linken immer gleich mit. Im
Jahr 2016, als die AfD erstmals in den Landtag einzog und mit 24,3 Prozent
ihr bis dahin bundesweit bestes Ergebnis holte, blieb deshalb nur die
Kenia-Koalition.
Jetzt spürt man vielerorts in der CDU die Angst, es könne für eine
Fortsetzung der Koalition nicht reichen. Und dann? „Es wird reichen“, sagt
Schulze dazu knapp. Und dass auch eine Konstellation mit der FDP denkbar
sei. Laut Umfragen kann diese mit einem Einzug in den Landtag rechnen.
Schulzes Problem: In zahlreichen Punkten ist die AfD den Christdemokraten
deutlich näher als ihren jetzigen Koalitionspartnern, das gilt sowohl
inhaltlich als auch habituell. Neben „substanziell Trennendem“ sieht
Politikwissenschaftler Höhne auch „deutliche Schnittmengen“, etwa die Nähe
bei der Selbstverortung auf der Links-rechts-Achse oder dem Verständnis,wie
Politik gefühlt und gemacht werde. CDU-Landeschef Schulze will von diesen
Schnittmengen nichts wissen. „Das würde ich nicht so sehen“, sagt er knapp.
Auch Sven Rosomkiewicz und Anna Kreye weisen diese These zwischen zwei
Briefkästen in Staßfurt brüsk zurück. „Die AfD hat einzelne von uns als
Volksverräter bezeichnet, das geht gar nicht“, sagt Kreye. „In zwei Wochen
tritt hier Björn Höcke auf“, ergänzt Rosomkiewicz. „Da sieht man doch, wo
die stehen.“
Bevor Sachsen-Anhalt als erstes Bundesland mit einer Kenia-Koalition aus
einer Landtagswahl hervorging, hatten Christdemokraten und SPD gemeinsam
regiert, doch Verluste bei der CDU, besonders aber bei den Sozialdemokraten
und das gute Ergebnis der AfD zwangen die Grünen mit ins Kabinett. Eine
Wunschkoalition war das nicht – und entsprechend konfliktreich die
Regierungszeit.
## „Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?“
Der Streit über die Erhöhung der Rundfunkgebühren Ende vergangenen Jahres,
der die Koalition an den Rande des Bruchs brachte, war da nur der letzte
Höhepunkt. Die Christdemokraten setzten sich durch, auch gegen die
Bundespartei, Haseloff galt plötzlich als Macher. Das alles sei auch
„Symbolpolitik, die die ostdeutsche Seele streichelt“, sagt
Politikwissenschaftler Höhne.
Ärger aber gab es auch vorher schon. Als Ex-Innenminister [5][Stahlknecht]
etwa kurz vor dem Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge in Halle
sinngemäß sagte, es gebe in Sachsen-Anhalt auch deshalb zu wenige
Polizist:innen, weil diese jüdische Einrichtungen schützten. Der Zentralrat
der Juden warf ihm Antisemitismus vor und forderte seinen Rücktritt, die
Koalitionspartner:innen waren entsetzt. Stahlknecht beteuerte, „ein
Missverständnis“ – und durfte bleiben.
Oder als im Dezember 2019 bekannt wurde, dass der CDU-Kreispolitiker
[6][Robert Möritz] eine rechtsextreme Vergangenheit samt Nazi-Tattoo hat
und Mitglied des Vereins Uniter war, in dem sich zahlreiche Rechtsextreme
tummelten. Die Grünen fragten mit Bezug auf das Tattoo plakativ: „Wie viele
Hakenkreuze haben Platz in der CDU?“, die CDU stellte die Koalition
infrage. Möritz trat zurück, die Koalition regierte weiter.
Anfang Mai, die Landesregierung hat zur Bilanzpressekonferenz geladen,
Ministerpräsident Haseloff sitzt in einem Saal der Staatskanzlei zwischen
seinen Stellvertreterinnen von SPD und Grünen und lobt die „sehr gute,
kollegiale Zusammenarbeit“. Man habe „in erheblichem Maße zur Stabilität
beigetragen“. Auch seine Vizes ziehen eine positive Bilanz, würdigen die
Umsetzung vieler anvisierter Projekte. Für eine Verbindung, von der die
meisten dachten, sie würde die Legislaturperiode niemals überstehen, ist
das keine schlechte Bilanz. Alle drei machen klar: Sie würden die Koalition
fortsetzen. Von Streit ist keine Rede.
Mittendrin in all den Auseinandersetzungen war Markus Kurze, der
Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Kurze hochgegelte Haare,
bubiges Gesicht und eine große Portion Regionalstolz, ist er ein redseliger
Mann. Stolz präsentiert er sein Büro mit Blick auf den Magdeburger Dom und
ein gemeinsames Foto mit Angela Merkel. Kurze sagt, in einer Volkspartei
müsse es auch unterschiedliche Auslegungen von Konservatismus geben dürfen.
