| # taz.de -- AfD Berlin beim Bundesparteitag: Lieber Zuschauer bleiben | |
| > Die AfD Berlin durfte nicht mitstimmen auf dem Bundesparteitag in Riesa. | |
| > Die Landeschefin Kristin Brinker will dies aber nicht anfechten – und | |
| > steht in der Kritik. | |
| Bild: Beatrix von Storch und Kristin Brinker | |
| Berlin taz | Es sei doch leidig, darüber noch zu streiten. Alles nur | |
| „verschüttete Milch“, heißt es gleich von verschiedenen Vertretern der AfD | |
| Berlin auf taz-Anfrage. Die 24 Delegierten des Berliner Landesverbandes | |
| durften nach einem Urteil des Bundesschiedsgerichts nicht am | |
| Bundesparteitag der extrem rechten AfD teilnehmen. | |
| Dabei hätten die Berliner Delegierten durchaus einen Unterschied machen | |
| können – unter anderem bei der Wahl des [1][von der völkischen Strömung | |
| gestützten Bundessprechers Tino Chrupalla]: Der nämlich wurde hauchdünn zum | |
| AfD-Chef gewählt – mit lediglich 53,45 Prozent. Bei 600 Delegierten hätten | |
| die Berliner 4 Prozent der Stimmen sogar bei der wichtigsten Entscheidung | |
| des Parteitags einen Unterschied machen können – zumindest wenn sie | |
| einheitlich gestimmt hätten. | |
| Dennoch ist die Landeschefin Kristin Brinker dagegen, nach dem Parteitag | |
| juristische Schritte gegen den Ausschluss der Berliner Delegierten zu | |
| unternehmen und das Ergebnis des Parteitages anzufechten. Dafür werde sie | |
| sich auf der Landesvorstandssitzung Anfang Juli einsetzen, sagte Brinker | |
| zur taz. | |
| Hintergrund für den Ausschluss ist ein Landesschiedsgerichtsurteil aus dem | |
| Mai. Bei der Delegiertenwahl der Berliner AfD im vergangenen Juni hatte es | |
| [2][nach Ansicht des Parteigerichts einen „irreparablen schweren | |
| Wahlfehler“ gegeben]. Die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch habe | |
| drei Kandidaten auf die Wahlliste setzen lassen, obwohl diese bereits | |
| geschlossen gewesen sei – das Bundesschiedsgericht der Partei bestätigte | |
| kurz vor dem Bundesparteitag das Urteil. Viele Berliner Delegierte waren | |
| dennoch angereist, weil die AfD Berlin das Urteil noch kurzfristig mit | |
| einem zivilgerichtlichen Eilantrag des Landgerichts aufheben wollte. | |
| ## Gäste ohne Stimme | |
| Der Eilantrag scheiterte jedoch – die Berliner*innen waren umsonst in | |
| sächsische Riesa gekommen und durften den Parteitag nur als Gäste ohne | |
| Stimmrecht verfolgen. Unter ihnen war auch von Storch, die nach dem Debakel | |
| ihre geplante Kandidatur als stellvertretende Parteichefin lieber gleich | |
| bleiben ließ. Sicher half der Ausschluss der Berliner auch Nicolaus Fest | |
| nicht gerade bei seiner Spitzenkandidatur, die dann auch krachend | |
| scheiterte. Brinker, von Storch und Fest, sie alle mussten zerknirscht ganz | |
| hinten in der Halle Platz nehmen – weiter hinten saß nur noch die Presse. | |
| Nach dem Parteitag sagte Brinker der taz nun, sie übernehme die | |
| Verantwortung für das Debakel. Man werde künftig Parteitage aufzeichnen, um | |
| strittige Situationen wie diese besser bewerten zu können. Von der | |
| Delegiertenwahl im Juni habe es lediglich einen Livestream gegeben, der | |
| nicht gespeichert worden sei. | |
| [3][Allerdings hatte Brinker eine einstweilige Anordnung des | |
| Landesschiedsgerichtes] ignoriert. Das nämlich hatte bereits vergangenen | |
| Herbst damit einen Hinweis gegeben, dass die Wahl unsauber abgelaufen sei, | |
| und die Entsendung zum später wegen Corona aufgefallenen Parteitag in | |
| Wiesbaden untersagt und die Neuwahl der Delegierten empfohlen. | |
