# taz.de -- AfD-Bezüge zum Nationalsozialismus: „Das freundliche Gesicht des… | |
> Der Bundesvorstand der AfD beschäftigt sich mit unerfreulichen | |
> Personalien. Dabei geht es auch um geleakte Chats mit Bezügen zum | |
> Nationalsozialismus. | |
Bild: Auf Stimmenfang: Wahlkampfbus in Cottbus | |
Mehrere AfD-Kandidaten für den Bundestag stehen aktuell in der öffentlichen | |
Kritik. Neben weiter andauernden innerparteilichen Verwerfungen bezüglich | |
der Aufklärung der Berateraffäre um [1][Tom Rohrböck] sowie anhaltenden | |
Flügelkämpfen beschäftigt den Bundesvorstand derzeit vor allem eine | |
Personalie aus Nordrhein-Westfalen. Der Bundesvorstand der Partei will am | |
Montag nach geleakten Chats mit positiven Bezügen auf den | |
Nationalsozialismus über Ordnungsmaßnahmen gegen Matthias Helferich | |
verhandeln. Der 31-jährige Jurist aus Dortmund hat gute Chancen, über die | |
Landesliste in den Bundestag einzuziehen und ist Vizechef der AfD | |
Nordrhein-Westfalen. | |
In geleakten Facebook-Nachrichten soll Helferich ein Foto von sich selbst | |
mit „das freundliche Gesicht des NS“ kommentiert haben. Vom [2][WDR | |
veröffentlichte Screenshots] belegen glaubhaft die Authentizität der | |
Nachrichten aus dem Jahre 2017. Laut der Recherche zitierte Helferich zudem | |
Adolf Hitler und prahlte mit Kontakten in die extrem rechte Szene in | |
Dortmund-Dorstfeld. Er pflege sein bürgerliches Image nur zum Schein, | |
äußerte er im Chat. Helferich bestreitet nicht, die Aussagen getätigt zu | |
haben, bestätigt sie aber auch nicht. | |
So soll er seinem Parteikollegen Markus Mohr geschrieben haben: „markus, | |
der führer schreibt: ‚Jahrelang mussten mir den Frieden predigen, um den | |
Krieg vorzubereiten‘.“ (Fehler im Original). Mohr soll dem Bundesvorstand | |
eine siebenseitige Erklärung mit „gerichtsfest dokumentierten“ Chats | |
vorgelegt haben. Mohr, AfD-Stadtrat aus Aachen, tritt als Chefankläger in | |
der Affäre auf und sagt, die Chats seien nicht als Witzeleien zu | |
bagatellisieren, sondern Gesinnungsäußerungen gewesen. | |
Demzufolge soll Helferich sich darüber hinaus als „demokratischen Freisler“ | |
bezeichnet haben, also den [3][bekanntesten NS-Richter Roland Freisler], | |
der Teilnehmer der Wannseekonferenz war, als Vorbild genannt haben. Die | |
Ruhr Nachrichten berichteten zudem zusammen mit der Rechercheredaktion | |
Correctiv, dass Helferich erklärt habe, Kornblumen zu züchten, die als | |
Erkennungszeichen der österreichischen Nationalsozialisten gelten. Er soll | |
auch ein Foto von einer Kornblume verschickt haben mit dem Hinweis: „Die | |
kornblume: geheimes Symbol der nationalsozialisten während des verbots in | |
österreich.“ | |
## Die Junge Alternative steht hinter Helferich | |
Die Jugendorganisation der AfD, Junge Alternative, die seit Januar 2019 vom | |
Verfassungsschutz als extremistischer Verdachtsfall „mit islamfeindlicher | |
Haltung“ geführt wird, bekannte sich trotz der bekannt gewordenen Zitate | |
offen zu Helferich. Helferich gilt ebenso als Vertrauter des | |
NRW-Landesvorsitzenden Rüdiger Lucassen, des verteidigungspolitischen | |
Sprechers der AfD im Bundestag. | |
Vergangenen Montag sollte Helferich sich zu den Chats beim Bundesvorstand | |
erklären, ebenso wurde NRW-Chef Lucassen angehört – danach sollte noch ein | |
gemeinsames Statement des Landesverbands eingeholt werden, bevor eine | |
Entscheidung über etwaige Ordnungsverfahren diesen Montag getroffen werden. | |
Zu einer gemeinsamen Erklärung des Landesvorstands in Bezug auf die | |
Chatnachrichten kam es allerdings nach taz-Informationen nicht. Denn | |
während Teile des NRW-Vorstands Helferich [4][für seine Äußerungen | |
kritisieren], nimmt ihn der NRW-Landeschef Lucassen vor der Sitzung des | |
Bundesvorstands in Schutz. | |
Lucassen sagte der taz: „Der Bundesvorstand und namentlich Jörg Meuthen | |
beschäftigen sich in der Causa Helferich mit einem 5 Jahre alten Privatchat | |
und streben offensichtlich Sanktionen an, bis hin zu einem | |
Parteiausschlussverfahren.“ Der Bundesvorstand müsse sich darüber im Klaren | |
