# taz.de -- Corona-Lage in Berlin: Nur nicht zu euphorisch | |
> Die Maßnahmen gegen Covid-19 wirkten, aber man sei nicht über den Berg, | |
> sagt Gesundheitssenatorin Kalayci (SPD). Sie plädiert gegen schnelle | |
> Kita-Öffnung. | |
Bild: Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) | |
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wirkt am Montagmorgen regelrecht | |
aufgeräumt für diese pandemischen Zeiten. Aber zu viel Euphorie lässt sie | |
dann doch nicht zu: „Die Abbremsung ist uns gelungen, und das ist ein | |
gemeinsamer Erfolg für alle Berlinerinnen und Berliner“, sagte Kalayci im | |
Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses mit Blick auf die aktuellen | |
Zahlen der Coronavirus-Infizierten. „Aber es besteht auch absolut noch kein | |
Grund zur Entwarnung. Wir sind mitnichten über den Berg.“ | |
Die Senatorin betonte, dass die Lage im bundesweiten Vergleich in Berlin | |
sogar relativ entspannt sei. Die Reproduktionsrate liege im Moment bei 0,6 | |
– das heißt, ein Infizierter gibt das Virus im Schnitt an 0,6 Personen | |
weiter. Der Bundesschnitt liegt bei 0,8. Auch die Zahl der Infektionen pro | |
100.000 EinwohnerInnen ist in der Hauptstadt mit 138 geringer als im Bund | |
(168). Inzwischen verdoppelt sich die Zahl der festgestellten Infektionen | |
in Berlin alle 20 Tage – „wir waren da anfangs mal bei drei Tagen“, sagte | |
Kalayci. 5.225 bestätigte Fälle zählt die Gesundheitsverwaltung für Berlin | |
Stand Sonntagabend, 94 sind bisher an der Lungenkrankheit verstorben. | |
Forderungen nach einer schnelleren Komplett-Öffnung etwa der Kitas – | |
Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) peilt derzeit den 1. August an – | |
mochte Kalayci allerdings daraus nicht ableiten: „Das ist eine | |
Gratwanderung. Wir entscheiden das ja nicht in einem pandemiefreien Raum, | |
sondern müssen da auch immer mit Seitenblick auf die Entwicklung der | |
Fallzahlen reagieren.“ | |
SPD-Abgeordnete Bettina König wünschte sich indes „etwas mehr Kreativität�… | |
bei den bisherigen Fahrplänen für die Kita-Öffnung. Klar ist derzeit nur, | |
dass der Anspruch für die Notbetreuung ab kommenden Montag auf weitere | |
Berufsgruppen ausgeweitet werden soll. Auch Alleinerziehende, die arbeiten | |
müssen und keine Betreuungsmöglichkeit haben, sollen Anspruch haben. König | |
regte an, auch „über einen Schichtbetrieb nachzudenken, denn viele Eltern | |
wären auch über zwei Stunden am Nachmittag schon froh.“ | |
## Häusliche Gewalt nimmt zu | |
Einen Fortschritt ließ Kalayci ihren Staatsekretär Martin Matz vermelden: | |
„Innerhalb von vier Wochen konnten wir 53 Prozent unseres Dreimonatsbedarfs | |
von Mund- und Nasenschutz sichern.“ Im Klartext: Die Masken, die Berlin | |
unter anderem über den Bund geordert hat, kommen an. Anders sei die Lage | |
bei den Schutzkitteln: Vertraglich habe man sich den Drei-Monats-Bedarf | |
gesichert. Aber bisher seien in den letzten vier Wochen weniger als fünf | |
Prozent angekommen. | |
Kalayci nahm das zum Anlass, zu betonen: „Die Praxen und die Krankenhäuser | |
sind sicher.“ Es habe aus den Praxen und Rettungsstellen Rückmeldung | |
gegeben, dass viele Menschen später als sonst zum Beispiel bei einem | |
Herzinfarkt in die Rettungsstelle fahren würden – aus Angst vor einer | |
Ansteckung mit dem Coronavirus. | |
Eine Gesundheitsgefahr im doppelten Sinne ist das Virus auch für Frauen, | |
die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Laut Kalayci sei die Zahl der | |
Polizeieinsätze deswegen zuletzt gestiegen: Anfang April waren es innerhalb | |
einer Woche 332 Einsätze, und damit rund 80 mehr als in der zweiten | |
Märzwoche. | |
Unterdessen zieht nun auch Mitte mit einem „Drive-In“ für Corona-Tests | |
nach. „Der zentrale Festplatz soll zum Testplatz werden“, sagte Kalayci. | |
Zuvor hatte bereits Neukölln die Öffnung eines „Drive-In“ im Hotel Estrel | |
an der Sonnenallee ab dem kommenden Montag angekündigt. Allerdings, betonte | |
Kalayci, seien diese Drive-Ins keineswegs als schneller „Test to go“ für | |
alle gedacht. Vielmehr würden die Gesundheitsämter der Bezirke dort gezielt | |
und nach Terminvergabe „im Rahmen der Nachverfolgungsstrategie“ testen. | |
Getestet würden also nur Kontaktpersonen. | |
Am Dienstag will der Senat beraten, wie Berlin die vergangene Woche auf | |
Bund-Länder-Ebene beschlossenen Öffnungen im Einzelhandel konkret umsetzen | |
will. Ausgerechnet die FDP mag die Geschäfte lieber geschlossen lassen: | |
„Der Einzelhandel ist überhaupt nicht vorbereitet auf die Lockerungen, es | |
gibt keine Empfehlungen zum Schutz des Personals“, wetterte Florian | |
Kluckert an die Adresse von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). | |
Kommt es doch zu einem Wiederanstieg der Infiziertenzahlen, hat Berlin | |
immerhin noch Kapazitäten: Aktuell seien 500 Intensivbetten frei, sagte | |
Kalayci, 800 bis 900 könnten „zusätzlich kurzfristig“ zur Verfügung | |
gestellt werden. | |
20 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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