# taz.de -- Abtreibungsgegner über §219a: „Das ist halt so mein Hobby“ | |
> Markus Krause zeigt ÄrztInnen wie Kristina Hänel an, die auf ihrer | |
> Webseite darüber informieren, dass sie Abtreibungen anbieten. Warum macht | |
> er das? | |
Bild: Markus Krause hat auch gegen Kristina Hänel Strafanzeige gestellt. Am 24… | |
taz: Herr Krause, Sie möchten das Interview nicht unter Ihrem richtigen | |
Namen geben. Warum? | |
Markus Krause: Es geht hier um die Erstattung von Strafanzeigen gemäß | |
Paragraf 219a. Leider gibt es einige gewaltbereite linke | |
Abtreibungsbefürworter. Vor denen möchte ich mich schützen. | |
Wir führen dieses Interview im Auto und nicht zum Beispiel bei Ihnen zu | |
Hause. | |
Ich lebe in meinem Wohnhaus nicht alleine, da würden wir gestört werden. | |
Die Anzeigen erstatte ich ganz für mich, ich bin nicht in irgendwelchen | |
Initiativen. Ich mache das ganz für mich allein. Niemand weiß etwas davon. | |
Paragraf 219a verbietet die „Werbung“ für Abtreibungen. Darunter fällt | |
auch, wenn Ärzte öffentlich darüber informieren, dass sie diese | |
durchführen. Im November 2017 wurde die Gießener Ärztin Kristina Hänel | |
deswegen zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie waren es, der sie angezeigt | |
hat, oder? | |
Die Staatsanwaltschaft hatte das Ganze zunächst eingestellt. Sie hatte erst | |
keinen Verdacht gesehen, hatte das nicht weiter begründet. Das hat mich | |
etwas gewundert, ich habe dagegen Dienstaufsichtsbeschwerde bei der | |
zuständigen Generalstaatsanwaltschaft eingelegt, der auch stattgegeben | |
wurde. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Gießen die Ermittlungen | |
aufgenommen. | |
Wie gehen Sie für gewöhnlich vor? | |
Wenn ich Zeit habe, am Wochenende meistens, suche ich in meinem | |
Arbeitszimmer am Computer über Google nach Schwangerschaftsabbrüchen und | |
danach, wo man die vornehmen könnte. Ich überlege mir: Wo würden schwangere | |
Frauen im Internet suchen? Also auf Seiten von Arztpraxen. Ich gucke dann, | |
ob ich auf Seiten stoße, auf denen angegeben ist, dass | |
Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Wenn das der Fall ist, dann | |
erstatte ich online Strafanzeige. | |
Wie viele Anzeigen haben Sie bisher erstattet? | |
Ich mache das jetzt seit gut drei Jahren und habe, würde ich mal schätzen, | |
60 bis 70 Anzeigen erstattet. Das ist halt so mein Hobby. | |
Wie sind Sie auf die Idee gekommen? | |
Die Diskussion zum Paragrafen 218 kennt man natürlich schon aus der Schule, | |
aus dem Politikunterricht … | |
… Sie meinen die Tatsache, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland | |
verboten, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei sind … | |
… auch im Ethikunterricht wurde über Schwangerschaftsabbruch diskutiert, | |
über den philosophischen Wert des Lebens. Im Biologieunterricht lernt man, | |
wann das menschliche Leben beginnt. Zwischen geborenem und ungeborenem | |
menschlichen Leben zu unterscheiden ist meines Erachtens biologisch und | |
medizinwissenschaftlich nicht haltbar. Alles menschliche Leben ist gleich | |
viel wert. Das Lebensrecht des Ungeborenen ist nicht weniger schützenswert | |
als das des geborenen Menschen. Und deswegen ist es auf jeden Fall meine | |
Leidenschaft, das menschliche Leben zu schützen. | |
Ist es nicht ein Unterschied, ob seit der Verschmelzung von Eizelle und | |
Spermium drei Wochen vergangen sind oder acht Monate? | |
Meines Erachtens ist es schon ab dem ersten Tag der Befruchtung ein Mensch. | |
Es gibt ja auch zum Beispiel Fälle, dass sich die befruchtete Eizelle statt | |
in der Gebärmutter in den Eierstöcken einnistet. Die Eizelle ist zu diesem | |