sein, dass das dem Denunziantentum Tür und Tor öffne, sagte Lucassen: | |
„Unsere Partei wird nicht mehr zur Ruhe kommen.“ | |
Er plädiere „eindringlich“ an die Bundessprecher, „sich schützend vor | |
unsere Partei und unsere Mitglieder zu stellen. Wir brauchen weniger | |
Sanktionen, aber mehr Schutz vor öffentlichem und medialem Druck,“ so | |
Lucassen. | |
## Ein Ex-Fraktionsgeschäftsführer warnt | |
Wenig überraschend schätzt Bundessprecher Jörg Meuthen die Angelegenheit | |
deutlich anders ein. Meuthen gilt mittlerweile als Gegenpol zum angeblich | |
aufgelösten „Flügel“. Er äußerte sich im ZDF-Sommerinterview zum Fall | |
Helferich recht deutlich: „Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, | |
dass das Äußerungen sind, die in unserer Partei ganz und gar nicht gehen“, | |
sagte er. | |
Dass es sich bei Aussagen wie denen von Helferich keineswegs um Einzelfälle | |
handelt, bezeugt aktuell auch ein AfD-Aussteiger. So berichtet der | |
ehemalige Fraktionsgeschäftsführer aus Berlin, Christian Hirsch, in einer | |
[5][Doku des Ersten] aus dem Innenleben der AfD: Die Partei sei in weiten | |
Teilen nicht geschichtsvergessen, wie ihr immer wieder vorgeworfen werde. | |
Er habe in seiner Zeit als Mitarbeiter dort „viele Menschen“ kennen | |
gelernt, die sich sehr mit Geschichte beschäftigt hätten und das [6][Dritte | |
Reich vielmehr als Blaupause], denn als Warnung betrachten, so Hirsch. | |
Hirsch hatte unter einem Pseudonym auf Basis seiner Erfahrungen in der AfD | |
Anfang des Jahres den fiktionalen Roman „Machtergreifung“ veröffentlicht. | |
Mittlerweile hat er sich entschlossen, mit seinem richtigen Namen an die | |
Öffentlichkeit zu gehen, um im Vorfeld der Bundestagswahl vor der AfD zu | |
warnen. Er beschreibt „Träumereien von Straßenkämpfen“ und dass er wie d… | |
meisten Beobachter*innen der AfD davon ausgehe, dass das angeblich | |
aufgelöste völkische Flügel-Lager weiter existiere und versuche, die Partei | |
unter Kontrolle zu bringen. | |
Die Gruppe wolle „nach der innerparteilichen Machtergreifung auch eine | |
[7][gesamtgesellschaftliche Machtergreifung]“, so Hirsch. Er war | |
Fraktionsgeschäftsführer und Referent für drei AfD-Fraktionen – im Landtag | |
von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie zuletzt im | |
Abgeordnetenhaus von Berlin. 2017 habe er dort gekündigt, weil die Partei | |
sich radikalisiert habe. | |
Die Spitzenkandidat*innen für die Bundestagswahl, Alice Weidel und | |
Tino Chrupalla, waren beide Wunschkandidat*innen der völkischen | |
Parteiströmung des ehemaligen Flügels. Ebenso setzte sich der Flügel im | |
Bundeswahlprogramm an vielen Stellen durch – etwa mit der Forderung nach | |
dem EU-Austritt Deutschlands. | |
Von dem Brandenburger Bundestagskandidaten [8][Hannes Gnauck] wurde | |
unterdessen bekannt, dass er vom militärischen Geheimdienst MAD als | |
„Extremist“ eingestuft wurde. Gegen den Soldaten lief wegen nicht näher | |
bekannter Sachverhalte ein Disziplinarverfahren, wie der RBB berichtete. | |
Gnauck wolle demnach [9][gegen die Einstufung vorgehen]. | |
## Umstrittene Auslandsbesuche | |
Für sogar internationale Kritik sorgte unterdessen die Berliner | |
Landesvorsitzende und Bundestagskandidatin Beatrix von Storch. Nachdem sie | |
sich mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro getroffen hat, | |
[10][erklärte Brasiliens wichtigstes Holocaust-Museum], dass das Treffen | |
eine Belastung „für den Aufbau einer kollektiven Erinnerung an den | |
Holocaust in Brasilien und für die Demokratie sei“. Fotos von dem Treffen | |
vor drei Wochen veröffentlichte von Storch vergangene Woche. Sie schrieb | |
dazu, dass sich die AfD stärker international vernetzen wolle und sie tief | |
beeindruckt sei vom Verständnis Bolsonaros „für die politischen | |
Herausforderungen unserer Zeit“. | |
Dessen „politisches Verständnis“ besteht derzeit allerdings zu großen | |
Teilen in der Negierung der Klimakrise sowie einem besonders krassen | |
Missmanagement der Coronakrise. Bolsonaro muss sich seit Monaten großen | |
zivilgesellschaftlichen Protesten stellen. In Brasilien wütete Corona | |