| Brinker hatte dies nicht gekümmert, sie war gegen ein schließlich im Mai | |
| ergangenes Urteil des Landesschiedsgerichts juristisch vorgegangen. Warum | |
| sie sich nicht bereits im Herbst um Neuwahl gekümmert hatte? „Die | |
| Empfehlung des Landesschiedsgerichts stellte noch keine juristische | |
| Grundlage für eine Neuwahl dar“, sagte Brinker. „Außerdem ist es sehr | |
| schwer für uns, in Berlin Räume zu finden.“ | |
| Für den Parteitag hatte die AfD Berlin ein Festzelt auf einer Wiese am | |
| Stadtrand in Berlin-Biesdorf angemietet und dort an aufeinander folgenden | |
| Wochenenden die Listen für die Wahlen und die Delegierten abgehalten. Nach | |
| Brinkers Angaben haben beide Wochenenden einen sechsstelligen Betrag | |
| gekostet. | |
| ## Kritik an Brinker | |
| Kritik übte das Abgeordnetenhausmitglied Antonín Brousek. Der Amtsrichter | |
| sagte der taz: „Das Ganze ist suboptimal gelaufen. Man hätte nach dem | |
| Hinweis des Landesschiedsgerichts vergangenen Herbst außerprozessual die | |
| Delegierten neu wählen können, um rechtssicher zu sein. Das hat man | |
| unterlassen.“ Das Verfahren sei zu sehr auf die leichte Schulter genommen | |
| worden. Brousek klingt enttäuscht vom Umgang des Landesvorstandes um | |
| Kristin Brinker mit dem Verfahren: „Das ist von Anfang an ziemlich | |
| katastrophal gelaufen. Die AfD Berlin hat von A bis Z keine gute Figur | |
| abgegeben.“ | |
| Gleichwohl glaubte Brousek nicht, dass die Vorgänge innerparteiliche, etwa | |
| personelle Konsequenzen nach sich zögen. An den Erfolg einer mögliche | |
| Anfechtung der Parteitagsbeschlüsse, von der einige Berliner Kollegen | |
| bereits gesprochen hätten, glaubte der Amtsrichter Brousek ebenso wenig: | |
| „Wahlen werden von Gerichten nur in extremen Fällen gekippt, selbst wenn | |
| sie mit Fehlern verbunden sind.“ Brousek ist selbst Mitglied des | |
| Landesschiedsgerichts, war aber nicht mit dem Fall befasst. | |
| Brinker selbst gilt nicht als übermäßig radikal innerhalb der AfD, paktiert | |
| aber mit dem offiziell aufgelösten rechtsextremem Flügel. Bei ihrer Wahl | |
| 2021 war sie nur mit Unterstützung der Völkischen zur Landeschefin gewählt | |
| worden, die seitdem auch prominent im Landesvorstand vertreten sind. | |
| Brinker gewann bei ihrer Wahl hauchdünn gegen Beatrix von Storch. | |
| Mit dem neuen, völkisch dominierten Bundesvorstand hat Brinker offenbar | |
| kein Problem, wie sie deutlich macht: „Nach jedem Parteitag wird der Partei | |
| ein Rechtsruck zugeschrieben. Das ist müßig.“ Der neue Bundesvorstand solle | |
| nun seine Aufgaben verteilen „und sollte sich in 100 Tagen an seinen | |
| Arbeitsergebnissen messen“, so Brinker. | |
| Auf dem Parteitag haben sich die Kräfteverhältnisse im obersten | |
| Parteigremium dramatisch zum Thüringer Rechtsextremisten Björn Höcke | |
| verschoben. Wie zum Beweis änderte Höcke mit seiner Parteitagsmehrheit | |
| gleich am Tag nach der Vorstandswahl die Unvereinbarkeitsliste und sprengte | |
| den Parteitag mit einer verschwörungsideologischen und russlandfreundlichen | |
| „Resolution“, welche die EU-Auflösung forderte. | |
| Beatrix von Storch, die den Rechtsruck im Landesvorstand teilweise | |
| richtiggehend schockiert aus dem Gästebereich verfolgte, äußerte sich auf | |
| taz-Anfrage bisher nicht. [4][Einige in der AfD vermuten, dass sie nach | |
| Riesa den Rückzug aus der Bundespolitik antreten könnte] – und eventuell | |
| künftig im Landesverband eine größere Rolle einnimmt. | |
| 21 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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