Zeitpunkt befruchtet, ist also bereits als Mensch anzusehen und nach | |
Möglichkeit zu schützen. | |
Warum haben Sie sich so auf die Anzeigen konzentriert? | |
Irgendwann bin ich auf den Paragrafen 219a gestoßen. Mich hat interessiert, | |
ob das umgesetzt wird. Ob sich die Ärzte daran halten. Der Gesetzgeber | |
möchte, dass die Frauen die Information, wo sie ihren | |
Schwangerschaftsabbruch vornehmen können, ausschließlich von den gesetzlich | |
anerkannten Beratungsstellen bekommen. Denn die haben keinen finanziellen | |
Vorteil davon, ob die Frau abtreibt oder nicht. Dadurch verdienen sie | |
nichts. Anders wäre es bei den Praxisärzten, die natürlich ein finanzielles | |
Interesse daran haben könnten, wenn eine schwangere Frau überlegt: Soll ich | |
abtreiben oder nicht? Und sich dann tatsächlich entscheidet, abzutreiben. | |
In Deutschland gibt es einen weiteren Mann, der Anzeigen nach Paragraf 219a | |
erstattet. Sind Sie mit ihm in Kontakt? | |
Der war mir bekannt. Das hat er schon lange vor mir gemacht. In Kontakt bin | |
ich aber nicht mit ihm gewesen. | |
Hat er Sie inspiriert? | |
Das kann man so sagen. Ich wusste, dass er Anzeigen erstattet. Und dann | |
habe ich geguckt: Ist es in der Tat so, dass dieses Gesetz so häufig | |
missachtet wird? Dass man Werbung für Schwangerschaftsabbruch so leicht | |
findet im Internet? | |
Es geht bei Ihren Anzeigen immer um einen „Spiegelstrich“, ein | |
Leistungsangebot unter vielen zwischen Krebsvorsorge und | |
Geburtsvorbereitung. Es geht nicht um anpreisende Werbung. | |
Richtig. Aber auch das Anbieten ist verboten. Es geht um die Frage, ob auch | |
eine sachliche Information von diesem Tatbestand erfasst wird. Das hat das | |
Landgericht Bayreuth 2006 bei einem Fall bejaht und, finde ich, | |
nachvollziehbar begründet. Es hat nämlich gesagt, es solle verhindert | |
werden, dass Schwangerschaftsabbrüche als etwas Normales dargestellt und | |
damit bagatellisiert werden. Dadurch, dass Schwangerschaftsabbrüche genauso | |
aufgeführt werden wie harmlose ärztliche Untersuchungen, wie Impfungen oder | |
wie positiv konnotierte Untersuchungen wie Brustkrebsvorsorge, könnten sie | |
verharmlost werden. | |
Haben Sie schon mal mit ungewollt schwangeren Frauen gesprochen? | |
Nein, das habe ich noch nicht getan. | |
Wäre es eine Idee, das mal zu tun? | |
Das kann man gern mal machen, hat sich bislang eben nicht ergeben. | |
Haben Sie eigentlich einen katholischen, protestantischen oder anderen | |
religiösen Hintergrund? | |
Nein, mit meiner religiösen Einstellung hat das nichts zu tun. Ich | |
versuche, das Leben zu schützen im Rahmen dessen, was der Gesetzgeber | |
vorgegeben hat. Der Gesetzgeber hat hier mit dem Paragrafen 219a ein | |
durchaus sinnvolles, logisch begründbares Verbot erlassen, und ich möchte, | |
dass die Straftat in allen ihren Konsequenzen verfolgt wird. | |
Unternehmen Sie außer den Anzeigen bei der Polizei weitere Schritte? | |
Nach Abschluss des Verfahrens wende ich mich meistens noch an die | |
zuständige Landesärztekammer mit der Bitte zu überprüfen, ob neben | |
strafrechtlichen auch standesrechtliche Konsequenzen in Betracht kommen. | |
Nur Frauen können schwanger und deshalb auch ungewollt schwanger werden. | |
Sehen Sie es als Problem, dass Sie als Mann Anzeige erstatten? | |
Nein. Die Tatsache, dass ich ein Mann bin und keine Frau, also nicht selber | |
schwanger werden kann, das sehe ich sogar so: Ich kann deshalb, sage ich | |
mal, nicht so voreingenommen sein, sondern objektiv damit umgehen. | |
Erleben Sie, zum Beispiel in Ihrer Familie, welche Arbeit und auch | |
Belastung Kinder bedeuten? | |
