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# taz.de -- Affäre um AfD-Berater Tom Rohrböck: Alles andere als normal
> Die AfD wirbt mit der Wiederherstellung der „Normalität“. Eine Affäre um
> Strippenzieher Tom Rohrböck kommt da ungelegen und sorgt intern für
> Streit.
Bild: Dubios: Die Hälfte der AfD-Bundestagsabgeordneten soll Kontakt zu Tom Ro…
Berlin taz | „Deutschland. Aber normal“, heißt die AfD-Wahlkampfkampagne
für die Bundestagswahl. Der zugehörige Imagefilm ist aufwendig produziert
und kontrastiert ein bürgerliches Idyll mit trister Coronagegenwart. Der
Spot wirkt wie eine Ode an die Kleinbürgerlichkeit und deutet den Rassismus
der Partei nur an.
„Sichere Grenzen“ werden mit einer blonden Frau bebildert, die ihren
Gartenzaun streicht. „Saubere Straßen“ mit einer Nahaufnahme von klickenden
Handschellen eines festgenommenen Mannes untermalt. Bei einer Familienfeier
kuschelt ein Kleinkind mit einem Opa. Das Coronavirus existiert auf diesen
Bildern nicht. Am Ende heißt es: „Normal ist das, was wir alle wieder
brauchen. Klingt gut, oder?“
Alles andere als normal ist hingegen die derzeitige Realität der AfD. Denn
die Skandale innerhalb der rechten Partei reißen nicht ab. Kleine Kostprobe
nur aus dieser Woche: Die vorgeblich gemäßigte Berliner Landesvorsitzende
Kristin Brinker hat einem geschichtsrevisionistischen Magazin ein Interview
gegebenen – der Interviewer hatte wohl Bezüge zur NPD, wie der
[1][Tagesspiegel berichtete]. Und der NRW-Landesvize und aussichtsreiche
Bundestagskandidat Matthias Helferich hat in einem Facebook-Chat [2][laut
WDR-Recherche] ein Bild von sich mit „das freundliche Gesicht des NS“
kommentiert.
Am verheerendsten aber dürften derzeit die innerparteilichen Verwerfungen
um das Netzwerk des Polit-Strippenziehers Tom Rohrböck sein, der vor ein
paar Wochen durch Recherchen von [3][NDR, WDR und Zeit] als „Phantom“ oder
„Schattenmann“ der AfD bekannt wurde.
## AfD Bayern ficht Liste an
Demnach sei Rohrböck zwar kein Mitglied, aber bestens in der AfD vernetzt
und als „Königsmacher“ und mächtiger Strippenzieher im Hintergrund
einflussreich. Es soll sogar Abgeordneten Geldangebote gemacht haben, die
allerdings niemand angenommen haben will. Die Zeit berichtet, dass Rohrböck
konkrete politische Anweisungen gegeben haben soll und strategische Manöver
angestellt habe.
Ob jemand hinter Rohrböck steht und wenn ja, wer, bleibt vorerst
schleierhaft. Recht gut belegt ist, dass Rohrböck seit der Anfangszeit beim
Aufbau der AfD sowohl finanziell als auch beratend geholfen haben soll –
offenbar mit der Zielsetzung, in Deutschland eine dauerhaft starke rechte
Partei nach dem Vorbild der österreichischen FPÖ zu schaffen. Der
Rechercheverbund berichtet zudem, dass Rohrböck in Gesprächen mit
AfD-Abgeordneten mehrfach den Namen des konservativen Milliardärs August
von Finck erwähnt haben soll, Belege dafür fehlten allerdings.
Rohrböck verfüge demnach über Kontakte zu etwa der Hälfte der
Bundestagsabgeordneten, wie AfD-Spitzenkandidatin und Bundessprecherin
Alice Weidel vor laufender Kamera schätzte. Auch hat sie selbst eingeräumt,
zwei Jahre lang mit dem Mann in Kontakt gestanden zu haben – und im
November 2017, kurz nach ihrer Wahl zur Fraktionsvorsitzenden im Bundestag,
auf Rohrböcks Kosten und unter falschem Namen in einem Luxus-Hotel in
Bayern eingecheckt zu haben. Einfluss auf ihre politische Arbeit habe
Rohrböck allerdings nicht genommen, behauptet Weidel. Sie wolle nun
außerdem dazu beitragen, den Einfluss Rohrböcks aufzuklären.
Die bayerische Basis versucht derzeit sogar, die Liste für die im September
anstehende Bundestagswahl anzufechten, weil diese mit der
Bundestagsabgeordneten Corinna Miazga von exakt jener Kandidatin angeführt
wird, die maßgeblich von Rohrböck protegiert worden sein soll.
## Wildwest-Steckbriefe Rohrböcks kursierten
Die bayerische Landeswahlleitung will sich dazu nicht konkret äußern.
Entsprechende Vorwürfe gehörten zum Tagesgeschäft, allgemein würde dann ein
Vorprüfungsverfahren eingeleitet, sagt der stellvertretende
Landeswahlleiter Karsten Köhne zur taz. Ob ein solches Verfahren im
konkreten Fall bereits liefe, dazu könne er nichts sagen. Die SZ berichtet,
[4][dass entsprechende Anfechtungen von AfD-Mitgliedern formal bei der
Landeswahlleitung eingereicht worden seien.]