besonders heftig, weil Bolsonaro die Krankheit immer wieder verharmloste | |
und teilweise aktiv gegen die Versorgung mit Impfstoffen vorging. Das | |
Gesundheitssystem [11][kollabierte stellenweise], in Brasilien starben bis | |
heute [12][550.000 Personen an Covid-19] – mehr Pandemietote gibt es nur in | |
den USA. Auch Teile der AfD verharmlosen die Pandemie oder hängen | |
Verschwörungsideologien an. | |
Innerparteilich gab es keine große Kritik an von Storchs Stippvisite in | |
Brasilien. Für mehr Verwerfungen sorgt da eher der Russlandkurs der AfD. | |
Neben anderen hatte wiederum der Bundesvorsitzende Meuthen kritisiert, dass | |
Spitzenkandidat Chrupalla einen Besuch in Moskau absolviert hatte und dort | |
in einer Rede die Strategie der Alliierten nach 1945 mit Nazipropaganda | |
verglichen hatte. Die andere Spitzenkandidatin, Alice Weidel, war vor der | |
für die AfD schlecht ausgegangenen Landtagswahl in Baden-Württemberg zu | |
Gast in Moskau. | |
1 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Affaere-um-AfD-Berater-Tom-Rohrboeck/!5786980 | |
[2] https://www1.wdr.de/nachrichten/chat-aussagen-afd-landesvize-helferich-102.… | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Roland_Freisler | |
[4] https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/vorwuerfe-gegen-dortmunder-afd-kand… | |
[5] https://www.ardmediathek.de/video/reportage-und-dokumentation/die-afd-im-su… | |
[6] https://twitter.com/reportmuenchen/status/1419587545789132801 | |
[7] https://www.tagesschau.de/investigativ/mdr/afd-insider-rechtsextreme-machte… | |
[8] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/07/brandenburg-afd-hannes-gnauck-… | |
[9] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/07/gnauck-afd-will-gegen-einstufu… | |
[10] https://www.spiegel.de/ausland/brasilien-jair-bolsonaro-hat-beatrix-von-st… | |
[11] https://www.sueddeutsche.de/politik/brasilien-gesundheitssystem-kollabiert… | |
[12] https://www.zeit.de/news/2021-07/25/brasilianer-gehen-gegen-bolsonaro-auf-… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
## TAGS | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
rechtsextrem | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alice Weidel | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
AfD Nordrhein-Westfalen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Keine Aufnahme in AfD-Fraktion: Helferich muss draußen bleiben | |
Trotz einfacher Mehrheit gelingt dem „freundlichen Gesicht des NS“ nicht | |
die Aufnahme in die AfD-Fraktion. Kritik kommt aus der Jungen Alternative. | |
Verwaltungsgericht Köln zur AfD: AfD darf überwacht werden | |
Der Verfassungsschutz hat die AfD als extremistischen „Verdachtsfall“ | |
eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat das nun gebilligt. | |
Globale Allianzen der neuen Rechten: Predigt von ganz rechts | |
Evangelikale und Rechtsradikale vernetzen sich, von Brasilien bis nach | |
Niedersachsen. Im Zentrum der Allianz steht auch ein AfD-Politiker. | |
AfD in der Krise: Katerstimmung bei Wahlkampfauftakt | |
Beim Auftakt gaben sich die AfD-Spitzenkandidaten Weidel und Chrupalla | |
zahm. Das „freundliche Gesicht des NS“ sitzt bald in ihrer Fraktion. | |
Ämtersperre gegen AfD-Kandidaten: Für den Bundestag reicht’s noch | |
AfD-Bundestagskandidat Matthias Helferich schrieb unter sein Foto „das | |
freundliche Gesicht des NS“. Er wird für Ämter gesperrt, doch bleibt | |
Kandidat. | |
Machtkampf in der Hamburger AfD: Revolte der „Flügel“-Anhänger? | |
Laut einem anonymen Schreiben versuchen AfD-Abgeordnete, die dem | |
rechtsextremen „Flügel“ nahe stehen, den Hamburger Landesvorstand | |
abzusetzen. | |
Affäre um AfD-Berater Tom Rohrböck: Alles andere als normal | |
Die AfD wirbt mit der Wiederherstellung der „Normalität“. Eine Affäre um | |
Strippenzieher Tom Rohrböck kommt da ungelegen und sorgt intern für Streit. | |
Parteitag der NRW-AfD: Radikale im „Schnellen Brüter“ | |
Im internen Machtkampf verliert der von Höcke angeführte „Flügel“ in NRW | |
nur formell. Inhaltlich geht es weiter nach rechts. |