Wie weit das gehen kann, das ist ein Streitpunkt innerhalb der CDU
Sachsen-Anhalts.
## Das Soziale mit dem Nationalen versöhnen?
Denn manche liebäugeln mit einer Annäherung an die AfD. Lars-Jörn Zimmer
und Ulrich Thomas, die beiden Fraktionsvizechefs zum Beispiel. Im Jahr 2019
veröffentlichten sie eine Denkschrift, in der sie Gespräche über eine
mögliche Zusammenarbeit mit der AfD forderten. Die CDU müsse „das Soziale
mit dem Nationalen versöhnen“, hieß es darin. Weder Zimmer noch Thomas
wollen mit der taz reden. Eine Sprecherin sagt, alle überregionalen
Medienanfragen würden abgelehnt, wegen fehlender Objektivität. Die CDU hat
Zimmer und Thomas auf Platz drei und vier auf ihrer Landesliste gewählt,
Kurze steht auf Platz fünf.
Auch ihm wird zuweilen eine Nähe zum rechten Flügel der Partei nachgesagt.
Fragt man ihn, ob er wertkonservativ sei oder die Denkschrift unterstütze,
verneint er. „Das Bewährte bewahren und Modernes wagen“ sei sein Credo.
Kurze sagt aber auch, die CDU büße an Glaubwürdigkeit ein, weil straffällig
gewordene Asylbewerber nicht konsequent abgeschoben würden. Wo da der
Unterschied zum „kriminelle Ausländer abschieben“ der AfD ist? „Wir haben
diese Forderungen schon viel länger“, sagt Kurze. Und: Die CDU stehe für
Weltoffenheit.
Es gibt noch weitere Anzeichen einer Annäherung an die AfD, im Kommunalen
sowieso, aber auch auf der Landesebene. Etwa die Zustimmung der
Christdemokraten zur Einsetzung einer Enquetekommission zum Thema
„Linksextremismus“, die die AfD 2017 beantragt hatte. Markus Kurze erklärt
das so: Bevor es die AfD gab, sei die CDU das erste Angriffsziel der
Linksextremen gewesen. Diese näher untersuchen zu wollen, sei deshalb
nachvollziehbar.
Kurze hatte sich, wie viele Christdemokrat:innen in Sachsen-Anhalt,
erst Friedrich Merz als Parteichef, dann Markus Söder als Kanzlerkandidaten
gewünscht. Bekommen haben sie Armin Laschet. „Er ist hier zu unbekannt“,
sagte Kurze. Und dass Laschet gut daran täte, sich in Magdeburg sehen zu
lassen. „Für Ostdeutsche reicht eine Charmeoffensive als Karnevalsfrohnatur
nicht.“
Auch Anna Kreye, die JU-Chefin, die am Freitagnachmittag weiter fleißig
Umschläge in Briefkästen steckt, hatte sich für Söder stark gemacht. In der
entscheidenden Sitzung im Bundesvorstand, dem sie seit Januar angehört,
sagte sie, dass Laschet bestimmt ein guter Kanzlerkandidat sei, aber nicht
vor der Wahl in Sachsen-Anhalt. Von Söder, sagt sie jetzt, habe sie sich
Rückenwind und „zwei, drei Prozentpunkte obendrauf“ erhofft. „Aber jetzt
müssen wir uns alle hinter Armin Laschet stellen, um die Bundestagswahl zu
gewinnen.“ Söder hat am Vormittag mit Haseloff den Chemiestandort Leuna
besucht, am Tag darauf erscheint ein Interview in der Lokalpresse. Auch
Merz war schon mit Haseloff unterwegs. Laschet wird am Wochenende erwartet.
Nach den jüngsten Umfragen könnte es für eine Kenia-Koalition mit
Ministerpräsident Haseloff an der Spitze knapp werden. Doch selbst wenn es
reicht, wäre damit die Sache noch nicht entschieden. Denn der
Landesparteitag der CDU hat im März überraschend beschlossen, dass die
Parteimitglieder der Fortsetzung der Koalition zustimmen müssen. Bei vielen
von ihnen aber ist das Bündnis unbeliebt, sind besonders die Grünen nicht
gut gelitten.
Frage an CDU-Landeschef Schulze in der Parteizentrale am Magdeburger
Elbufer: Was ist, wenn Sie beim Mitgliederentscheid baden gehen? „Wir gehen
nicht baden“, sagt Schulze. „Die Mitglieder wissen, dass wir gute Arbeit
gemacht haben, nicht nur in der letzten Legislaturperiode. Wir führen seit
fast 20 Jahren die Staatskanzlei“, das sei nicht in vielen Ländern der
Fall. „Wenn wir eine Koalition ausgehandelt haben, ist es auch meine
Aufgabe, gemeinsam mit Reiner Haseloff den Mitgliedern zu erklären, was wir
bekommen haben und was nicht.“ Sie müssten dann eben viel in die
Kreisverbände gehen und reden.
