| # taz.de -- Absage aller großen Veranstaltungen: Im zivilisatorischen Korsett | |
| > Keine Großveranstaltungen mehr bis mindestens 31. August: Das trifft die | |
| > Kultur- und Party-Hauptstadt besonders hart. Ein Wochenkommentar. | |
| Bild: Letztes Jahr gab es ihn noch: der Berliner CSD zieht an der Siegessäule … | |
| Berlin taz | Auch wenn viele Details noch unklar sind, kann man eines schon | |
| sagen: Die in dieser Woche getroffene Entscheidung, bundesweit mindestens | |
| bis zum 31. August auf Großveranstaltungen zu verzichten, trifft die | |
| Berliner Stadtgesellschaft und die Kulturszene ins Mark. Es wird keinen 1. | |
| Mai geben, wie wir ihn kannten, keinen Karneval der Kulturen, keine | |
| Open-Air-Festivals, keinen CSD, keine Union- und Hertha-Spiel mit Publikum | |
| im Frühling und Sommer – Absagen von Liveevents wie der Fête de la Musique | |
| und dem Pop-Kultur-Festival werden wohl bald folgen. Das Lollapalooza | |
| Festival Anfang September abzuhalten scheint derzeit illusorisch. Größere | |
| Klubkonzerte und -partys: in weiter Ferne. | |
| Auf Kulturveranstaltungen mit großen Menschenansammlungen zu verzichten ist | |
| natürlich vernünftig und richtig. Niemand will, dass Berlin ein zweites New | |
| York wird. Anlass zur Sorge gibt die Entscheidung dennoch. Welche | |
| psychosozialen Folgen der Verzicht auf jegliche Art von Freidrehen, von | |
| Luftablassen, von Entgrenzung haben wird, kann niemand vorhersehen. | |
| Was macht der 50-Stunden-Büromensch eigentlich, wenn er nicht wenigstens | |
| einmal am Wochenende im Fußballstadion singen, grölen und schreien kann? | |
| Was macht es mit dem Konzertgänger, wenn er sich nicht gelegentlich in | |
| Rausch, Ekstase und Exzess verlieren kann? Was machen all die Leute, die in | |
| Clubs nach Flirts, Nähe und Sex suchen? Wenn all das, was die Funktion der | |
| Kompensation oder der Sublimierung hat, wegfällt, ist dies zwar kein | |
| Problem, das aktuell an erster Stelle steht – ein Problem aber es ist | |
| trotzdem. Zumal wir ohnehin in den nächsten Monaten in einem | |
| zivilisatorischen Korsett mit jeder Menge Regeln gefangen sind. | |
| Ein weitaus pragmatischeres Problem ist es, dass der Begriff | |
| „Großveranstaltungen“ nicht definiert ist. Der Bund hat entschieden, dass | |
| die so bezeichneten Events ausfallen. Nun sollen die Länder festlegen, was | |
| damit gemeint sein soll. Das ist auch deshalb keine gute Idee, weil | |
| bundesweite Standards zum Beispiel bei längst geplanten Tourneen helfen | |
| würden (wenn Band X, die 300-Leute-Venues bucht, in Köln spielen darf, in | |
| Stuttgart und Berlin aber nicht, ist das keine gute Lösung). Ohnehin wäre | |
| eine Gleichbehandlung von Klubs und Kulturorten in ganz Deutschland | |
| wünschenswert. | |
| In jedem Fall sollte man sich bei der Definition von (Groß-)Veranstaltungen | |
| nicht nur an Besucherzahlen und den Kapazitäten der Venues orientieren. Die | |
| Massenevents absagen – richtig und gut. Ein Theater, ein kleiner Club, ein | |
| Literaturhaus aber hat Möglichkeiten, Veranstaltungen unter Einhaltung von | |
| Abstandsregeln und einem Mundschutzgebot auf die Beine zu stellen. Das wäre | |
| für diese Orte wichtig, damit sie ein Minimum an Einnahmen und | |
| Aufmerksamkeit im Überlebenskampf haben. Es wäre aber auch für uns, die wir | |
| nach Livekultur dürsten, wichtig. | |
| Ermöglichen, was zu ermöglichen ist, sollte deshalb die Maßgabe sein – auch | |
| um den (stadt)gesellschaftlichen Schaden der Pandemie so klein wie möglich | |
| zu halten. | |
| 18 Apr 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Kontaktsperre | |
| Kultur in Berlin | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Lesestück Interview | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Protest | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fête de la Musique in Berlin und überall: Auf zum Corona-Jam! | |
| Zurück zu den Wurzeln: Die Fête de la Musique wird trotz Corona | |
| stattfinden, und nicht nur im Internet. Jede/r ist aufgerufen, Musik zu | |
| machen. | |
| Die taz hat einen Chor – seit 25 Jahren: „Es ist ein bisschen wie ein Tanz�… | |
| Kristina Jean Hays und Jérôme Quéron leiten zusammen den taz-Chor. Ein | |
| Gespräch über Proben in digitalen Zeiten. Und darüber, warum Singen gesund | |
| ist. | |
| Corona und Feiern in Berlin: Tanz über die lange Distanz | |
| Corona bedroht das Berliner Nachtleben. Um ein Clubsterben zu verhindern, | |
| braucht es Engagement durch UnterstützerInnen. | |
| Corona-Lage in Berlin: Nur nicht zu euphorisch | |
| Die Maßnahmen gegen Covid-19 wirkten, aber man sei nicht über den Berg, | |
| sagt Gesundheitssenatorin Kalayci (SPD). Sie plädiert gegen schnelle | |
| Kita-Öffnung. | |
| Demonstrieren in Corona-Zeiten: Wo bleibt der Protest? | |
| Die Corona-Regeln werden gelockert – aber was ist mit den Demonstrationen? | |
| Die Länder geben sich hier wortkarg oder bleiben bisweilen weiter streng. | |
| Einschränkungen wegen Corona: Ein trauriger Sommer in Berlin | |
| Kein CSD, keine Konzerte, kaum Touristen und auch Demos wird es in diesem | |
| Sommer nicht geben. Immerhin die Zoos machen nächste Woche wieder auf. | |
| Corona-Lockerungen in Deutschland: Riskanter Wettstreit gestoppt | |
| Bundeskanzlerin Merkel setzt auf ein einheitliches Vorgehen gegen Corona. | |
| Eine schnelle Rückkehr zur Normalität lehnt sie ab. Das ist richtig. |