Natürlich können Kinder eine große Belastung für die Eltern sein. | |
Insbesondere wenn es eine ungewollte Elternschaft ist. Das ist ja klar. | |
Sind Sie mit Ihrer Freundin im Gespräch, ein Kind zu bekommen oder lieber | |
zu verhüten? | |
(zögert) Wir wollen Kinder haben. Aber erst, wenn die Ausbildung fertig | |
ist. | |
Wie lange sind Sie zusammen? | |
Seit zwei Jahren. | |
Und da sorgen Sie beide dafür, wenn Sie mir die Frage gestatten, dass keine | |
ungewollte Schwangerschaft entsteht? | |
Wir wollen bis zur Ehe enthaltsam leben, bislang. Deshalb stellt sich diese | |
Frage jetzt nicht. | |
Die fünftletzte Frage habe wir leider unglücklich formuliert. „Nur Menschen | |
mit Gebärmutter können schwanger werden“, wäre eine bessere Formulierung | |
gewesen. Die begriffliche Ungenauigkeit tut uns leid. | |
10 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Gaby Mayr | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Abtreibung | |
Werbung | |
Schwerpunkt Abtreibung | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Franziska Giffey | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mahnwache gegen Abtreibungen: Protestbann vor Pro Familia gekippt | |
Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim erlaubt Abtreibungsgegner:innen | |
Demos vor einer Pforzheimer Beratungsstelle – nicht aber „in nächster | |
Nähe“. | |
Urteil in Karslruhe: Erfolg für Thomas Fischer | |
Ex-Bundesrichter Fischer hat gegen die Journalistin Mayr vor Gericht im | |
Wesentlichen gewonnen. Es ging um ihre Kritik seiner Kommentierung zum § | |
219a. | |
Buzzfeed siegt gegen Abtreibungsgegner: Sie dürfen ihn beim Namen nennen | |
Buzzfeed darf den Klarnamen eines Abtreibungsgegners nennen, der hobbymäßig | |
Ärzt*innen anzeigte. Das hat ein Gericht am Mittwoch entschieden. | |
Nicht mehr anonymer Abtreibungsgegner: Y***** H******** mahnt ab | |
Zwei Männer erstatten Anzeige wegen angeblicher Werbung nach 219 a – einer | |
will anonym bleiben. Er geht nun gegen diejenigen vor, die ihn outen. | |
Umgang mit Paragraf 219a: Selbstbestimmung ist Ländersache | |
Die Hamburger Gesundheitsbehörde veröffentlicht Adressen von ÄrztInnen, die | |
Abtreibungen durchführen. Andere Länder halten diese Informationen bislang | |
zurück. | |
Angezeigte Ärzt*innen über Paragraf 219a: „Wir halten dagegen“ | |
Am Freitag debattiert der Bundesrat über Paragraf 219a, der „Werbung“ für | |
Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Drei Protokolle von Ärzt*innen, die | |
angezeigt wurden. | |
Abtreibungsstreit um Paragraf 219a: SPD und Verbände machen Druck | |
Die Gegner des Werbeverbots für Abtreibungen werden ungeduldig. Die SPD | |
will eine Lösung bis Herbst. Verbände schicken Offenen Brief an die | |
Bundesregierung. | |
Diskussion über Paragraf 219a: SPD-Spitze speist Basis ab | |
Die Antragskommission versucht vor dem Parteitag Anträge gegen den | |
Paragrafen zu entschärfen. Die Antragssteller*innen ärgert das. | |
Recht auf Schwangerschaftsabbruch: Rote Bete gegen „Lebensschützer“ | |
40 Tage am Stück demonstrierten Abtreibungsgegner in Frankfurt am Main – | |
und das ausgerechnet vor der Beratungsstelle von Pro Familia. | |
Verbot von „Werbung“ für Abtreibungen: Familienministerin will 219a ändern | |
Der Streit um den Paragraphen 219a droht, die Große Koalition zu entzweien. | |
Familienministerin Giffey beharrt auf seiner Abschaffung. Die Union stellt | |
sich quer. | |
Reform im Abtreibungsrecht: Debatte um §219a verschärft sich | |
Die Union missbraucht den §219a als Schutzschild für §218 und argumentiert | |
verkürzt. Die SPD hilft ihr, eine Anhörung im Parlament zu blockieren. |