Einigen Mitgliedern aus Halle und Magdeburg, die sich zur Initiative „Für
eine neue CDU Sachsen-Anhalt“ zusammengeschlossen haben, reicht das nicht.
In einem offenen Brief fordern sie von der Parteispitze wie von allen
Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahl eine strikte Ablehnung
jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD. Sie befürchten, dass die
Parteimitglieder eine Neuauflage der Kenia-Koalition durchfallen lassen
könnten und dann, damit das Land nicht unregierbar wird, eine
Zusammenarbeit mit der AfD doch kommen könnte – und verweisen dabei auf die
Wahl des Kurzzeitministerpräsidenten Thomas Kemmerich von der FDP in
Thüringen.
„Unnötig“ nennt Schulze das. „Das können wir jetzt gar nicht brauchen, …
der Eindruck entsteht, wir könnten mit der AfD etwas anfangen“, wettert er
und sitzt plötzlich ganz aufrecht in seinem Sessel. „Es ist doch ganz klar:
Wir machen mit der AfD nichts, dafür gibt es Beschlüsse. Und das hab ich
gesagt und Reiner Haseloff auch.“
Sabine Wölfer, die Landesvorsitzende der Frauenunion, hat den offenen Brief
unterschrieben. „Wir sind eine Mitmachpartei, da darf man mitdenken und das
mache ich“, sagt sie am Telefon. Ihre ehemalige Stellvertreterin Kerstin
Rinke ist gar wegen „dieses Austestens von Grenzen, dieser kontinuierlichen
Verschiebung nach rechts“ aus der Partei ausgetreten, so hat sie es selbst
formuliert. Auslöser war die Aufstellung der Landesliste, bei der die
Verfasser der Denkschrift auf den Plätzen drei und vier landeten, aber nur
eine Frau es auf einen der ersten 14 Plätze schaffte. Dies sei die
„frauenfeindlichste Liste, die die CDU Sachsen-Anhalt jemals aufgestellt
hat“, kritisierte Rinke. „Ich musste erleben, dass sämtliche Bemühungen,
engagierte und kompetente Frauen stärker in verantwortliche Positionen zu
bekommen, die nicht nur im Ehrenamt ausgeführt werden, gescheitert sind.“
Wölfer teilt diese Kritik an der Liste. „Da standen wir als Frauenunion
zusammen.“
Fragt man CDU-Chef Schulze, der sich in der CDU-Zentrale inzwischen wieder
gemütlich in seinem Sessel zurückgelehnt hat, danach, sagt er: „Wir haben
erkannt, dass das eine Herausforderung ist.“ Man sei aber besser, als
unterstellt werde. „Ein Riesenproblem ist das nicht.“ Schon die nächste
Fraktion werde weiblicher sein. Insgesamt kandidieren neun CDU-Frauen für
Direktmandate. Derzeit sind zwei der dreißig CDU-Angeordneten weiblich.
Schlechter ist der Schnitt nur bei der AfD. Anna Kreye, die
JU-Landeschefin, sieht das anders als Schulze. „Zu Recht“ habe es die
Kritik an der Landesliste gegeben. „Die Liste sieht nicht gut aus. Das muss
anders werden, dafür werde ich mich einsetzen.“
Kreye, Rosomkiewicz und die anderen JU-ler:innen haben in Staßfurt die für
heute geplanten Straßen abgeklappert. Inzwischen hat sich die Abendsonne
durchgesetzt, aus einem Garten zieht der Geruch von gegrilltem Fleisch
herüber. „Ich mach mir nicht vor, dass es einfach wird“, sagt Rosomkiewicz
zum Abschied. Der AfD-Kandidat werde 25 bis 30 Prozent holen. „Aber
vielleicht bekomme ich am Ende doch mehr.“ Dann geht er zurück zu seinem
Fiat, der immer noch voller Kisten mit Briefen ist. Auf dem kleinen Auto
steht neben einem großen Foto von ihm: „Für die Region in den Landtag. Mit
Ihrer Erststimme.“
27 May 2021
## LINKS
[1] https://www.cdu-salzland.de/personen/sven-rosomkiewicz
[2] https://www.cdulsa.de/artikel/anna-kreye-ist-neue-vorsitzende-der-jungen-un…
[3] https://www.schulze-europa.eu/
[4] /Regierungskrise-in-Sachsen-Anhalt/!5736690
[5] /Schutz-von-juedischen-Einrichtungen/!5716143
[6] /Parteiausstieg-von-Robert-Moeritz/!5651895
## AUTOREN
Sabine am Orde
Sarah Ulrich
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