Anlass für die Anfechtung ist, dass Rohrböck Miazga 2019 zur Kandidatur für
den Landesvorsitz der AfD Bayern ermuntert haben soll, wie aus
Chatprotokollen hervorgehen soll. Einem Gegenkandidaten soll er hingegen
geschrieben haben, dass dieser „in eine Falle“ laufe und nicht mehr als 30
Prozent bekommen werde. Der Gegenkandidat zog auf dem Parteitag Minuten vor
der Wahl zurück, Miazga wurde schließlich gewählt.
Auch sie hat bestätigt, dass Rohrböck sie mehrfach in Luxus-Hotels
eingeladen hat, bestreitet aber, dass er ihr zu politischer Bedeutung
verholfen habe. Auch bei der [5][Vorstandswahl in Baden-Württemberg 2020]
soll Rohrböck sich eingemischt haben.
Die mögliche Einflussnahme blieb auch innerhalb der AfD nicht ohne Folgen.
Abgeordnete begannen, über die Rolle Rohrböcks zu sprechen. Im März 2020
kursierten in der Bundestagsfraktion zudem Zettel, die wie
Wildwest-Steckbriefe mit Foto von Rohrböck aufgemacht waren („Wanted? Tom
Rohrböck, Politische Beratung der CDU & AfD sucht weitere MdB und MdL –
machen Sie Karriere, aber richtig!“). Ein bayerischer AfD-Abgeordneter soll
die Steckbriefe verteilt haben, um auf die mögliche Einflussnahme
aufmerksam zu machen.
## Bundesvorstand richtet Untersuchungskommission ein
Peter Felser, Teil der bayerischen Landesgruppe in der AfD im Bundestag
sowie stellvertretender Vorsitzender der Fraktion, sagt, dass auch er
damals diesen Steckbrief wahrgenommen habe. Auch wisse er von den aktuellen
Anfechtungen der bayerischen Landesliste. „Wenn ein Außenstehender Einfluss
nimmt, geht das natürlich gar nicht“, sagt Felser, es müsse im Fall
Rohrböck allerdings erst bewiesen werden, dass tatsächlich Gelder geflossen
seien. Felser selbst will nicht mit Rohrböck in Berührung gekommen sein, er
halte auch die Zahl von 40 mit Rohrböck vernetzten Abgeordneten für zu hoch
gegriffen, sagt er.
Der Bundesvorstand der AfD findet das alles jedenfalls auch nicht mehr
normal und gibt zumindest nach außen hin vor, die Berateraffäre aufklären
zu wollen. Zu diesem Zweck wurde eine [6][Untersuchungskommission] ins
Leben gerufen.
Die aus Bundesvorstandsmitgliedern und Mitarbeiter*innen der
Bundesgeschäftstelle bestehende Kommission will alle Landtags- und
Bundestagsmitglieder der AfD anschreiben, um sie nach Kontakten zu Rohrböck
zu befragen. Ebenso sollen künftig Compliance-Regeln gelten, heißt es von
Bundesschatzmeister Carsten Hütter auf taz-Anfrage. In den Regeln sollen
demnach Verhaltensrichtlinien für Abgeordnete festgelegt werden – etwa,
dass Mandatsträger*innen etwaige Zuwendungen offen legen.
Hütter selbst will keinen Kontakt zu Rohrböck gehabt haben, geht aber von
bis zu 30 Abgeordneten aus, die mit Rohrböck vernetzt seien. Er sagt: „Es
gab sehr viele Mitglieder, die aufgrund der Berichte irritiert waren.“ Er
werde sich dafür einsetzen, „möglichst transparent aufzuklären, was dort
passiert ist.“ Für ihn gebe es allerdings noch keine Belege für finanzielle
Zuwendungen oder Vorteile. Angesprochen auf belegte Aufenthalte im
Luxus-Hotel entgegnete Hütter: „Das sind Ausnahmen, die auch von einer
gewissen Naivität in einer jungen Partei zeugen.“
Tino Chrupalla, der im Osten verankerte Spitzenkandidat neben Alice Weidel,
gibt sich bisher zugeknöpft. Er sagte der taz: „Für Antworten ist es noch
zu früh.“ Die Untersuchungskommission sei gerade erst eingerichtet worden
und werde allen Fragen nachgehen, die sich im Zusammenhang mit der Affäre
stellten.
Übrigens: Rohrböck soll ebenso versucht haben, Verbindungen zu anderen
Parteien neben der AfD aufzubauen. Er scheiterte demnach bei [7][der Linken
und den Piraten]. Guten Kontakt soll Rohrböck hingegen zu einer anderen
rechten Partei haben: Er soll Beziehungen zu NPD-Funktionären pflegen, etwa
dem Bundesvorsitzenden Frank Franz.
15 Jul 2021
## LINKS
[1] https://www.tagesspiegel.de/berlin/gespraech-mit-der-zeitung-deutsche-gesch…
[2] https://www1.wdr.de/nachrichten/chat-aussagen-afd-landesvize-helferich-100.…
[3] https://story.ndr.de/afd-netzwerk-rohrboeck/index.html
[4] https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-afd-berateraffaere-bundestagslist…
[5] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-06/tom-rohrboeck-afd-berateraf…
[6] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/afd-geheimes-netzwerk-105.ht…
[7] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-07/rechtes-phantom-tom-rohrboe…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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