# taz.de -- Abschiebungen aus Flüchtlingsheimen: Bietet diese Wohnung Schutz? | |
> In Berlin gilt nun: Ohne Durchsuchungsbeschluss keine Abschiebung aus | |
> Flüchtlingsunterkünften. Der Innensenator poltert und hofft auf Seehofer. | |
Bild: Dass es sich um eine Wohnung handelt ist unstrittig, ob die Polizei hinei… | |
BERLIN taz | Gilt das Grundgesetz auch für Flüchtlinge und ihre | |
Unterkünfte? Das ist die eigentliche Frage im Streit darüber, ob Polizisten | |
[1][ohne Durchsuchungsbeschluss in Flüchtlingsheime eindringen dürfen], um | |
Menschen abzuschieben. „Die Wohnung ist unverletzlich“, heißt es | |
unmissverständlich in Artikel 13 des Grundgesetzes. | |
Für Flüchtlinge in Heimen galt dieser Schutz bislang nicht. Stattdessen war | |
es in Berlin und anderswo Praxis, dass Polizisten ohne entsprechenden | |
Beschluss Geflüchtete in ihren Heimen und Privatzimmern aufsuchten und | |
mitnahmen. Dies geschah auch gegen den erklärten Willen von Heimbetreibern, | |
die in den Unterkünften das Hausrecht ausüben. | |
Zumindest vorläufig ist damit jetzt Schluss. Vergangene Woche teilte die | |
Behörde von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) den Heimleitungen mit, | |
dass sie Polizisten ohne Durchsuchungsbeschluss keinen Zutritt mehr | |
gewähren sollen. Dies gelte auch für Gemeinschaftsräume. Der Berliner | |
Morgenpost hatte Breitenbach gesagt, ihr gehe es darum, dass Polizisten | |
nicht in die Unterkünfte „reinrockern, wie sie wollen“. | |
Die Sozialbehörde hatte zuvor entsprechende Rechtsgutachten erstellt, auf | |
die sie ihre Einschätzung stützt. Das Oberverwaltungsgericht | |
Berlin-Brandenburg und das Berliner Kammergericht vertraten bereits im | |
Februar und März vergangenen Jahres die Auffassung, dass es sich beim | |
Eindringen in ein Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft zum Zwecke einer | |
Abschiebung um eine Durchsuchung handele und eine landesrechtliche | |
Rechtsgrundlage für eine richterliche Durchsuchungsanordnung zum Zwecke der | |
Abschiebung fehle. | |
## Betreten statt durchsuchen? | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD) vertritt dagegen explizit eine | |
gegenteilige Rechtsauffassung. Ihm zufolge werden bei Abschiebungen die | |
Räumlichkeiten nicht durchsucht, sondern nur betreten. Innenbehörde und | |
Polizei verweisen zudem darauf, dass es bei „Gefahr im Verzug“ keines | |
Durchsuchungsbeschlusses bedürfe. Die Gerichte hatten dieses Argument | |
abgelehnt, schließlich gebe es bei Abschiebungsfällen genug Zeit, einen | |
Beschluss zu beantragen. | |
Vergangenen Dienstag standen sich beide Positionen in der Sitzung des | |
rot-rot-grünen Senats gegenüber. Niemand war zum Kompromiss bereit; vor | |
allem Geisel wirft seiner Kollegin öffentlich vor, einer politischen Lösung | |
im Wege gestanden zu haben. Diesen Montag teilte der Senator dann im | |
Innenausschuss mit: „Ich bleibe bei meiner juristischen Einschätzung, habe | |
aber zum Schutz der Kollegen eine temporäre Weisung herausgegeben, bis das | |
politisch geklärt ist.“ Abschiebungen ohne Durchsuchungsbeschluss soll es | |
damit zumindest „temporär“ nicht mehr geben. Laut Geisel hat es bereits | |
fünf Anzeigen gegen Polizeibeamte wegen Abschiebungen aus Heimen gegeben. | |
Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin, sagte auf | |
taz-Anfrage, dass seit dem Schreiben aus dem Hause Breitenbach „einige | |
Abschiebungen gescheitert“ seien. Und weiter: „Zurzeit macht es nur wenig | |
Sinn, Kollegen in Flüchtlingsunterkünfte zu schicken.“ Ihm zufolge hat die | |
Anordnung zu „Unsicherheiten“ bei den Betreibern geführt, mit denen die | |
Polizei kooperativ gearbeitet habe. | |
## Rechtswidrige Praxis beendet | |
Während rechte Kreise und auch die B.Z. dagegen Stimmung machen, dass die | |
Sozialsenatorin Abschiebungen „torpediere“, stößt die Verfahrensänderung | |
beim Berliner Flüchtlingsrat auf Zustimmung: „Wir sind erleichtert, dass | |
dieser Missstand beseitigt wird“, sagt Sprecherin Nora Brezger. Jetzt werde | |
sich „an gängiges Recht gehalten, das vorher ständig gebrochen wurde“. Die | |
bisherige Praxis sei für die Heime „fatal“ gewesen. Brezger: „Einige | |
wussten um die Rechtsverletzung und haben teilweise versucht, die Polizei | |
aufzuhalten.“ Nun sei für Klarheit gesorgt. | |
Möglicherweise ändert sich die Rechtsgrundlage aber bereits diese Woche | |
wieder. Am Freitag will die Große Koalition auf Bundesebene das sogenannte | |
Geordnete-Rückkehr-Gesetz von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) | |
beschließen. In einer Pressemitteilung verwies Geisel am Montag auf seine | |
Hoffnung, dass seine Auffassung dann bestätigt werde: „Ich gehe davon aus, | |
dass der Deutsche Bundestag am Ende dieser Woche eine entsprechende | |
Regelung beschließt.“ | |
Doch es könnte sein, dass sich Geisel täuscht. Zwar war in einem ersten | |
Entwurf des Gesetzes noch die Rede davon, dass zum „Zweck der Vollstreckung | |
der Abschiebung“ Besitztum mit richterlicher Anordnung betreten werden | |
darf, gefolgt von dem einschränkenden Satz: „Eine richterliche Anordnung | |
ist nicht erforderlich, wenn die dadurch eintretende Verzögerung den Zweck | |
der Vollstreckung gefährden würde.“ In der Kabinettsfassung vom 10. Mai ist | |
dieser Paragraf jedoch nicht mehr enthalten. Noch aber befindet sich das | |
Gesetz in den Ausschüssen, und niemand weiß, in welcher Fassung es am | |
Freitag den Bundestag passieren wird. | |
Kritik an Geisel formulierte der innenpolitische Sprecher der | |
Linksfraktion, Niklas Schrader. Zwar sei Geisels Schritt, die bisherige | |
Praxis auszusetzen, richtig, falsch sei jedoch der „Zungenschlag, dass nur | |
seine Rechtsauffassung die richtige sei“. Schrader weiter: „Wir haben in | |
der Koalition nicht miteinander vereinbart, dass wir die größtmögliche Zahl | |
von Abschiebungen erreichen wollen, sondern dass wir dieses Instrument, so | |
weit es bundesrechtlich geht, vermeiden.“ | |
3 Jun 2019 | |
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[1] /Kritik-des-Fluechtlingsrats/!5595213 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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