| # taz.de -- AfD nach Urteil zu Einstufung: Es rumort mal wieder | |
| > Nachdem ein Gericht die Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ gebilligt | |
| > hat, übt sich die Partei in Durchhalteparolen. Aber es herrscht Unruhe. | |
| Bild: War vom Kölner Urteil „enttäuscht“: AfD-Chef Tino Chrupalla (rechts… | |
| BERLIN/KÖLN taz | Tino Chrupalla gab sich zerknirscht. Das Urteil habe ihn | |
| „überrascht“, sagte der AfD-Chef. Man teile die Auffassung des | |
| Verwaltungsgerichts nicht. Und natürlich sei er enttäuscht. „Ist ja ganz | |
| klar.“ Man werde das Urteil nun „sorgsam“ prüfen und über Rechtsmittel | |
| beraten. | |
| Tatsächlich markiert die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln eine | |
| erneute Zäsur für die AfD. Am späten Dienstagabend hatte das Gericht | |
| [1][nach zehnstündiger Verhandlung entschieden], dass die Einstufung als | |
| rechtsextremer Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfasssungsschutz | |
| rechtmäßig ist. Es gebe „ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für | |
| verfassungsfeindliche Bestrebungen“. Dazu zählten ein „ethnisch | |
| verstandener Volksbegriff“, aus dem „Fremde“ möglichst ausgeschlossen | |
| werden sollten. | |
| Die Materialsammlung des Bundesamtes dazu sei „nicht zu beanstanden“, | |
| befand das Gericht. Belastende Äußerungen seien nicht aus dem Zusammenhang | |
| gerissen. Die Einstufung als Verdachtsfall erfordere auch keine sichere | |
| Gefahr, es genüge ein Gefahrverdacht. „Wenn es im Erdreich nach Öl riecht, | |
| ist eine Probebohrung erlaubt“, sagte Richter Michael Huschens. | |
| Für Chrupalla und seine AfD stehen nun wiedermals wegweisende Wochen bevor. | |
| Bereits im Januar hatte der langjährige Vorsitzende [2][Jörg Meuthen die | |
| Partei verlassen] und eine Radikalisierung der AfD beklagt – die er indes | |
| lange mitbefeuerte. Nun gibt es auch einen gerichtlich abgesegneten | |
| Rechtsextremismusverdacht. Und für [3][Beamte in der Partei] stellt sich | |
| verschärft die Frage, wie lange sie noch in der Partei bleiben können. | |
| ## „Von Dummköpfen an die Wand gefahren“ | |
| Punktgenau ab Mittwoch traf sich die AfD-Bundestagsfraktion zu einer | |
| Klausur im Thüringischen Oberhof. Diskutiert werden sollte etwa die | |
| Positionierung zur Russlandinvasion in der Ukraine, welche in der Partei | |
| umstritten ist und von der Führung bisher eher mild kommentiert wurde. Nun | |
| aber ging es auch um das Kölner Urteil. Nach draußen drang dazu wenig. Und | |
| Chrupalla erklärte kämpferisch, man werde sich weiter „mit aller Kraft für | |
| eine alternative Politik einsetzen“. | |
| In der Partei aber herrscht Unruhe, mal wieder. Neben Meuthen gab es | |
| [4][zuletzt weitere Austritte], die Mitgliederzahl liegt wieder unter | |
| 30.000. In der Partei klammerte man sich an einen Teilerfolg: Denn das | |
| Gericht hatte auch entschieden, dass der Verfasssungsschutz nicht mehr den | |
| 2020 formal aufgelösten Flügel als rechtsextreme Bestrebung bewerten dürfe, | |
| weil nicht belegt sei, dass dieser noch existiere. Und auch sonst bleibe | |
| die Partei ja nur ein Verdachtsfall, „wirklich belastendes Material“ fehle | |
| weiterhin, behauptete etwa Bayerns AfD-Fraktionschef Ulrich Singer. Einer | |
| der Abtrünningen, [5][Uwe Junge], einst Fraktionschef in Rheinland-Pfalz, | |
| ätzte aber: Die Partei werde „von radikalen Dummköpfen an die Wand | |
| gefahren“. Und Chrupalla sei „ein Amateur im Höhenflug“. | |
| ## Verfassungsschutz kann bald Überwachung starten | |
| Auf der anderen Seite gab sich Verfasssungsschutzpräsident Thomas | |
| Haldenwang erleichtert: „Das ist ein guter Tag für die Demokratie.“ Sein | |
| Amt könne nun bald „den Besteckkasten auspacken“. Noch muss der | |
| Verfassungsschutz das Ende des Eilverfahrens vor dem Gericht und mögliche | |
| Rechtsmittel der AfD abwarten. Dann aber kann er systematisch Informationen | |
| über die Partei erheben, Personenakten anlegen, Kommunikation überwachen | |
| oder V-Leute anwerben. | |
| Rekrutierungsprobleme sind nicht zu erwarten. So hieß es vor einiger Zeit | |
| schon aus Sicherheitskreisen, dass sich AfD-Aktive selbst als Spitzel | |
| angeboten hätten. Der Brandenburger Verfasssungsschutzchef Jörg Müller, wo | |
| die AfD seit 2019 eingestuft ist, erklärte offen, er könne sich „über die | |
| Zugangslage nicht beklagen“. | |
| Haldenwang betonte aber auch die gebotene Verhältnismäßigkeit. So sind | |
| direkte Parlamentsaktivitäten von AfDlern für sein Amt tabu. Wenn aber | |
| Abgeordnete wie zuletzt in Bayern in privaten Chats über einen Bürgerkrieg | |
| schwadronieren, sieht das schon wieder anders aus. | |
| ## Weiter Einzelfallentscheidungen bei Beamten | |
| Brenzlig für die AfD ist auch die Lage der [6][Beamten in der Partei] – | |
| Polizist:innen, Soldat:innen oder Lehrer:innen. Der Beamtenbund wurde am | |
| Mittwoch bereits deutlich. „Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des | |
| Grundgesetzes steht, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen“, erklärte | |
| eine Sprecherin. Die AfD-Einstufung als Verdachtsfall erlaube aber weiter | |
| kein pauschales Vorgehen gegen Beamte. Es bedürfe Einzelfallnachweisen, | |
| dass die Person nicht vorbehaltslos zum demokratischen Rechtsstaat stehe. | |
| Erst bei einer höchstrichterlich festgestellten Verfassungsfeindlichkeit | |
| seien automatische Disziplinarverfahren möglich. | |
| Josef Schuster vom Zentralrat der Juden betonte derweil, mit der Einstufung | |
| werde nun „das wahre Gesicht der AfD, das vielfach Züge einer | |
| rechtsextremen Fratze trägt, endgültig sichtbar“. Die politische | |
| Auseinandersetzung mit der AfD dürfe jetzt nicht enden, „sondern muss nun | |
| erst recht mit Verve geführt werden“. | |
| 9 Mar 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
| Konrad Litschko | |
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